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Retter und Reaktionäre

07.10.2010  |  Robert Rethfeld
Die Konturen einer neuen politischen und gesellschaftlichen Weltordnung treten immer stärker hervor. Die amerikanische Tea-Party-Bewegung sieht in Präsident Obama denjenigen, der den "amerikanischen Traum gestohlen hat". Die Bewegung ist stark reaktionär. Reaktionär bedeutet die Forderung nach einer "Einsetzung in den vorherigen Stand". Man möchte das Amerika der Gründerväter zurück.

Ich zitiere den US-Analysten Brian Wesbury: "Die US-Verfassung war entscheidend für den Freiheitsprozess Amerikas. Die Verfassung etablierte ein neues Land mit geschützten Eigentumsrechten. Die Unabhängigkeitserklärung trägt das unabänderbare Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück in sich. Dort steht auch, dass immer dann, wenn eine Regierung diesen Rechten gegenüber destruktiv agiert, es das Recht des Volkes ist, die Absichten der Regierung zu ändern oder eine neue Regierung einzusetzen." Aufruf zur Revolte? Immer mehr Amerikaner fühlen und denken so.

Hayeks Buch "Der Weg in die Knechtschaft" ist die Bibel der Tea-Party-Bewegung. Dort begründet Hayek unter dem Einfluss des zweiten Weltkriegs, warum der Sozialismus - einschließlich des Nationalsozialismus - zwangsläufig im Widerspruch zu liberalen Individualrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien steht. Der US-Kongressabgeordnete Ron Paul hat dieses Werk in jungen Jahren verschlungen, seither ist er ein glühender "Austrian", ein Verfechter der österreichischen Schule für Nationalökonomie. Wurde Ron Paul jahrzehntelang belächelt und von den amerikanischen Medien und Mitabgeordneten nicht ernst genommen, so steht er seit Beginn der Finanzkrise im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Bevölkerung liebt ihn, weil er für das aufrechte und ursprüngliche Amerika steht. Paul stellt einen Politiker dar, der sich nie hat verbiegen lassen, einer "vom alten Schrot und Korn".

Oswald Spengler schreibt in seinem kurz nach dem ersten Weltkrieg erschienen Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes" über die Endphase der Demokratie: "Durch das Geld vernichtet sich die Demokratie selbst, nachdem das Geld den Geist vernichtet hat". Und weiter: "Endlich erwacht eine tiefe Sehnsucht nach allem, was noch von alten, edlen Traditionen lebt. Man ist der Geldwirtschaft müde bis zum Ekel. Man hofft auf eine Erlösung irgendwoher, auf einen echten Ton von Ehre und Ritterlichkeit." Spengler sieht in einer solchen Entwicklung Anzeichen für einen Endkampf zwischen Demokratie und "Cäsarismus".

Cäsarismus bedeutet die Herrschaft einer charismatischen Einzelperson, die vom Willen des Volkes getragen wird (Wir hatten so etwas in Deutschland bekanntermaßen schon). Wir sollten uns jedoch hüten, mit dem Seitenblick auf das Deutschland der 1930er Jahre die Augen vor den Entwicklungen in Amerika zu verschließen. Auch in Amerika kam es in den 1930er Jahren zu einer langen Herrschaft einer charismatischen Einzelperson (Roosevelt), die vom Volk getragen wurde. Es ist sonnenklar, dass ein Versagen der "Geldwirtschaft" - um nichts anderes handelt es sich - Veränderungen auch im "Mindset" der Bevölkerung nach sich ziehen (wie schon in den 1930er Jahren).

Ob jetzt Ron Paul oder - weniger schön - Sara Palin oder jemand drittes zur charismatischen Einzelperson erhoben wird: Tendenzen in diese Richtung sind vorhanden. Diese Person bekommt möglicherweise eine vom Volk legitimierte Macht, die dem Idealbild eine freundlichen Tyrannen gleichkommt. Bei einem freundlichen Tyrannen würde das Volk einiges erdulden, damit Amerika wieder in Ordnung kommt. Das Volk würde einer solchen Person - auch deren Macht wäre durch die amerikanische Verfassung begrenzt - Spielraum geben, die Werte der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wiederherzustellen. In die Lücke, die die gescheiterte Finanzwirtschaft gerissen hat, könnten die Austrians gehen, wenn sie es denn geschickt anstellen.

Zeigt Amerika als einziges Land eine Beharrung auf alten Werten? Selbstverständlich nicht. Man betrachte die Roma-Politik der Franzosen, die Sarrazin-Debatte in Deutschland oder auch den Widerstand gegen die Umsetzung von Stuttgart 21 (wobei Stuttgart 21 längst für mehr als die Verhinderung eines Bahnhofsbaus steht). Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa wächst der Wunsch nach Ruhe und Beharrung. Man lässt sich sein Land nicht mehr kaputtmachen, man konserviert es. Man glaubt weder Bankern noch Politikern, man nimmt die Sache zunehmend selbst in die Hand. Die Partei der Grünen steht für den Erhalt der Umwelt, sie steht für Wertkonservativismus. Der grünen Partei kommt zugute, dass sie schon immer nach außen diese Werte vertreten hat. Man denke auch an Brasilien, wo eine grüne Präsidentschaftskandidatin bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen einen Überraschungserfolg erzielt hat. Ausbeutungen und Zerstörungen im Amazonasbecken sind vielen Brasilianern ein Dorn im Auge. Weltweit gibt es einen Hang zum Wert-Konservativismus.

In dieser Analyse der weltweiten Strömungen darf China nicht fehlen. China hat in dieser Phase einen großen Vorteil. Anders als die schwächelnden Regierungen der Industriestaaten, die genug mit sich selbst zu tun haben, kann das bevölkerungsreichste Land der Welt in aller Ruhe seiner Agenda folgen. Da es in den Augen des Volkes die chinesische Regierung ist, die dem Land seit zwanzig Jahren unablässig mehr Wohlstand zuführt, lässt man sie als "freundliche Tyrannen" gewähren. Erfolg deckt viele Probleme zu, Erfolg macht selbstbewusst und wer Erfolg hat, strebt nach dem ihm gebührenden Platz in der Weltordnung.

Das war im Falle der USA nach dem zweiten Weltkrieg nicht anders. Die Agenda der chinesischen Regierung dürfte in erster Linie einer Absicherungsstrategie folgen. Das bedeutet die Sicherung des Zugriffs auf Rohstoffe genauso wie die Sicherung von Arbeitsplätzen. China macht aktuell das, was schon unter dem chinesischen Admiral und Seefahrer Zheng He Usus war: Handel mit fernen Ländern. Der legendäre Investor und Spekulant Jim Rogers war dieser Entwicklung voraus: Er hat von Anfang an viel Wert darauf gelegt, dass seine kleine Tochter Mandarin lernt.




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