Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Interview mit Asienexperte: Asiatische Märkte und kommende Deflation in China (2/2)

21.02.2014
Hier können sie den ersten Teil lesen ...


Daily Bell: Kommen wir zurück zu China. Strebt China auf eine große Krise zu?

Jeffrey Tang: Der chinesische Wohnimmobilienmarkt ist schon seit Langem überbaut. Auch die chinesische Infrastruktur ist überbaut, doch die ist praktisch nur eine Art Derivat des Immobilienbooms. Ein solches Ausmaß an Überbauung hat es aber in noch keiner größeren Nation der Welt bisher gegeben. In einigen kleineren Städten gibt es schon Probleme - Erdos und Wenzhou. Die Immobilienpreise sanken innerhalb weniger Monate um 50 -70% und kamen dann nicht mehr zurück. Das hat nun auch schon auf die ressourcenreichen Städte übergegriffen.

Aber keiner schenkt dem viel Aufmerksamkeit, weil es eben kleine Städte sind. In den großen Provinzhauptstädten sind die Preise immer noch am Steigen, da die Bevölkerung hier mehr auf die Immobiliensektoren setzt und vertraut. Wenn es Probleme gibt, werden die Preise hier noch schneller einbrechen - wir werden dann eine Umkehrung der Rückkopplungsschleife bei den Immobilienpreisen erleben.


Daily Bell: Wie es scheint, lässt sich die durch Zentralbankgeldschöpfung geschaffene Preisinflation immer weniger kontrollieren, ganz gleich, was die Chinesen tun. Und was denken Sie?

Jeffrey Tang: Das Gesamtvermögen in den Bilanzen der Haushalte ist im Vergleich zu Einkommen der Haushalte ohnehin schon hoch. Damit die Aktivseite der Bilanz stabil bleiben kann, müssen auch die Erwartungen und Aussichten auf zukünftiges Einkommenswachstum hoch bleiben. Doch das reale Wirtschaftswachstum hat schon seinen Höhepunkt erreicht und die Wachstumsrate tendiert nach unten. Es wird aber kontrollierte schrittweise Inflation benötigt, damit die Bürger an ihren Immobilien festhalten. Somit gibt es 14% Kreditwachstum bei 7,6% BIP-Wachstum.

Aber das scheint alles nur Wunschdenken zu sein, dafür ist es schon zu spät. Die Erzeugnisse für den täglichen Bedarf, wie Lebensmittel und Kleidung, kosten inzwischen schon das Doppelte dessen, was Güter ähnlicher Qualität in den USA kosten, wenn nicht sogar noch mehr. Und die Kosten steigen weiter. Der Renminbi ist überbewertet, und das heißt nur Folgendes: Wenn er korrigiert, dann wird die Inflation bei lebensnotwenigen Gütern nur noch schlimmer werden.


Daily Bell: Aber warum denn überhaupt erst so viele leere Städte und Wolkenkratzer bauen - oder wird auch hier übertrieben?

Jeffrey Tang: Mit der Durchsetzung der Ein-Kind-Politik wurde die traditionelle Familienstruktur, also Eltern mit 2-3 Kindern, ungesetzlich. Die finanziellen Mittel, die für das Aufziehen eines Kinders ausgeben worden wären oder hätten ausgegeben werden sollen, und das sind in der Regel ca. 20% des Familieneinkommens, wurden quasi auf Druck in Ersparnisse überführt und in Erwartung zukünftiger Gewinne investiert. Die von der Staatsregierung gemachten Ersparnisse wurden in Infrastruktur und in US-Staatsanleihen investiert. Der Teil, den die Haushalte sparten, wurde meist in Grundstücke und Immobilien gesteckt, die einzige Sparmöglichkeit, um der Inflation zu entgehen. Also gab es Nachfrage, und zwar viel höhere Nachfrage, als es sie normalerweise gegeben hätte.

In China ist Land Staatseigentum. Um Geld für Infrastrukturausgaben oder gleich welche Ausgaben aufzubringen, bietet sich der Landverkauf als die schnellste Möglichkeit an. Alle Staatsbeamten dieser Welt lieben Infrastrukturmaßnahmen. Also verkauften sie Land. Somit gab es auch das Angebot.

Hohe Investitionsnachfrage gepaart mit hohem Angebot ergibt leere Städte. Wenn es Immobilien-Bubbles in anderen Ländern gibt, dann ist die Ursache entweder lockere Geldpolitik oder ausländische Kapitalflüsse. Doch die Bubble in China geht weit über die durchschnittliche Überbauung hinaus.

Wer möchte, kann mal über die folgenden Zahlen nachdenken: Im Januar 2014 stiegen die Immobilienpreise in den Top-100 der chinesischen Städte im Vorjahresvergleich um 11% auf 10.901 Rmb, oder 200 $/ square feet (1 sf entspricht rund 0,0923 m²) für leere Wohnungen. Die Landverkäufe in den Top-33 der chinesischen Städte betrugen 180Mrd. Rmb, ein Plus von 26% im Vorjahresvergleich; 30% davon wurden aus Off-Shore-Quellen finanziert. Man möchte meinen, dass es eine Grundstücks- und Immobilien-Bubble in China gibt. Die chinesischen Immobilienentwickler sehen das natürlich nicht so, nicht in den großen Städten, und für die wird die Anpassung dann auch viel härter kommen, wenn sie schließlich kommt.

In den Daten für Januar gibt es etwas, das das Schlimmes ahnen lässt: Von 37 Städten wurden im Vergleich zum Vormonat Preisrückgänge gemeldet, im Vormonat waren es 32. Das könnte durchaus schon der Anfang vom Ende sein.


Daily Bell: Wir vertreten die Ansicht, dass ein Abschwung unvermeidlich ist, und diesem Fall würde auch die Kommunistische Partei China größere Probleme bekommen. Ihre Sicht darauf?

Jeffrey Tang: Der interne Kampf in der Führungsgruppe könnte ja durchaus schon die Vorbereitung auf den unausweichlichen Abschwung gewesen sein. Einer muss der Sündenbock sein. Besser, man hat ihn dann auch gleich parat, wenn die Schuldzuweisungen kommen.

Solange die Führung auf jene korrupten Funktionäre zeigen kann und gleichzeitig eine hinreichende Nahrungsmittelversorgung garantiert, lässt sich die Situation nach dem japanischen Modell lösen - d.h. Übertragung der Bankenverluste auf die Zentralregierung, während die Bevölkerung Verluste in Form sinkender Immobilien- und Grundstückspreise hinzunehmen hat.


Daily Bell: Denken Sie, dass der durchschnittliche Chinese mit dem Model der Konsumgesellschaft, wie es jetzt in China herrscht, zufrieden ist?

Jeffrey Tang: Die durchschnittlichen Chinesen genießen den Wohlstand, der im Rahmen der Ein-Kind-Politik mit niedrigen Familienkosten, steigender Produktivität mit westlicher Technologie sowie Non-Stop-Liquidität via Chinesische Volksbank und Fed kam. Die Stimmung wird besser und besser, solange man nicht mit Aktien an der Shanghai Stock Exchange spielt. Für die Menschen gibt es keinen Grund, nicht optimistisch zu sein und nicht noch mehr unnötige Dinge zu kaufen.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"