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Zoff zwischen EZB und Regierungen ist programmiert

05.10.2014  |  Manfred Gburek
Am Freitagmorgen suchte ich wie üblich Leitmedien in Sachen Wirtschaft nach interessanten Nachrichten und Kommentaren durch. Was mir dabei auffiel, war ein einziges EZB-Bashing, zu deutsch: draufschlagen. FAZ: "Die EZB kann nicht mehr". Wirtschaftswoche: "EZB außer Rand und Band“. Neue Zürcher Zeitung: "Draghi für Ankauf griechischer Ramschpapiere". Cash (Schweiz): "Draghi soll mal den Crash zulassen". Die Beispiele ließen sich locker fortsetzen. Doch was nützt es? EZB-Chef Mario Draghi behauptet, der Kauf fragwürdiger Papiere durch die EZB bewege sich noch im Rahmen ihres Mandats. Seine Kritiker behaupten dagegen, sie habe das Mandat längst überschritten. Der Mandatsbegriff ist dehnbar; deshalb lohnt es sich nicht, darüber zu streiten, wer recht hat.

Tatsache ist: Draghi wirkt zunehmend nervöser. Die Unterstützung seitens der Politiker lässt zu wünschen übrig. Nach Ausbruch der Eurokrise stand fest, dass nur die EZB in der Lage sein konnte, sozusagen als letzte Instanz die Gemeinschaftswährung zu retten. Sie tat es mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und unter immer weiterer Ausdehnung des Mandatsbegriffs. Ein Ergebnis ist die Schwäche des Euro; ein anderes besteht darin, dass immer mehr Euroländer die EZB auffordern, noch mehr zu unternehmen; ein weiteres ist die sogenannte Bankenrettung, im Klartext, am Ende werden Steuerzahler für die Misswirtschaft der Banken aufkommen.

Wie es weiter geht, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Greifen wir eine heraus, die von Axel D. Angermann, Mitglied der Geschäftsleitung von Feri EuroRating. Er sieht das Problem im globalen Kontext so: "Die Geldpolitik aller großen Notenbanken ist weiterhin darauf ausgerichtet, den Strukturwandel mit der Bereitstellung größtmöglicher Liquidität zu begleiten. Die Wirksamkeit einer immer weiter expansiveren Geldpolitik stößt allerdings an Grenzen."

Das heißt, Geld ist in Hülle und Fülle vorhanden, aber seine Wirkung auf die Realwirtschaft verpufft. Stattdessen sorgt es unter Anlegern für Furore: Mal, indem die chinesische Internetaktie Alibaba erfolgreich an der amerikanischen Börse reüssiert, mal, indem Aktien wie Zalando und Rocket Internet an der deutschen Börse nach kurzer Euphorie floppen. Große Teile der institutionellen Anleger, überwiegend Fonds aller Art, machen das Spiel mit. Dagegen schrecken andere, etwa Lebensversicherer und Pensionskassen, davor zurück; sie bleiben den Geldwerten verhaftet und nehmen in Kauf, dass ihre Kunden später in die Altersarmuts-Falle tappen werden.

Nur zwei Beispiele dazu, wie es die Lebensversicherer mit Immobilien und Aktien halten: Erstere machen aktuell 2,4 Prozent ihrer Anlagen aus, Letztere einschließlich der Gesellschaftsanteile 2,5 Prozent; hinzu kommen noch die indirekt über Fonds gehaltenen Aktien. Die Manager der Lebensversicherer und Pensionskassen haben sich bereits vor Jahrzehnten entschieden, weitgehend die Finger von Aktien zu lassen, weil deren Kurse schwanken. Die Quittung bekommen sie und erst recht ihre Kunden in den nächsten Jahren, weil die Laufzeiten höher verzinslicher Geldwerte wie zum Beispiel Anleihen enden und deren Folgeprodukte sich nur minimal verzinsen - geradezu eine Zeitbombe.

Das Zusammentreffen von Spielgeld auf der einen und drohender Altersarmut auf der anderen Seite lässt nichts Gutes ahnen. Soll man mitspielen, bloß weil es andere tun? Wer kann als privater Anleger das Risiko schwankender Aktienkurse in Kauf nehmen, ohne durchzudrehen und am Ende womöglich zu Tiefstkursen zu verkaufen? Dann doch lieber das Risiko von real unter null Prozent auf dem Konto in Kauf nehmen? Ich neige in Anbetracht des aktuellen Stands der Aktienkurse bis auf Weiteres zur zweiten Variante, auch wenn ich mir darüber im Klaren bin, die eine oder andere Chance zu verpassen. Und nicht zu vergessen: Als Ergänzung zum Geld auf dem Konto bietet sich gerade beim aktuellen Preis auch an, Gold (nach)zukaufen.

EZB-Chef Draghi hat von Deutschland eine höhere Staatsverschuldung angemahnt. Den Worten werden schon bald Taten folgen, indem der deutsche Finanzminister klein beigibt. Seine letzten markigen Wort zu diesem Thema - und erst recht die der Kanzlerin - sprechen Bände. Beide betonen gebetsmühlenhaft, ihr vorrangiges Ziel bestehe in einem ausgeglichenen Haushalt. Das ist Taktik und soll Draghi unter anderem klarmachen, dass Deutschland nicht bereit ist, für die Schuldensünden anderer Euroländer zu büßen.

Die deutschen Staatsschulden werden unzweifelhaft steigen, aber nicht so sehr zugunsten von heruntergewirtschafteten Ländern wie Frankreich oder Italien, sondern zugunsten von Investitionen in die deutsche Infrastruktur, seien es marode Brücken und Straßen, seien es Stromnetze und Mobilfunktürme.

Und wo bleiben die Schuldenobergrenzen, sprich Maastricht-Kriterien? Sie werden einer pragmatischen Problemlösung geopfert. Nach dem Motto: Draghi hat sein Pulver zu einem großen Teil verschossen, da dürfen sich die Politiker nicht quer stellen, indem sie ihn im Stich lassen. Wie könnte der Pragmatismus in der Praxis aussehen? Lassen wir die ganze aktuelle Diskussion über halbgare Lösungen beiseite, so taucht nicht zum ersten Mal ein ernst zu nehmender Vorschlag auf, der darauf hinausläuft, dass die EZB Staatsanleihen für 3 bis 4 Billionen Euro aufkauft.

Wie bitte? Nein, ein Scherz soll das nicht sein. Der Vorschlag stammt von der renommierten PSM Vermögensverwaltung im Millionärsort Grünwald. Ihr Geschäftsführer Eckart Langen v.d. Goltz begründet: "Wir können in der EU noch so sparen oder die Steuern erhöhen, eine Rückzahlung der Staatsschulden ist auf normalem Weg nicht mehr möglich." Die private Wirtschaft sei bereits mit etwa 200 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet, sie könne weder Staaten noch Banken retten. Staatspleiten wären verheerend, sie würden einen Crash wie zu Beginn der 30er Jahre auslösen.

PSM plädiert für einen indirekten Schuldenerlass durch die Notenbanken, und eben zu diesem Zweck sei der Kauf von Staatsanleihen in der genannten Größenordnung erforderlich. Die Anleihen sollten dann zinslos auf 30 bis 40 Jahre verlängert werden, so lange, bis sie durch Inflation in größerem Umfang real entwertet sind. Ansatzweise funktioniere diese Methode bereits bei den Schulden von Irland. Die Garantie für die Anleihen könne nur die EZB übernehmen.

Damit würde sie allerdings einen wesentlichen Teil der Kompetenzen von Regierungen übernehmen. Also die EZB als Herrscher über Europa? Das gibt Zoff, eine solche Radikallösung erscheint derzeit nicht durchsetzbar. Folglich wird es früher oder später zu einem Kompromiss kommen. Somit ist im Vorfeld für weitere Unruhe an den Börsen gesorgt. Dabei wird Gold übrigens eine gewisse Schutzfunktion ausüben.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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