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Bill Holter: Der COMEX geht das Gold aus

12.12.2015
Weltweit scheinen sich viele Situationen im Moment zuzuspitzen. Das geopolitische Spiel zwischen West und Ost im Nahen Osten heizt sich auf. Der Irak scheint sich mittlerweile von den USA abzuwenden und sich stärker an Putin und Russland zu orientieren. Der kürzliche Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei hat ebenfalls nicht zur Entspannung der Lage beigetragen. In ökonomischer Hinsicht sorgte der Absturz des Ölpreises unter 40 USD dafür, dass die Weltwirtschaft wieder in den Fokus geriet und bestätigte deren Schwäche. Der Handel bricht zusammen, sowohl auf internationaler als auch auf innerstaatlicher Ebene. Die Frachtraten sind auf den tiefsten Stand des letzten Jahrzehnts gesunken und selbst der LKW-Verkehr nimmt ab.

Im Finanzsektor erleben die Devisenmärkte gerade täglich eine beispiellose Volatilität. An den Kreditmärkten mangelt es an Liquidität und die Spreads sind enorm gestiegen. Diese fehlende Liquidität versetzt die Trader in Angst und Schrecken, denn sie wissen, dass sie keinen Ausweg haben. Selbst bei den US-Staatsanleihen gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Marktteilnehmer sich "eingesperrt" fühlen, wie man das von engen Märkten kennt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die US-Notenbank Fed nächste Woche ihre lang erwartete Sitzung abhält. Ob sie den Leitzins nun anhebt oder nicht, die Trader fürchten die Nachwirkungen.

Sehen wir uns jetzt einmal an, was gestern an der COMEX geschah. Für Dezember erhöhte sich die Zahl der Gold-Kontrakte, für die eine Lieferung des physischen Goldes verlangt wurde, auf Netto-Basis um 881 Stück. Das entspricht weiteren 88.100 Unzen, die jemand tatsächlich geliefert haben möchte.

Doch zunächst einige Grundlagen: Wir beobachten bereits seit mehr als zwei Jahren, dass die Kontrakte, für die am First Notice Day eine Auslieferung angezeigt wird, die tatsächlich lieferbaren Goldbestände bei Weitem übersteigen. Anschließend sinkt die Zahl der Kontrakte wieder stark ab und kurz vor dem Stichtag lösen sich manche Lieferforderungen quasi in Luft auf. Doch warum sollte jemand zum First Notice Day den vollen Betrag auf seinem Konto hinterlegen, um sein Gold damit zu bezahlen, nur um dann kurz zuvor einfach zu verschwinden. In meinen Augen ist es offensichtlich, dass diese Kontrakte mit einer entsprechenden Prämie oder einem Bestechungsgeld in Bar abgelöst wurden, um die Käufer aufgrund der knappen physischen Bestände zu einem Verzicht auf die physische Auslieferung zu bewegen.

Ich kann mich rückblickend nur an einen einzigen Monat erinnern, in dem die Zahl der zur Lieferung angezeigten Kontrakte nach dem First Notice Day tatsächlich zunahm. Ich entsinne mich, dass das Open Interest zwei Tage in Folge stieg, nachdem es zuerst wie üblich zurückgegangen war. Wer auch immer nach dem First Notice Day einen Kontrakt eröffnet, will das Gold wirklich haben. Oder besser gesagt, die Käufer "brauchen" es wahrscheinlich aus irgendeinem Grund und werden sich nicht mit Banknoten abspeisen lassen.

In diesem Monat hat die COMEX wirklich ein Problem. Im Moment sollen rund 11,5 Tonnen (370.000 Unzen) ausgeliefert werden, in den Lagerhäusern stehen jedoch nur 4 lieferbare Tonnen (130.000 Unzen) zur Verfügung. Der gestrige Nachfrageanstieg bei der physischen Lieferung entsprach mit 88.100 Unzen in etwa zwei Drittel der gesamten lieferbaren Bestände. Bereits seit zwei Monaten kam an der COMEX fast kein physisches Gold in der Kategorie "Registered" mehr dazu. Selbst in der Kategorie "Eligible", d. h. in den Reserven der Bullionbanken, wurde ein starker Rückgang verzeichnet. Allein gestern wurden wieder vier Tonnen abgezogen. Es stellt sich also die offensichtliche Frage, woher das Gold für die physischen Auslieferungen kommen soll? Ja, ich weiß... Die übliche Antwort ist: "Keine Sorge, die liefern immer."

Die zusätzlich nachgefragten 88.100 Unzen sollten einigen Leuten jedoch wirklich die Augen öffnen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens, irgendjemand benötigt offenbar fast drei Tonnen des Edelmetalls. Zweitens sollte deutlich werden, wie dürftig die physischen Bestände in Wirklichkeit sind. Innerhalb von nur einem Tag kommt jemand an und fragt plötzlich zwei Drittel des lieferbaren Goldes nach. Ich hatte ja schon öfter darauf hingewiesen, dass ein unvorhergesehenes Ereignis, ein sogenannter "Schwarzer Schwan", dazu führen könnte, dass die Lagerhäuser der COMEX komplett leergeräumt werden! Was dann?

Bitte denken Sie über solche Szenarien nach. Was wäre, wenn eines Tages eine Großbank Konkurs anmeldet? Oder wenn ein Staat pleite ginge? Was wäre, wenn wir eines Tages aufwachen und in den Nachrichten hören, dass die russischen und amerikanischen Streitkräfte irgendwo aneinandergeraten sind? Die Liste der potentiellen Schwarzen Schwäne ist lang, deshalb werde ich sie hier nicht aufzählen (außerdem werden die Trolle durchdrehen und behaupten, so etwas könne in unserem Leben niemals geschehen). Ich stelle einfach nur die Frage, was wäre, wenn etwas vollkommen Unvorhergesehenes passiert?

Die Antwort darauf ist simpel. Was auch immer es sein mag - das Leben, das wir seit vielen Jahren gewöhnt sind, wäre schlagartig vorbei. Alles würde sich ändern. Die Märkte, die Bewertungen der Assets, die Wirtschaft, die Vermögensverteilung, das Finanzsystem, die Gepflogenheiten und der Glaube der Menschen, ja selbst ihre Essgewohnheiten - alles. Jetzt geht es in die entscheidende Phase, und damit meine ich nicht nur die USA. Unserem Währungssystem und dem nur mit Mindestreserven ausgestattetem Bankenwesen, das in dieser Form schon seit mehr als 300 Jahren existiert, steht eine Wende bevor. Wie nähern uns dem Ende eines 300-jährigen Kreditzyklus. Die Große Depression war darin nur ein Schluckauf, doch letztlich erwartet das System der finale Herzinfarkt.


© Bill Holter


Der Artikel wurde am 9. Dezember 2015 auf www.jsmineset.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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