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Was treibt Aktien und Edelmetalle?

07.07.2013  |  Manfred Gburek
Angenommen, es ist Montagmorgen zwei Stunden nach Handelsbeginn an der Börse, die Aktienkurse sind gerade gefallen, und Sie würden gefragt, welches von den drei folgenden Ereignissen den Kursverfall wohl ausgelöst haben mag: der Umsturz in Ägypten, der Datenklau durch den US-Geheimdienst NSA oder die Nachwirkungen der EZB-Sitzung vom vergangenen Donnerstag. Vermutlich dürften Sie lange grübeln, ohne die passende Antwort zu finden. Dennoch gehört ein solches Frage-Antwort-Ritual in abgewandelter Form zum ständigen Repertoire des Nachrichtensenders n-tv und dessen Konkurrenten, ARD und ZDF inbegriffen.

Abgewandelt deshalb, weil meistens keine drei Antworten zur Auswahl stehen, sondern die armen Börsenkommentatoren sich erst eine ausdenken müssen; monokausal nennt man das. Treffer ins Schwarze sind selten dabei, ja sie können nur in ganz wenigen Ausnahmefällen dabei sein, wie etwa am 11. September 2001, als die Terroranschläge in New York und Washington die Börsen erzittern ließen. Übrigens könnte von den eingangs genannten Ursachen jede mehr oder weniger zutreffen, ohne dass die Kausalität sich im Einzelnen wirklich ermitteln, geschweige denn in Prozent angeben ließe. Denn Aktienkurse unterliegen einem dynamischen Prozess mit Millionen von Wirkungen und Rückwirkungen, die innerhalb von Jahren, Monaten, Wochen, Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden stattfinden.

Sollte ich im erwähnten Fall zwischen Ägypten, NSA und EZB entscheiden, würde ich zwar jedem Ereignis eine gewisse Bedeutung beimessen, aber in erster Linie auf ein zurückliegendes anderes abstellen, nämlich was Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), am 21. Mai aus Anlass eines Clubabends vor Frankfurter Wirtschaftsjournalisten sagte: Dass er damals den Aktienanteil unter den SNB-Anlagen gerade auf 15 Prozent erhöht hatte, davon einen erheblichen Teil in deutschen Aktien. Er legte großen Wert auf die Feststellung, er investiere "nach den Kriterien Sicherheit, Liquidität und Rendite, in dieser Reihenfolge". Das lässt durchaus das Fazit zu, dass er sich jetzt, im Zuge der erneuten Unsicherheit um den Euro, wieder von mancher deutschen Aktie trennen dürfte.

Zugegeben, dieses Fazit ist spekulativ. Denn die alternative Möglichkeit, dass die SNB ihre deutschen Aktien weiter behält, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Wahrscheinlichkeiten für beide Alternativen zu ermitteln, erweist sich schnell als sinnlos, weil die Entwicklung von Aktienkursen wie erwähnt ein dynamischer Prozess ist. Dagegen erscheint das Verfolgen solcher Aussagen wie der von Jordan sinnvoll, zumal dann, wenn man spekulativ noch mehr in Betracht zieht, was die Aktienkurse - in diesem Fall nach unten - bewegen könnte und dadurch eine ganze Kausalkette aufbaut. Aktuelle Beispiele: Flaute in Schlüsselbranchen wie Autoindustrie und Maschinenbau, rückläufige Auftragseingänge insgesamt, erneuter Ausbruch der Eurokrise, stärkere Fixierung institutioneller Anleger auf zwischenzeitlich ignorierte Belastungen deutscher Konzerne, wie etwa hohe Pensionsverpflichtungen, noch nicht abgeschriebene Firmenwerte, unabsehbare Folgen der Energiewende usw.

Natürlich gehört zu jeder Aktienspekulation auch eine positive Kausalkette. Aktuell also beispielsweise die von vielen Seiten herausgestellte hohe Dividendenrendite deutscher Aktien im Vergleich zu den Renditen von Bundespapieren und Unternehmensanleihen erstklassiger Schuldner, die weiterhin zu erwartende extrem lockere Geldpolitik der EZB, die am vergangenen Donnerstag ein Strohfeuer ausgelöst hat, und - zumindest bis zur Bundestagswahl - das Versprechen von Geschenken, auch wenn es später nur zu einem Bruchteil eingelöst wird.

Hat man sich erst einmal gründlich mit der einen oder anderen negativen und positiven Kausalkette beschäftigt, kommt es zur Entscheidung. Dazu Faustregel I: Befinden sich die Kurse auf relativ hohem Niveau wie zurzeit, wiegt die negative Kausalkette schwerer als die positive. Faustregel II: Kommt es allerdings zu einem neuen Trend - Globalisierung wie geschehen, technologischer Durchbruch wie demnächst möglicherweise mit Elektroautos oder Umschwenken von der Deflation zur Inflation -, gilt Faustregel I nur noch bedingt und wird später ganz außer Kraft gesetzt. Ob aus all dem ein Spekulationserfolg erwächst, hängt von individuellen Faktoren ab, besonders von der Erfahrung der Anleger, von der Zeit, die sie für die Vorbereitung erfolgreicher Spekulationen einsetzen, sowie vom geschickten Umgang mit der persönlichen Anlagenmischung und ihrer von Zeit zu Zeit fälligen Umschichtung, im Wesentlichen also Aktien, Cash, Edelmetalle und ggf. Immobilien.

Wer trotz der genannten Warnsignale, die derzeit von der Wirtschaft und der Börse, aber auch von der Politik ausgehen, Aktienkäufe in Betracht zieht, sollte zumindest die beiden folgenden Punkte beachten: Erstens fahren wir, was die Zukunft des Euro betrifft, "vor eine Nebelwand", wie der Währungsexperte Bruno Bandulet neulich treffend formulierte. Und zweitens entwickelt sich eine Aktienhausse, ganz anders als eine meistens plötzlich einsetzende Aktienbaisse, üblicherweise in langsamen Schüben. Beides leuchtet ein: Im ersten Fall ist der Überraschungseffekt groß, weil die Mehrzahl der Anleger noch in besonders positiven Unternehmensdaten schwelgt, und im zweiten Fall baut sich das Vertrauen in die Wende zum Besseren erst langsam auf, weil die Unternehmensdaten zunächst alles andere als rosig aussehen.

Abschließende Frage: Wie steht es um die Kausalität im Fall von Gold und Silber? Der Anlauf zur Baisse war hier ungewöhnlich lang; er erstreckte sich vom Herbst 2011 bis zum Frühjahr 2013. Erst danach kam es zu einer Entwicklung, die man im Nachhinein Baisse nennen kann und die ebenso ungewöhnlich, weil zum Teil manipuliert war. Die nächste Hausse wird kommen, wenn die beiden Edelmetalle das Vertrauen der Anleger wiedergewinnen. Bis dahin werden sich ihre Preise auspendeln.

Zwar lassen sich hier ebenso wie bei Aktien mehrere Kausalketten bilden, aber in die nächste Zukunft gerichtet sind zwei Beweggründe für die kommende Hausse ausschlaggebend: Erstens wird das Vertrauen in Gold und Silber mit dem Misstrauen in die Währungen zurückkehren - dazu gibt Japan mit der Yen-Schwäche ja gerade einen überzeugenden Anstoß. Und zweitens bietet Gold als Zugpferd des Edelmetallsektors viel Kaufpotenzial. Dazu ein Zitat des Chefs der Vermögensverwaltung PSM, Eckart Langen von der Goltz, aus dem vergangenen Dezember: "Wir gehen davon aus, dass die Chinesen den Yuan zur Weltwährung machen wollen und deshalb massiv Gold kaufen, um die Währung damit zu decken. Das lässt natürlich den Goldpreis steigen. Man muss heute schon mindestens 10 Prozent in Gold haben." Vor so einem Hintergrund gerät denn auch jeder Versuch von politischer oder Notenbankseite, den Goldpreis nach unten zu manipulieren, zu einer vorübergehenden Farce.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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