Nur knappes Geld ist gutes Geld. Gold ist knapp.
24.11.2013 | Manfred Gburek
Beginnen wir heute mit einem Ausflug in die Vergangenheit, der mehr über die Zukunft aussagt als die meisten Prognosen. Er entstammt einer Schrift der Deutschen Bundesbank vom März 2007, als noch der absolute Stabilitätsverfechter Axel Weber deren Präsident war, und trägt den Titel "Stabilität sichern":
"Bei einem anhaltenden Preisanstieg (Inflation) wird die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft erheblich gestört. Die Preise verlieren zunehmend ihre Signal- und Lenkungsfunktion. Das hat negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Es kann zu erheblichen sozialen Ungleichgewichten und Spannungen kommen, weil Einkommen und Ersparnisse zunehmend an Wert verlieren. Grundsätzlich gilt: Nur knappes Geld ist gutes Geld."
Als der Euro über uns in zwei Etappen hereinbrach, Anfang 1999 und Anfang 2002, hieß es von interessierter Seite, er werde so stabil wie die D-Mark sein, und an der Stabilitätspolitik der Bundesbank werde sich nach der Übernahme des Geldmandats durch die Europäische Zentralbank EZB nichts Grundlegendes ändern. Ein gutes Jahrzehnt später ist die Stabilität geradezu auf den Kopf gestellt. Dazu hier das Fazit der Rede von EZB-Präsident Mario Draghi vom 7. November in der freigegebenen deutschen Fassung, als der Leitzins Knall auf Fall von 0,50 auf 0,25 Prozent halbiert wurde:
"Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der wirtschaftlichen Analyse zufolge der Euroraum - unter Berücksichtigung der heutigen Beschlüsse - über einen längeren Zeitraum hinweg niedrige Inflationsraten verbuchen könnte; erst später dürfte es zu einem allmählichen Anstieg hin zu einer Preissteigerung von unter, aber nahe 2 Prozent kommen."
Die Bundesbank hat Inflation seinerzeit als "anhaltenden Preisanstieg" definiert, während Draghi - er sagt bewusst nicht, wann - knapp 2 Prozent Inflation in Aussicht stellt. Unterschied? Nicht wirklich. Zu überlegen, ob knapp 2 Prozent auf einen Prozentsatz von 1,85 oder 1,95 oder 1,975 oder sonst was hinauslaufen, erübrigt sich von selbst. Denn Inflation ist ein dynamischer Prozess, der sich nicht einfach auf Kommando stoppen lässt. Und sich Gedanken zu machen, ob die von der Bundesbank befürchteten sozialen Ungleichgewichte und Spannungen schlagartig bei 1,85 oder erst bei 1,975 Prozent Inflation beginnen, ist nun wirklich überflüssig. Tatsache bleibt, dass Draghi ein Inflationsziel hat und damit ganz nebenbei solchen Spannungen Vorschub leistet, zumal die Inflation, wie erwähnt, sich nicht mal eben stoppen lässt.
Die Sache mit 2 Prozent minus x hat noch weitere Haken. Hier nur zwei: 1. Dieses Inflationsziel bezieht sich auf den ganzen Euroraum. Während zum Beispiel die Mieten in Deutschland steigen und steigen, sind sie in Spanien und Griechenland mau. Was sagt also ein Euroraum-Prozentsatz aus? Nichts. Dieses Beispiel kann man beliebig erweitern. 2. Und was die möglichen sozialen Spannungen angeht: Abgesehen von den südeuropäischen Euroländern, wo sie aktuell vor allem wegen der zunehmenden Armut zu beobachten sind, drohen sie potenziell auch in Deutschland. Verdrehte Welt: Aber nicht, weil etwa die Inflation schon um die Ecke lauert, sondern weil die relative Preisstabilität mit derart niedrigen Zinsen einhergeht, dass immer mehr Anleger erhebliche Abstriche an Lebensversicherungen und Betriebspensionen machen müssen.
Angenommen, 2 Prozent minus x Inflation werden eines nicht allzu fernen Tages erreicht, machen die Zinsen dann etwa gleich einen solchen Sprung, dass die bedauernswerten Anleger mit nur geringen Abstrichen davonkommen? Nein. Denn erstens werden die Zinsen zur Vermeidung eines Schocks an den Finanzmärkten zunächst nur moderat steigen können, und zweitens wird sich die bereits seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase zeitversetzt negativ auf Versicherungs- und Pensionsverträge auswirken.
Was sich da zusammenbraut, ist gefährlich. Dies umso mehr, als deutsche Anleger ihr Vermögen etwa zur Hälfte in Geldwerte investiert haben, die noch für längere Zeit von der Zinsschwindsucht befallen zu sein drohen: vor allem in festverzinsliche Anlagen aller Art, zu denen wegen ihrer Anleihenlastigkeit auch Lebensversicherungen gehören. Die andere Hälfte entfällt weitgehend auf Immobilien, die zum größten Teil den etwas reicheren Deutschen gehören. Dagegen spielen Aktien nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Die Berliner Koalitionsverhandlungen lassen bisher nichts erkennen, was auch nur ansatzweise zur Lösung der hier angeschnittenen Probleme beitragen könnte. Innenpolitik wird weiterhin primär nach Maßgabe der effizientesten Lobbygruppen betrieben, während speziell die Finanzpolitik in erster Linie der EZB überlassen bleibt.
Damit stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die EZB in nächster Zeit ergreifen wird. Diese Frage lässt sich zwar nicht ad hoc beantworten, aber eines ist aus dem Frankfurter Eurotower deutlich zu vernehmen: Der oberste Zentralbanker Mario Draghi wird seiner besonders am 7. November deutlich erkennbar gewordenen Linie treu bleiben, das heißt, noch für so manche Überraschung sorgen - schnell, um nicht zu sagen überfallartig, auf angelsächsische Art und weit jenseits dessen, was die Bundesbank einst mit dem Satz zum Ausdruck bringen wollte: "Nur knappes Geld ist gutes Geld."
Der Abschied vom knappen Geld hat im Zuge der Finanzkrisen-Bewältigung zwar längst stattgefunden, aber erst Draghi hat ihm seine persönliche Note verpasst. Die von ihm sicher so gewollte Folge: Wenn es um Finanzpolitik im weiteren Sinn geht, verlagert sich das Gewicht zunehmend von den Regierungen der Euroländer zur EZB. Das bedeutet: Deren Geldpolitik Marke Draghi entscheidet über das Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften mehr als die Fiskalpolitik einzelner Euroländer, die zudem auch noch untereinander zerstritten sind.
Was folgt daraus für die Geldanlage? Weil die Devisen-, Wertpapier- und Rohstoffmärkte auf die zunehmenden Überraschungen von Seiten der EZB - aber auch der US-Notenbank Fed - immer nervöser reagieren dürften, wird es zu mehr Turbulenzen kommen. Und weil Investoren dann weltweit solche Anlagen bevorzugen werden, die eine gewisse Stabilität versprechen, werden sie neben Immobilien in guten Lagen auch Gold bevorzugen. Denn Gold ist knapp, also gutes Geld (s. oben). Die jüngste Schwäche des Goldpreises bietet insofern eine weitere günstige Kaufgelegenheit.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
"Bei einem anhaltenden Preisanstieg (Inflation) wird die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft erheblich gestört. Die Preise verlieren zunehmend ihre Signal- und Lenkungsfunktion. Das hat negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Es kann zu erheblichen sozialen Ungleichgewichten und Spannungen kommen, weil Einkommen und Ersparnisse zunehmend an Wert verlieren. Grundsätzlich gilt: Nur knappes Geld ist gutes Geld."
Als der Euro über uns in zwei Etappen hereinbrach, Anfang 1999 und Anfang 2002, hieß es von interessierter Seite, er werde so stabil wie die D-Mark sein, und an der Stabilitätspolitik der Bundesbank werde sich nach der Übernahme des Geldmandats durch die Europäische Zentralbank EZB nichts Grundlegendes ändern. Ein gutes Jahrzehnt später ist die Stabilität geradezu auf den Kopf gestellt. Dazu hier das Fazit der Rede von EZB-Präsident Mario Draghi vom 7. November in der freigegebenen deutschen Fassung, als der Leitzins Knall auf Fall von 0,50 auf 0,25 Prozent halbiert wurde:
"Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der wirtschaftlichen Analyse zufolge der Euroraum - unter Berücksichtigung der heutigen Beschlüsse - über einen längeren Zeitraum hinweg niedrige Inflationsraten verbuchen könnte; erst später dürfte es zu einem allmählichen Anstieg hin zu einer Preissteigerung von unter, aber nahe 2 Prozent kommen."
Die Bundesbank hat Inflation seinerzeit als "anhaltenden Preisanstieg" definiert, während Draghi - er sagt bewusst nicht, wann - knapp 2 Prozent Inflation in Aussicht stellt. Unterschied? Nicht wirklich. Zu überlegen, ob knapp 2 Prozent auf einen Prozentsatz von 1,85 oder 1,95 oder 1,975 oder sonst was hinauslaufen, erübrigt sich von selbst. Denn Inflation ist ein dynamischer Prozess, der sich nicht einfach auf Kommando stoppen lässt. Und sich Gedanken zu machen, ob die von der Bundesbank befürchteten sozialen Ungleichgewichte und Spannungen schlagartig bei 1,85 oder erst bei 1,975 Prozent Inflation beginnen, ist nun wirklich überflüssig. Tatsache bleibt, dass Draghi ein Inflationsziel hat und damit ganz nebenbei solchen Spannungen Vorschub leistet, zumal die Inflation, wie erwähnt, sich nicht mal eben stoppen lässt.
Die Sache mit 2 Prozent minus x hat noch weitere Haken. Hier nur zwei: 1. Dieses Inflationsziel bezieht sich auf den ganzen Euroraum. Während zum Beispiel die Mieten in Deutschland steigen und steigen, sind sie in Spanien und Griechenland mau. Was sagt also ein Euroraum-Prozentsatz aus? Nichts. Dieses Beispiel kann man beliebig erweitern. 2. Und was die möglichen sozialen Spannungen angeht: Abgesehen von den südeuropäischen Euroländern, wo sie aktuell vor allem wegen der zunehmenden Armut zu beobachten sind, drohen sie potenziell auch in Deutschland. Verdrehte Welt: Aber nicht, weil etwa die Inflation schon um die Ecke lauert, sondern weil die relative Preisstabilität mit derart niedrigen Zinsen einhergeht, dass immer mehr Anleger erhebliche Abstriche an Lebensversicherungen und Betriebspensionen machen müssen.
Angenommen, 2 Prozent minus x Inflation werden eines nicht allzu fernen Tages erreicht, machen die Zinsen dann etwa gleich einen solchen Sprung, dass die bedauernswerten Anleger mit nur geringen Abstrichen davonkommen? Nein. Denn erstens werden die Zinsen zur Vermeidung eines Schocks an den Finanzmärkten zunächst nur moderat steigen können, und zweitens wird sich die bereits seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase zeitversetzt negativ auf Versicherungs- und Pensionsverträge auswirken.
Was sich da zusammenbraut, ist gefährlich. Dies umso mehr, als deutsche Anleger ihr Vermögen etwa zur Hälfte in Geldwerte investiert haben, die noch für längere Zeit von der Zinsschwindsucht befallen zu sein drohen: vor allem in festverzinsliche Anlagen aller Art, zu denen wegen ihrer Anleihenlastigkeit auch Lebensversicherungen gehören. Die andere Hälfte entfällt weitgehend auf Immobilien, die zum größten Teil den etwas reicheren Deutschen gehören. Dagegen spielen Aktien nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Die Berliner Koalitionsverhandlungen lassen bisher nichts erkennen, was auch nur ansatzweise zur Lösung der hier angeschnittenen Probleme beitragen könnte. Innenpolitik wird weiterhin primär nach Maßgabe der effizientesten Lobbygruppen betrieben, während speziell die Finanzpolitik in erster Linie der EZB überlassen bleibt.
Damit stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die EZB in nächster Zeit ergreifen wird. Diese Frage lässt sich zwar nicht ad hoc beantworten, aber eines ist aus dem Frankfurter Eurotower deutlich zu vernehmen: Der oberste Zentralbanker Mario Draghi wird seiner besonders am 7. November deutlich erkennbar gewordenen Linie treu bleiben, das heißt, noch für so manche Überraschung sorgen - schnell, um nicht zu sagen überfallartig, auf angelsächsische Art und weit jenseits dessen, was die Bundesbank einst mit dem Satz zum Ausdruck bringen wollte: "Nur knappes Geld ist gutes Geld."
Der Abschied vom knappen Geld hat im Zuge der Finanzkrisen-Bewältigung zwar längst stattgefunden, aber erst Draghi hat ihm seine persönliche Note verpasst. Die von ihm sicher so gewollte Folge: Wenn es um Finanzpolitik im weiteren Sinn geht, verlagert sich das Gewicht zunehmend von den Regierungen der Euroländer zur EZB. Das bedeutet: Deren Geldpolitik Marke Draghi entscheidet über das Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften mehr als die Fiskalpolitik einzelner Euroländer, die zudem auch noch untereinander zerstritten sind.
Was folgt daraus für die Geldanlage? Weil die Devisen-, Wertpapier- und Rohstoffmärkte auf die zunehmenden Überraschungen von Seiten der EZB - aber auch der US-Notenbank Fed - immer nervöser reagieren dürften, wird es zu mehr Turbulenzen kommen. Und weil Investoren dann weltweit solche Anlagen bevorzugen werden, die eine gewisse Stabilität versprechen, werden sie neben Immobilien in guten Lagen auch Gold bevorzugen. Denn Gold ist knapp, also gutes Geld (s. oben). Die jüngste Schwäche des Goldpreises bietet insofern eine weitere günstige Kaufgelegenheit.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).