Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Vor uns liegen besonders spannende Wochen

19.10.2014  |  Manfred Gburek
Die abgelaufene Börsenwoche stand ganz im Zeichen eines kräftigen Rückgangs der Aktienkurse, die erst am Freitag mit einer Gegenbewegung reagierten, im Zeichen eines steigenden Goldpreises und einer Euro-Erholung gegenüber dem Dollar. Unter dem Strich schnitten Goldanleger am besten ab. Allerdings wird ihre Freude ein wenig getrübt, wenn sie die Kursentwicklung der Goldaktien verfolgen: seit Tagen überwiegend Minuszeichen. In den vergangenen Jahren war es meistens so, dass die Goldaktienkurse einem nachhaltigen Goldpreisanstieg vorausliefen oder zumindest mit ihm gleichzogen. Folglich drängt sich jetzt die Frage auf, ob dieses Mal eine Ausnahme gilt oder ob der Goldpreis nicht doch noch einmal um ein paar Prozentpunkte zurückgeht.

So weit die kurzfristige Betrachtung. Anleger, die Gold als strategische Reserve halten oder kaufen, brauchen sich darüber allerdings keine Gedanken zu machen. Denn der Goldpreis ist seit mehr als einem Jahr dabei, unter Schwankungen einen langgestreckten Boden zu bilden. Und die Goldkäufer, überwiegend Asiaten, gehören zu den sogenannten starken Händen, wie es in der Sprache der Anleger heißt. Die folgenden Überlegungen zum Abschneiden verschiedener Börsen in diesem Jahr erhärten diese These zusätzlich.

Der Börsendienst wellenreiter-invest.de hat vor wenigen Tagen eine bemerkenswerte Statistik zur Entwicklung der Börsen seit Jahresbeginn veröffentlicht, und zwar jeweils in Landeswährung. Die Reihenfolge könnte kaum exotischer sein. Hier die Top 10: Argentinien, Dubai, Ägypten, Indien, Sri Lanka, Thailand, Philippinen, Indonesien, Türkei. China folgt immerhin noch an zwölfter Stelle. Die USA haben es, gemessen am Index S&P 500, bei plus 1,4 Prozent noch auf einen Platz mit positivem Vorzeichen geschafft. Das kann man von der deutschen Börse nicht behaupten: minus 10,3 Prozent, gemessen am vergleichbaren Kurs-Dax (berechnet wie der S&P 500 und die anderen Indizes).

Was sagt uns das? Zweierlei: Erstens, dass Länder mit schwachen Währungen dominieren. Man könnte es auch so interpretieren: Anlegern bleibt dort nichts anderes übrig, als ihr Heil wegen der Währungsschwindsucht in Sachwerten zu suchen, also neben Gold und Immobilien auch Aktien zu kaufen. Zweitens, dass das schlechte Abschneiden der deutschen Aktien einen besonderen Grund haben muss. Der ist schnell gefunden: Verkäufe der Banken drücken auf die Kurse, ausgelöst durch die Bereinigung der Bilanzen vor der Anfang November startenden Bankenunion.

Wahrscheinlich wird dieser Zusammenhang der breiten Öffentlichkeit erst während der kommenden Wochen voll ins Bewusstsein rücken. Wobei sich als fatal erweisen dürfte, dass EZB-Chef Mario Draghi voluminöse Maßnahmen zur Bankenrettung angekündigt hat. Denn dadurch hat er unnötig Druck aufgebaut, dem die EZB womöglich gar nicht standhalten kann. Das muss man sich so vorstellen:

Die EZB will ihre Bilanz aufblähen, indem sie werthaltige Pfandbriefe und Asset Backed Securities (ABS) aufkauft. Nur gibt es nicht genug von solchen werthaltigen Papieren, und Schrott lehnt Draghi ab. Also Staatsanleihen kaufen und damit zusätzlich zur Geldpolitik auf Umwegen de facto auch Fiskalpolitik betreiben? Ein solcher Schritt ginge dann doch über das EZB-Mandat hinaus. Die Lösung: Eine Krise ausrufen, die diesen oder einen ähnlichen Schritt rechtfertigt.

Unwahrscheinlich? Ganz und gar nicht. Hören wir doch noch einmal in die Rede von Draghi hinein, die er aus Anlass der EZB-Sitzung am 2. Oktober in Neapel hielt, hier in der freigegebenen deutschen Übersetzung: "Sollte es erforderlich werden, den Risiken einer zu lang anhaltenden Phase niedriger Inflation weiter entgegenzuwirken, so vertritt der EZB-Rat einstimmig die Absicht, innerhalb seines Mandats zusätzliche unkonventionelle Instrumente einzusetzen." Damit knüpft Draghi an frühere Reden mit ähnlichen Absichtserklärungen an. Das Wort einstimmig muss ihm in diesem Fall besonders am Herzen gelegen haben.

Keine Frage, was die nächsten Maßnahmen der EZB angeht, liegen vor uns spannende Wochen. Die Folgen für die Aktienkurse sind absehbar: in Schüben mit kurzen Unterbrechungen, sogenannten technischen Reaktionen, abwärts. Eine solche Unterbrechung gab es am Freitag, als der Dax auf einmal hochschoss - was allerdings kein Grund ist, auf einmal optimistisch zu werden. Wie weit der Dax in nächster Zeit nach unten einzubrechen droht, ist nicht vorhersehbar.

Doch dass beträchtliches Abwärtspotenzial vorhanden ist, haben allein schon die obigen Anmerkungen zu den Banken gezeigt. Die kommenden Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur könnten den Kursrückgang etwas dämpfen, falls sie über mehr Staatsverschuldung finanziert würden. Die Bundesregierung bevorzugt jedoch Anreize zur privaten Finanzierung.

In wenigen Wochen sind wieder die traditionellen Jahresprognosen der Banker, Volkswirte und Anlagestrategen fällig - und damit die aus diesem Anlass übliche Pseudo-Präzision, derzufolge der Dax bis Ende 2015 bei so und so vielen Punkten stehen dürfte, das Euro-Dollar-Verhältnis unter diesen oder jenen Bedingungen höher oder niedriger sein werde als Ende 2014 usw. Viele Medien werden diesen Unfug wie üblich aufgreifen, aber nur selten anmerken, dass es sich hier um ein Showgewerbe ohne jeglichen Nutzwert für Anleger handelt.

Am Donnerstag und Freitag habe ich in Frankfurt den Kongress der auf Steuersoftware spezialisierten Genossenschaft Datev besucht. Dort machte sich der streitbare Professor Gerd Gigerenzer, Autor des lesenswerten Buchs "Risiko", über den gerade erwähnten Unfug lustig. Und er wies nach, dass Banker mit ihren Prognosen in den vergangenen Jahren fast immer falsch gelegen hatten. Wie ist so etwas möglich? Ganz einfach, behauptet Gigerenzer: Banker brauchen eine auf Daten beruhende Absicherung. Sie scheuen das Risiko von Bauchentscheidungen, lassen sich von ihren Volkswirten mit datenbasierten Prognosen versorgen und beauftragen sogar Unternehmensberatungen, um mithilfe von deren Analysen falsche Entscheidungen zu rechtfertigen.

Fazit für Anleger: Misstrauen Sie allen Prognosen und halten Sie es mit dem vor einigen Absätzen genannten Grundsatz, wonach es gravierende Gründe für einen tendenziellen Dax-Rückgang gibt, dessen Ausmaß einschließlich der Zwischenerholungen aber nicht vorhersehbar ist. Das gilt übrigens - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen - auch für den Goldpreis. Das heißt, er ist reif für den Anstieg und muss nur temporäre Rücksetzer verkraften.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"