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Antal Fekete: Gold-Backwardation und der Einsturz der Tacoma Bridge (Teil 1/2)

06.09.2013
- Seite 4 -
Daily Bell: Hat der Staat das Geld erfunden, wie die “Greenbacker“ behaupten? [‘Greenbacker‘: abgeleitet von der United States Greenback Party, die sich Ende des 19. Jh. u.a. für den Fortbestand des undeckten Fiat-Dollars einsetzte; es gibt auch eine zeitgenössische Strömung der “Greenbacker“, Anm. d. Red.]

Antal Fekete: Knapps Werk “State Theory of Money” zufolge hat er das. Keynes hing Knapps Doktrin an. Er wollte damit auch jene Kräfte glaubhaft erklären, die dem uneinlösbaren Papier Wert geben. Als Knapps These, der zufolge alles, was der Staat zum Geld erklärt auch Geld IST, mit dem Einspruch angefochten wurde, dass staatliches Papiergeld, wenn es nicht einlösbar ist, schlechtes Geld sein muss, ließ Knapp immer noch nicht locker; er meinte: “auch um schlechtes Geld zu sein, muss es ja schließlich Geld sein.” Mit dieser Aussage Knapps könnten wir vielleicht unser Plädoyer GEGEN uneinlösbares Staatsgeld abschließen.


Daily Bell: War Silvio Gesell ein “Greenbacker" und auch ein Fabianer [Anhänger des Fabianismus, Anm. d. Red.]? Warum versuchte er, eine schrittweise, staatlich verordnete Wertminderung des Geldwertes zu bewerkstelligen? Um damit die Geldumlaufgeschwindigkeit zu erhöhen?

Antal Fekete: Er war auch ein Kommunist. Gesell war Finanzkommissar in der kurzlebigen bayrischen Sowjetrepublik im Jahr 1919. Während seiner sehr kurzen Amtszeit versuchte er das ‘Freigeld‘ in München einzuführen, um sicherzustellen, dass das Geld wieder zirkuliert und unter keinen Umständen gehortet wird - und zwar mithilfe einer verordneten Stempelsteuer, auch bekannt als Standgeld. Die Menschen würden das Geld also schnellstmöglich ausgeben wollen, bevor die Stempelsteuer fällig wird. Der Name ‘Freigeld‘ leitet sich von seiner Eigenschaft ab, die den Anreiz der Geld-Hortung komplett verschwinden lässt. Es soll ein anti-deflationäres Instrument sein, das die Geldumlaufgeschwindigkeit erhöht. Geld verliert automatisch einen Teil seines Wertes, und zwar mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks.

Man behauptete, Freigeld sei der sicherste Weg, um die Zinssätze auf fast null sinken zu lassen und die Geldumlaufgeschwindigkeit zu erhöhen. Man könnte in der Nullzinspolitik Bernankes eine Nachahmung des Programms von Gesell sehen. Auch Keynes zog das Freigeld in Erwägung, um der ‘Liquiditätspräferenz‘ irgendwie Herr zu werden. Die theoretische Argumentationsgrundlage für eine graduelle Absenkung des Zinssatzes auf nahe null basiert auf der Tatsache, dass er den Zeitwert von Gebrauchsgütern steigen lässt und somit Investitionsanreize schafft - und keinen Anreiz zur Schuldenrückzahlung.

Die Theorie der schrittweisen Senkung der Zinssätze als eine Möglichkeit der Wirtschaftsstimulieren ist VOLLKOMMEN UNHALTBAR. Solange die Zinssätze weiter fallen, werden die Unternehmer lethargisch bleiben. Sie werden die ihnen angebotenen Kredite nicht aufnehmen. Sie wissen nämlich, dass das, was heute wie ein niedriger Zins aussieht, morgen schon ein zu hoher Zins sein wird. Unternehmern, die heute ihr Geschäft finanzieren, werden bald Probleme bekommen, mit jenen zu konkurrieren, die ihre Geschäfte morgen finanzieren, und die letzteren werden wiederum Probleme bekommen, mit jenen zu konkurrieren, die ihre Geschäfte übermorgen finanzieren. Im Endeffekt lassen sich keine soliden Investments tätigen, solange der Fall der Zinssätze anhält.

Bernanke und seine Fed denken, sie würden die Saat der Inflation sähen, und trotzdem werden sie nur Deflation ernten, und zwar jede Menge. Das Tragische dabei ist, dass sich die Menschen auf Inflation vorbereiten, obwohl sie sich eigentlich auf Deflation vorbereiten müssten. Sie werden am Boden zerstört sein, wenn sie herausfinden, dass die Führung der Fed und das Finanzministerium nicht wussten, was zum Teufel sie da eigentlich machten, als sie zur Null zinsten.


Daily Bell: Sie haben die Theorie, dass ein System der sinkenden Zinssätze zur Kapitalerosion und letztendlich zu dessen Zerstörung führt. Ihre Kritiker hielten diese Theorie für kontra-intuitiv und sind der Meinung, dass sinkende Zinssätze auch mit sinkenden Kapitalkosten einhergehen, was wiederum die Rentabilität belebt und Investitionen stimuliert. Wie lösen Sie diesen scheinbaren Widerspruch auf?

Antal Fekete: Es muss unterschieden werden zwischen einem NIEDRIGEN aber BESTÄNDIGEN Zinssystem, das gesund und heilsam ist, und einen System der FALLENDEN Zinssätze. Ich hatte eben schon erklärt, inwieweit sinkende Zinssätze es den Unternehmern unmöglich machen, solide Investments zu tätigen. Im Grunde ist die Situation sogar noch viel schlimmer: Nicht nur die Kapitalbildung wird gehemmt, auch das existierende Kapital wird gefährdet. In einem Umfeld längerfristig sinkender Zinssätze wird Kapital ausgehöhlt und letztendlich zerstört. Wenn das paradox klingt, dann nur deshalb, weil sich der Verstand weigert, einzusehen, dass ein steigender Anleihepreis auch einem erhöhten Liquidationswert der zugrundeliegenden Schuld entspricht - und das ist ein augenscheinliches Theorem. Mit anderen Worten - ein Fall der Zinssätze, ERLEICHTERT die Schuldenlast bei Weitem nicht, er ERHÖHT sie nur noch weiter.

Es passiert Folgendes: Der Zinssatz fällt. Der Liquidationswert der Schulden, die zu den früheren, höheren Sätzen aufgenommen wurden, steigt. Warum? Eben weil jetzt die laufenden Amortisierungszahlungen zu einem NIEDRIGEREN SATZ diskontiert werden. Aus diesem Grund ergibt sich zur Fälligkeit ein Fehlbetrag. Dieser Fehlbetrag steht für die WERTMINDERUNG DES KAPITALS. Die Buchhalter mögen das ignorieren, allerdings auf die Gefahr hin, dass die Firma einen Tages feststellen wird, dass sie klammheimlich ihres Kapitals beraubt wurde. Alle Buchhalter und Bankprüfer der Welt übersehen (und zwar von Seiten des Staates begünstigt) diese Wertminderung des Kapitals verursacht durch eine fallende Zinssatzstruktur.


Daily Bell: Gibt es überhaupt so was wie Geldumlaufgeschwindigkeit? Ist sie notwendig für eine lebensfähige Wirtschaft?


Anmerkungen:

* Mit Gold-Backwardation ist ein Zustand gemeint, bei dem sich die Gold-Basis vom Positiven ins Negative verkehrt - eine Anomalie. Der Begriff GOLD-BASIS bezeichnet die Differenz zwischen den Kursen der in naher Zukunft fällig werdenden Terminkontrakte und dem Goldkurs für unmittelbare Lieferung. Wenn diese positiv ist, sprechen wir von einem CONTANGO, wenn er negativ ist, von einer BACKWARDATION. Contango ist der Normalzustand an den Gold-Terminmärkten par excellence, da Gold das höchste Stock-to-Flow-Verhältnis unter allen Rohstoffen hat.

PERMANENTE Gold-Backwardation bedeutet, dass die Gold-Basis, nachdem sie zwischen Contango und Backwardation hin- und herpendelte, schließlich in den negativen Bereich abstürzt und nie wieder positiv wird. Dies wäre ein einmaliges historisches Ereignis. Es würde das schmachvolle Ende des 40 Jahre alten, globalen Experiments mit uneinlösbarer Währung markieren. Staatsschulden, auch die der Vereinigten Staaten, würden dann nicht mal mehr einen Krümel Gold wert sein.


Lesen sie weiter: Teil 2 ...


© Antony Wile
www.thedailybell.com

Dieser Artikel wurde am 5. Mai 2013 auf www.thedailybell.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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