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Die Silber-Saga (Teil 1/2)

14.12.2012  |  Prof. Antal E. Fekete
Was sagt das Silber mit der Mädchenfarbe? «Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»
(Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig)



Der unglaubliche Einbruch des Wertes der Silbermünzen im 19.Jahrhundert (Sagen Sie nicht, Comstock wäre schuld gewesen!)

Rede an der Universität von Padua anlässlich des Kongresses: “Coin Finds and Historical-Economic Processes in the Ancient World: Ten Years of Research 2002-2012” im November 2012

Der Silberstandard starb keines natürlichen Todes. Er wurde vorsätzlich getötet. Es wurde nie eine richtige Suche nach den Mördern eingeleitet. Es gab nie eine Obduktion. In diesem Essay möchte ich mich auf eine Verschwörung konzentrieren, die zwischen diesen beiden Daten stattgefunden hat: dem 9. April 1865 (dem Tag der Kapitulation General Lees von der Konföderation bei Appomattox gegenüber General Grant von der Union, welche das Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs markierte) und dem 1. Januar 1879 ("Resumption Day", jenem Tag, an dem die siegreiche Währung der Union, der Greenback, wieder zu einer Umlaufwährung mit Goldmünzen - aber nicht mehr mit Silbermünzen - wurde).

China hatte schon seit Urzeiten den Silberstandard. Die Chinesen benutzten aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts Münzen für monetäre Zwecke wie Bankenreserven; sie benutzten den "Sycee“, schuhförmige Barren mit einer ungefähren Größe von 13 cm x 7,5 cm x 7,5 cm und einem Gewicht von ungefähr 50 Tael oder ca. 2,3 kg. Keiner kann heute behaupten, auch nur annähern zu wissen, wie viel monetäres Silber in China und Indien aus dem Umlauf gezogen und beiseite geschafft wurde; diese beiden Länder waren über die Jahrtausende hinweg als der Silberabfluss der Welt bekannt. Die Schätzungen für das aus dem Umlauf verschwundene monetäre Gold sind für diesen Zeitraum weitaus verlässlicher. Wie dem auch sei, die vermissten Silbergeldmengen sind möglicherweise größer als von allen bisherigen Schätzungen angenommen wurde.

Im 19. Jahrhundert übernahmen Silbermünzen den größten Teil der Geldarbeit in der Welt. Der Durchsatz der Silbermünzen (der Wert der Silbermünzen multipliziert mit ihrer Umlaufgeschwindigkeit) war auf einem Allzeithoch und übertraf bei Weitem den Durchsatz der Goldmünzen. Unbeholfene Regierungen waren nicht dem Beispiel Isaac Newtons gefolgt; sie versuchten, einen rigiden Wechselkurs (das Münzverhältnis) zwischen den beiden Geldmetallen zu erzwingen. Dieses auch Bimetallismus genannte System war von Anfang an eine Totgeburt.

Der Bimetallismus stabilisierte den Wechselkurs nicht. Im Gegenteil, er destabilisierte ihn. Das natürliche Geldsystem basiert auf Silber und Gold, die variabel bewertet werden, so wie Newtons Geldsystem in Großbritannien funktionierte. Der Bimetallismus war die Krankheit, und der Niedergang des Silberstandards war die bedauerliche Folge. Silber wurde von den westlichen Ländern 1879, von Indien 1893 und von China (die letzte Silberfestung) 1935 demonetisiert. Im Zeitraum zwischen 1879 und 1935 erlebte die Welt ein höchst spektakuläres Ereignis: Innerhalb von etwas mehr als 50 Jahren brach der Wert des Silbers um mehr als 80% ein. Silber fiel von 1,29 $/ oz im Jahr 1873 auf 0,25 $/ oz im Jahr 1935. Mit anderen Worten: Das Gold-Silber-Preisverhältnis stieg von 15:1 auf mehr als 80:1. Niemals zuvor, weder in der frühen noch in der modernen Geschichte, hatten die Märkte dem Gold einen solch ausgefallenen Silberwert zugedacht.


Wer hat den Silberstandard auf dem Gewissen?

All das lässt sich doch recht sauber mit der Geldmengentheorie erklären. 1856 wurde die ertragreichste Silbermine aller Zeiten - die Comstock Lode - in Nevada entdeckt. Gewaltige Silbermengen überfluteten die Wirtschaft und verloren zugleich, aufgrund des Überangebots und der fehlenden Nachfrage auf der Gegenseite, an Wert.

Doch diese Erklärung wird all jene unter uns nicht zufriedenstellen, die in der Geldmengentheorie eine rein mechanische Metapher sehen. Als Theorie ist sie zum Scheitern verurteilt, weil sie versucht, eine höchst lineare Erklärung für ein höchst nichtlineares Phänomen zu finden. Am 1. Januar 1879 wurden Goldmünzen (aber nicht Silbermünzen) wieder als US-Umlaufwährung eingeführt („Resumption Day“), am selben Tag stellte die letzte Prägeanstalt der Lateinischen Münzunion in Europa die Prägung von Silbermünzen ein und markierte somit das Ende des Silberstandards in den westlichen Staaten. Ein ominöser Zufall.

In der Literatur findet man keine zufriedenstellende Erklärung für die Tatsache, dass das Ende der freien Prägung von Silbermünzen der Ausgangspunkt für eine beispiellose Vermögenszerstörung weltweit gewesen ist, weil der Silberpreis in den folgenden 55 Jahren unablässig fiel. Nicht nur das, es handelte sich hierbei sogar um die Zerstörung liquiden Vermögens. Silber verlor nicht nur 80% seiner Kaufkraft, es war auch kein Geldmetall mehr. Folglich ließ sich Silber auch viel schwerer verkaufen. Schlimmer noch, der stetige Preisverfall verursachte auch eine Panik im Silberbergbau. Die Bergleute wollten unbedingt verkaufen, bevor die Preise noch weiter verfielen. In der Folge wurden fast alle Silberminen frühzeitig abgebaut. Anschließend wurde Silber nur noch als Nebenprodukt beim Abbau anderer Minerale gefördert. Diese Faktoren zusammen machten die Zerstörung monetärer Werte, und das ist eine andere Bezeichnung für Deflation, so viel schlimmer.

Der Einbruch des Silberpreises war ein bedeutendes geschichtliches Ereignis, dessen Auswirkungen die gesamte Welt und alle handeltreibenden Nationen zu spüren bekamen. Er führte zur Verarmung der mittellosen Klassen in Indien, China und in anderen Regionen Asiens. Er vernichtete aber auch die Kreditwürdigkeit der Mittelklassen in Europa, die in der Folge ihre Landeigentümer verloren. Geldhistoriker haben diesen Aspekt des Untergangs des Silberstandards bislang nicht mit der gebührenden Ernsthaftigkeit behandelt. Sie stellten zudem eine Fehldiagnose hinsichtlich der deflationären Neigung, die das monetäre System in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufwies. Der Goldstandard, der nach der Zerstörung des Silberstandards aus der Asche der alten monetären Ordnung aufstieg, war weniger als befriedigend. Mit der Silber-Demonetisierung entfiel die gesamte Nachfrage zum Zweck des Hortens auf Gold. Das verlieh dem internationalen Goldstandard eine deflationäre Tendenz, die von den Feinden des werthaltigen, soliden Geldes mit größtem Geschick ausgenutzt werden konnte. Genau 100 Jahre später, im Jahr 1973, wurde Gold im Rahmen einer bösartigen Anti-Gold-Bewegung von den Staaten demonetisiert. Die Demonetisierung von Gold war aber nicht weniger verfassungswidrig als die des Silber 100 Jahre zuvor. Auch sie gründete zum großen Teil auf Schikane.




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