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Großbritannien hat Probleme, Teil einer griechischen Tragödie ist es aber nicht

24.03.2010  |  Redaktion
Zweifelsohne weiß man in Deutschland, was "Schadenfreude" ist. Der Versuch des deutschen Magazins Der Spiegel, das Vereinigte Königreich mit den Mühseligkeiten Griechenlands zu verbinden, treibt das Konzept jedoch zu einem boshaften und irrationalen Extrem, meint der kanadische Fondsmanager Marshall Auerback.

Laut dem Spiegel: "...torkelt das Britische Pfund. Die Wirtschaft befindet sich in der schlimmsten Krise seit 1931 und das Land kam um Haaresbreite an einer tiefen Rezession vorbei. Spekulanten setzen gegen einen Aufschwung. Die Instabilität des Bankensektors hatte in Großbritannien einen nachteiligeren Effekt auf die Staatsfinanzen als in anderen Industrieländern. Londons Haushaltsdefizit wird dieses Jahr £186 Milliarden betragen (205 Milliarden € bzw. 280 Milliarden $) - ganze 12,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts."

Klingt ziemlich düster, insonderheit, da das britische Haushaltsdefizit größer ist als sogar das der "korrupten" Griechen, die ebenfalls von den Deutschen in der Presse missbraucht und abgestraft werden für ihre mutmaßlichen finanziellen Verschwendungen.

Der Artikel selbst strotzt allerdings vor intellektueller Unredlichkeit. Man sollte nicht einfach gedankenlos Staaten der Europäischen Währungsunion (EWU) - Deutschland eingeschlossen -, die über keine wirkliche fiskalische Autorität souveräner Staaten im eigentlichen Sinne des Wortes verfügen, mit solchen wie das UK verwechseln, das zum Glück eine Regierung hat, die mit einem geldschöpferischen Monopol ausgestattet ist, welches flexible Wechselkurse zulässt (auch wenn die Briten das noch nicht wirklich herausgefunden zu haben scheinen). Und, so seltsam es auch klingen mag: Verschwendungen der öffentlichen Hand sind in diesen Zeiten der Vorsicht deutschen Stils vorzuziehen, denn wenn die Ausgaben und Kreditnahmen des privaten Sektors in den Ruhezustand übergehen, muss die Kreditnahme der Regierung bedeutend gesteigert werden, um für Ausgleich zu sorgen.

Selbst die französische Finanzministerin Christine Legarde scheint diese Tatsache zu verstehen - Link (und bekommt dafür den Druck ihrer deutschen "Partner" zu spüren). Ihre Verfehlung? Sie hatte die Kühnheit besessen, vorzuschlagen, dass Berlin erwägen möge, die Binnennachfrage anzukurbeln, um so Defizitländern dabei zu helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerlangen und die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen. Darauf hinweisend, dass "es derer zwei braucht, um Tango tanzen zu können", legte Lagarde nahe, dass eine erweiterte Fiskalpolitik hier eine Rolle spielen müsse, nicht nur schlicht "erzwungene Defizitprinzipien".

Gewiss, das ist in der Eurozone schwieriger zu bewerkstelligen angesichts der irrwitzigen Einschränkungen, mit denen als Beitrittsbedingungen zum Euro aufgewartet wird. Als Konsequenz dieser Regeln können die EWU-Nationen nicht einmal ihre eigene Region in angemessener Art und Weise führen. Sie haben ein System errichtet, das durchgängig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausgetrocknet hat und zunehmend höhere Arbeitslosigkeit mit sich brachte, die die jeweiligen Bevölkerungen zu tragen haben. In den Worten von Bill Mitchell (Link):

"Die Regeln, die die EU schuf und dann der EWU durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt des Maastrichter Vertrags auferlegte, gründeten nicht auf schlüssigen Modellen fiskalischer Nachhaltigkeit oder Variationen, durch die in diesen Volkswirtschaften den Schwankungen des Konjunkturzyklus’ begegnet werden könnte. Die Regeln tendieren unausgewogen gen hohe Arbeitslosigkeit und zur Wachstumsstagnation jener Sorte, die Europa seit Jahren verhext hat."

Nachdem sie sichtlich versagt haben, ihren eigenen Landsleuten Wohlstand zu bringen, erachten es die Deutschen nunmehr als opportun, dem UK (im Anschluss an den Griechen, versteht sich) Nachhilfestunden erteilen zu wollen, und zwar aufgrund Großbritanniens "krassen Keynesismus" (in den Worten von Axel Weber, dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank).

Ohne Frage weist das UK ein paar Eigenschaften auf, die es mehr als zu einem bloßen Opfer der globalen Kreditkrise machen. Auf törichte Weise hat es seine Wachstumsstrategie zugunsten des Wachstums seines Finanzsektors ausgehebelt und zahlt nun den Preis für diese falsche Politik, insofern jener Sektor unweigerlich schrumpft und sich restrukturiert als Teil des BIP. Dieser strukturelle Gegenwind wird zweifellos die Regierungsverantwortlichen des UK nötigen, zu noch aggressiveren fiskalischen Positionen zu kommen als es normalerweise der Fall wäre. Das ist politisch problematisch in Anbetracht dessen, dass die große Mehrheit der britischen Politiker (und die der plappernden Meute in den Medien) noch immer der üblichen Defizit-Hysterie anhängen, die derzeit die ganze Welt heimsucht. Die Realität ist aber, dass das UK beträchtlich größere finanzielle Handlungsspielräume besitzt als jedes Land der Eurozone, inklusive Deutschland.

Gehen wir zu den grundsätzlichen Prinzipien zurück: In einem Land mit einer Währung, die nicht konvertierbar ist in etwas Anderes als sie selbst (keine Gold-"Deckung", kein starrer Wechselkurs), kann der Regierung niemals das Geld für Ausgaben ausgehen, noch braucht sie jemals Gelder des privatwirtschaftlichen Sektors zu akquirieren, um Ausgaben tätigen zu können. Das bedeutet nicht, dass sich die Regierung nicht der Gefahr der Inflation, Geldentwertung oder Kapitalflucht als Resultat von Verschiebungen der Portfolio-Präferenzen des Privatbereichs ausgesetzt sähe; allerdings unterscheiden sich die Budgetbeschränkungen der Regierung, dem Inhaber des Geldschöpfungsmonopols, von dem, was die meisten Menschen von der klassischen Ökonomie gelehrt bekommen haben, die größtenteils von einem Goldstandard ausgeht, der mittlerweile gar nicht mehr existiert.

Das britische Finanzministerium kürzt Ihnen eine Zuschussleistung, der Betrag wird Ihnen gutgeschrieben und dann werden einige Rücklagen bei der Bilanzaufstellung der Bank von England und den Banken eingebracht, um es der Zentralbank (in diesem Fall der Bank von England) zu ermöglichen, ihr Zinsziel zu erreichen. Wenn überhaupt, dann wäre ein wenig Inflation derzeit noch wahrscheinlich eine gute Sache, wenn man das vorherrschend hohe Niveau der Schulden im privaten Sektor bedenkt sowie das deflationäre Risiko, das die PRIVATEN Schulden aufgrund der natürlichen Einschränkungen bei Einkommen und Vermögen darstellen, die ohne die Möglichkeiten zur Steuereinnahme und Geldschöpfung auskommen müssen.





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