Geht die Globalisierung Bankrott? (Teil 1/2)
15.11.2012 | Presse
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Die große Krise Gerade in Zeiten von Kredit- und Investment-Booms wird häufig vergessen, dass die monetären Bedingungen sich nicht nur ausweiten, sondern eben auch schrumpfen können. Im Grunde ist diese Kontraktion eine unweigerliche Reaktion auf eben jene Bedingungen, die die Expansion hervorgebracht hatten. In Wachstumszeiten übernehmen sich Finanzinstitutionen häufig, sie verursachen Verzerrungen an den Finanzmärkten und machen sich anfällig für externe Schocks, die letztendlich einen plötzlichen Abzug von Kredit und Investitionen erzwingen.
In Zeit steigender Vermögenspreise haben sogar schwache Kreditnehmer kaum Probleme, besicherte Kredit zu bekommen; für das Bankensystem erhöht sich damit natürlich auch das Risiko eines Wertverfalls dieser Sicherheiten. In den 1980ern dominierten zum Beispiel in Japan die Immobilienkredite, welche letztendlich auch das japanische Bankensystem an den Abgrund brachten. Wie das Beispiel Japan zeigt, kann ein solcher Rückzug im Umfeld ausreichend geschwächter Finanzstrukturen zu einem Zusammenbruch führen, der dann schnell auf die gesamte Wirtschaft übergreift.
Da Globalisierung hauptsächlich ein monetäres Phänomen ist und die monetären Bedingungen letztendlich kontrahieren müssen, kann auch der Prozess der Globalisierung stehen bleiben und sich umkehren. Solche Umkehrungsprozesse haben sich mit Blick auf die Geschichte als außerordentlich zerstörerisch erwiesen. In jeder Globalisierungsphase vor den 1990ern setzte die monetäre Kontraktion für gewöhnlich dann ein, wenn Banker und Finanzbehörden von den Marktexzessen Abstand nahmen. Wenn Liquidität schrumpft - im Kontext eines gefährlich kreditbasierten Finanzsystems - steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Bankenzusammenbrüchen und Aktienmarktinstabilität deutlich an. Im Jahr 1837 wurden die Bankensysteme der USA und Großbritanniens (beide über die Maßen abhängig von Immobilien- und Rohstoffkrediten) von einer ganzen Reihe von Zusammenbrüchen erfasst, die den europäischen Finanzsektor ruinierten und in den USA für Banken- und Staatsbankrotte sorgten.
Einige Jahrzehnte später wiederholte sich dieser Prozess. Alphonse Rothschilds globaler Zyklus der 1860er endete mit Aktienmarktcrashs, die im Mai 1873 in Wien ihren Anfang nahmen und sich dann in den Folgemonaten auf die gesamte Welt ausweiteten. Sie führten unter anderem zur Schließung der New York Stock Exchange (NYSE) im September jenes Jahres und zum Fast-Zusammenbruch der amerikanischen Eisenbahnaktien. Die Zustände waren so schlimm, dass der Rest des Jahrzehnts in den USA gemeinhin als die Große Depression bezeichnet wurde.
Fast 60 Jahre später wurde dieser Name auf eine ganz ähnliche Phase übertragen, welche die die "Roaring Twenties“ beendete und mit einen Fast-Zusammenbruch des US-Bankensystems in den Jahren 1930-31 begann. Die Expansion der 1960er weißt dahingehend einige Unterschiede auf. Als sich die Auflösungserscheinungen Anfang/ Mitte der1970er Jahre bemerkbar machten, setzte unter anderem dank der Ölpreiserhöhungen und des anschließenden Petro-Dollar-Recyclings ein zweiter Liquiditätsboom ein, der die Kreditvergabe an die Entwicklungsländer bis zum Ende des Jahrzehnts aufrechterhielt.
Allerdings brach auch dieser Zyklus in sich zusammen, als unter anderem die vom damaligen Fed-Chef Paul Volcker eingeleiteten Zinssatzerhöhungen und Liquiditätskontraktionen die Dritte Welt in die Schuldenkrise der 1980er stürzte. Mit der Ausnahme der Globalisierungsphase des frühen 20. Jahrhunderts, die mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs endete, folgte auf jede internationaler Integrationsphase eine schwere monetäre Kontraktion, die zu einem Zusammenbruch des Bankensystems oder zum Kapitalrückzug, sinkenden Vermögenspreisen, stark rückläufiger Risikoneigung der Investoren sowie drastisch sinkender internationaler Kreditvergabeaktivität führte.
Nach den meisten dieser Markteinbrüche setzte sich in der Öffentlichkeit ein düsteres Bild von den vorherrschenden Finanzmarktpraktiken durch, und unter Politikern und in der Presse der entwickelten Länder wurde die Kritik an den Exzessen der Banker zum Volkssport. Sobald die Kapitalflüsse in die weniger entwickelten, kapitalhungrigen Länder versiegen, beginnt sich auch der nationale Konsens zugunsten von Wirtschaftsreformen und internationaler Integration aufzulösen. Wenn nicht mehr ausreichend Kapital fließt, um die vorläufigen Kosten zu decken, die den lokalen Eliten und der Mittelklasse im Rahmen der internationalen Integration entstehen - und dazu zählen auch psychische Kosten, wie das Gefühl, in der nationalen Würde verletzt worden zu sein - dann verliert die Globalisierung auch schnell an Rückendeckung. Populistische Bewegungen, die nie ganz verstummen, kommen wieder zu Kräften. Das Land zieht sich in sich zurück. Argumente zugunsten von Protektionismus wirken immer einladender. Investitionsflüsse verkehren sich schnell in Kapitalflucht.
Dieser Muster zeigten sich infolge des Crashs von 1930, als das Vertrauen in die freien Märkte schlagartig abnahm und die populistisch-nationale Gegenreaktion bis zum Scheitern der vielgefürchteten liberalen Aufstände in Europa 1848 (mit den ersten Regungen des Kommunismus und der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests) prägend blieb. Später in den 1870ern ließ die auf Massenschließungen europäischer, US-amerikanischer und lateinamerikanischer Banken folgende Wirtschaftsdepression radikale politische Strömungen entstehen und populistische Entrüstung aufkommen; gegen Ende des Jahrzehnts folgten dann auch protektionistische Phasen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten. Auch die Große Depression der 1930er förderte politische Instabilität und eine weitverbreitete Abscheu vor den Exzessen des Finanzkapitalismus, die in den USA im Aufkommen linker Bewegungen, bankenfeindlicher Gesetzgebung und sogar der Inhaftierung des Präsidenten der NYSE gipfelten.
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© Micheal Pettis
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Der Artikel wurde am 04.06.2012 auf www.mpettis.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.