Griechenland: tragische Konkursverschleppung
28.02.2015 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die griechische Staatsschuld darf nicht weiter anwachsen, ein "Kreditboykott" muss her, er würde die notwendigen Reformen in Gang setzen. Die "Rettungspolitik", die im März 2010 begann, muss als gescheitert erklärt werden. Mittlerweile wird das Land von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit etwa 234 Mrd. Euro "gestützt"; die Kredite, die die Europäische Zentralbank an die griechischen Banken vergibt, sind hier nicht eingerechnet. Doch der bisherige Reformeifer der Griechen war nicht ausreichend, das Land wettbewerbsfähig zu machen. Die Produktionsleistung ist um gut 26 Prozent gefallen - was nicht überraschend ist, denn Griechenland befand sich spätestens seit der Euro-Einführung in einer wirtschaftlichen "Scheinblüte".
Der Auftrag, den die neue griechische Regierung nun von ihren Wählern erhalten hat, sollte eigentlich alle Hoffnungen, dass sich fortan die Lage bessern wird, zerstreut haben. Dass die Politik dennoch störrisch an ihrer "Rettungspolitik" festhält, hat einen Grund: Entlässt man Griechenland aus dem Euro oder setzt man die Schulden herab (im Zuge eines Schuldenschnittes), wäre das nicht nur ein Offenbarungseid, dass die bisherige Politik gescheitert ist und die Steuerzahler in den Geberländern sehr teuer zu stehen kommt. Es würde vor allem auch die unmoralische Hypothek, die die Staatsschulden darstellen, unmissverständlich zutage befördern.
Die griechischen Bürger wollen nicht haftbar gemacht werden für Kredite, die ihre misswirtschaftenden Regierungen (unter der Duldung vieler Wähler) in der Vergangenheit aufgenommen haben. Das ist verständlich: Man kann niemanden in Haftung nehmen, der nachweislich keine Verantwortung für die Verschuldung hat (weil er ihr nicht zugestimmt und/oder sich durch sie nicht bereichert hat).
Dieser Gedanke legt das zentrale Problem der Staatsverschuldung offen. Wenn das Verschulden problemlos und mit niedrigen Zinsbelastungen möglich ist, macht man reichlich Gebrauch davon. Wenn dann die Verschuldung so groß geworden ist, dass sie für Regierende und Regierte zu teuer geworden ist, verschwindet die Bereitschaft, für die Altschulden aufzukommen, und die Verschuldungsspirale findet ein jähes Ende.
Erklärt Griechenland, dass es seine Staatsschulden nicht mehr zurückzahlt, kann das Nachahmer finden - und zwar aus Ländern, die ebenfalls überschuldet sind beziehungsweise für die ein Einstehen für die Altschulden sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr rechnet. Und davon gibt es im Euroraum eine Reihe von Kandidaten. Im Bestreben, die "Entzauberung" der Staatsschulden zu verhindern, hat die Politik die Steuerzahler ins Obligo gezwungen - ein Obligo, das Investoren aus wohlverstandenem Eigeninteresse nicht tragen wollen.
Damit die Kostenbelastung nicht spürbar wird, bedarf es einer künstlichen Verbilligung der Kreditmarktzinsen in den Geberländern - für die die EZB bereits bereitwillig sorgt. Man sollte daher über folgendes nachdenken: Die entscheidende Frage ist nicht, Griechenland aus dem Euro zu entlassen, sondern vielmehr, dem Land einen weiteren Verschuldungszuwachs zu ersparen. Das wäre der Beginn, um das Verschuldungsproblem zu lösen, denn es käme dann zwangsläufig zu den Re-formen, die die Politik nicht durchsetzen kann. Die derzeitige Politik läuft auf eine tragische Konkursverschleppung hinaus, deren Rechnung immer teurer wird.
Was sich hinter den "Rettungskrediten" für Griechenland verbirgt
Griechenland konnte die Zins- und Tilgungszahlungen an seine Gläubiger - wie Banken und Versicherungen - nicht leisten. Um die Verluste bei dem Gläubigern zu verhindern, griff die Politik ein. Sie tat das, was kein privater Investor aus wohlverstandenem Eigeninteresse mehr zu tun bereit war: Die Politik vergab Kredite an Griechenland, und dieses Geld wurde dazu verwendet, Zins- und Tilgungszahlungen an die Altgläubiger zu leisten. Mit den Neukrediten wurden im Grunde also keine Investitionen in Griechenland finanziert, sondern die Altgläubiger wurden ausbezahlt und die Steuerbürger wurden ins Obligo genommen.
Die internationale Gemeinschaft war zudem bereit, die laufenden Haushaltsdefizite der Griechen mit neuerlichen Krediten zu finanzieren. 2013 betrug die Neuverschuldung relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Griechenland 12,2 Prozent, für 2014 weisen die Schätzungen auf ein Defizit in Höhe von 2,5 Prozent. Die fortlaufenden Haushaltsdefizite hatten zur Folge, dass die Gesamtverschuldung des Landes weiter angestiegen ist.
Mittlerweile sind Griechenlands Staatschulden auf dem höchsten Stand (von etwa 320 Mrd. Euro) angelangt, das entspricht einer Verschuldungsquote von ungefähr 176 Prozent des Volkseinkommens. Und dies trotz eines Teilschuldenschnittes in Höhe von 107 Mrd. Euro, der Anfang 2012 durchgesetzt wurde.
Die Wirtschaftskraft Griechenlands ist durch den geplatzten Kreditboom nachhaltig herabgesetzt. Die Erwartung, die Produktionsleistung werde in absehbarer Zeit wieder an das Vor-Krisenniveau anknüpfen können, wird sich nicht erfüllen. Der Grund: In der Phase des Kreditbooms ist es zu Fehlleitung von Kapital und Verschwendung gekommen. Zudem haben viele Arbeitskräfte dem Land den Rücken gekehrt.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Der Auftrag, den die neue griechische Regierung nun von ihren Wählern erhalten hat, sollte eigentlich alle Hoffnungen, dass sich fortan die Lage bessern wird, zerstreut haben. Dass die Politik dennoch störrisch an ihrer "Rettungspolitik" festhält, hat einen Grund: Entlässt man Griechenland aus dem Euro oder setzt man die Schulden herab (im Zuge eines Schuldenschnittes), wäre das nicht nur ein Offenbarungseid, dass die bisherige Politik gescheitert ist und die Steuerzahler in den Geberländern sehr teuer zu stehen kommt. Es würde vor allem auch die unmoralische Hypothek, die die Staatsschulden darstellen, unmissverständlich zutage befördern.
Die griechischen Bürger wollen nicht haftbar gemacht werden für Kredite, die ihre misswirtschaftenden Regierungen (unter der Duldung vieler Wähler) in der Vergangenheit aufgenommen haben. Das ist verständlich: Man kann niemanden in Haftung nehmen, der nachweislich keine Verantwortung für die Verschuldung hat (weil er ihr nicht zugestimmt und/oder sich durch sie nicht bereichert hat).
Dieser Gedanke legt das zentrale Problem der Staatsverschuldung offen. Wenn das Verschulden problemlos und mit niedrigen Zinsbelastungen möglich ist, macht man reichlich Gebrauch davon. Wenn dann die Verschuldung so groß geworden ist, dass sie für Regierende und Regierte zu teuer geworden ist, verschwindet die Bereitschaft, für die Altschulden aufzukommen, und die Verschuldungsspirale findet ein jähes Ende.
Erklärt Griechenland, dass es seine Staatsschulden nicht mehr zurückzahlt, kann das Nachahmer finden - und zwar aus Ländern, die ebenfalls überschuldet sind beziehungsweise für die ein Einstehen für die Altschulden sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr rechnet. Und davon gibt es im Euroraum eine Reihe von Kandidaten. Im Bestreben, die "Entzauberung" der Staatsschulden zu verhindern, hat die Politik die Steuerzahler ins Obligo gezwungen - ein Obligo, das Investoren aus wohlverstandenem Eigeninteresse nicht tragen wollen.
Damit die Kostenbelastung nicht spürbar wird, bedarf es einer künstlichen Verbilligung der Kreditmarktzinsen in den Geberländern - für die die EZB bereits bereitwillig sorgt. Man sollte daher über folgendes nachdenken: Die entscheidende Frage ist nicht, Griechenland aus dem Euro zu entlassen, sondern vielmehr, dem Land einen weiteren Verschuldungszuwachs zu ersparen. Das wäre der Beginn, um das Verschuldungsproblem zu lösen, denn es käme dann zwangsläufig zu den Re-formen, die die Politik nicht durchsetzen kann. Die derzeitige Politik läuft auf eine tragische Konkursverschleppung hinaus, deren Rechnung immer teurer wird.
Was sich hinter den "Rettungskrediten" für Griechenland verbirgt
Griechenland konnte die Zins- und Tilgungszahlungen an seine Gläubiger - wie Banken und Versicherungen - nicht leisten. Um die Verluste bei dem Gläubigern zu verhindern, griff die Politik ein. Sie tat das, was kein privater Investor aus wohlverstandenem Eigeninteresse mehr zu tun bereit war: Die Politik vergab Kredite an Griechenland, und dieses Geld wurde dazu verwendet, Zins- und Tilgungszahlungen an die Altgläubiger zu leisten. Mit den Neukrediten wurden im Grunde also keine Investitionen in Griechenland finanziert, sondern die Altgläubiger wurden ausbezahlt und die Steuerbürger wurden ins Obligo genommen.
Die internationale Gemeinschaft war zudem bereit, die laufenden Haushaltsdefizite der Griechen mit neuerlichen Krediten zu finanzieren. 2013 betrug die Neuverschuldung relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Griechenland 12,2 Prozent, für 2014 weisen die Schätzungen auf ein Defizit in Höhe von 2,5 Prozent. Die fortlaufenden Haushaltsdefizite hatten zur Folge, dass die Gesamtverschuldung des Landes weiter angestiegen ist.
Mittlerweile sind Griechenlands Staatschulden auf dem höchsten Stand (von etwa 320 Mrd. Euro) angelangt, das entspricht einer Verschuldungsquote von ungefähr 176 Prozent des Volkseinkommens. Und dies trotz eines Teilschuldenschnittes in Höhe von 107 Mrd. Euro, der Anfang 2012 durchgesetzt wurde.
Die Wirtschaftskraft Griechenlands ist durch den geplatzten Kreditboom nachhaltig herabgesetzt. Die Erwartung, die Produktionsleistung werde in absehbarer Zeit wieder an das Vor-Krisenniveau anknüpfen können, wird sich nicht erfüllen. Der Grund: In der Phase des Kreditbooms ist es zu Fehlleitung von Kapital und Verschwendung gekommen. Zudem haben viele Arbeitskräfte dem Land den Rücken gekehrt.
Quelle: Bloomberg
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH