Was Sie über Nullzinsen wissen sollten
28.03.2016 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Nullzinsen verursachen weitreichende volkswirtschaftliche Schäden. Im Euroraum scheint die "Zinsfalle", wie schon in Japan, zuzuschnappen.
Es gibt wohl kaum ein ökonomisches Phänomen, das so häufig missverstanden und fehlgedeutet wird, wie der Zins. Viele sehen im Zins ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Produktion und Beschäftigung. Sie glauben daher, man müsse den Zins absenken, und dadurch ließe sich die Prosperität erhöhen. Etwa weil dies Bankkredite billiger mache, und das wiederum begünstige Investitionen und Arbeitsplätze. Vor allem seien niedrige Zinsen unverzichtbar, um eine Volkswirtschaft aus der Rezession zu führen, so die vorherrschende Meinung.
Diese Deutung des Zinsphänomens hat jüngst auch die "neue" Idee befördert, der "richtige" Zins sei mittlerweile negativ geworden - und dass nunmehr die Zentralbanken den Zins in den Negativbereich drücken müssten. Damit die Bankkunden sich der damit verbundenen Enteignung ihrer Guthaben nicht entziehen können, geht die Empfehlung für eine Negativzinspolitik Hand in Hand mit der Forderung, Bargeldzahlungen zu begrenzen, beziehungsweise das Bargeld ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Doch wer sich mit dem Zinsphänomen beschäftigt, wird leicht erkennen, dass die Idee des Negativzinses eine Irrlehre ist, und dass sie gewaltige volkswirtschaftliche Schäden anrichtet.
Folgen des verzerrten Zinses
Wenn die Zentralbank den Marktzins auf die Nulllinie beziehungsweise darunter zerrt, provoziert sie unweigerlich Fehlentwicklungen. Das wird vermutlich am deutlichsten, wenn man sich einige Folgen der Niedrigzinspolitik vor Augen führt.
Es gibt wohl kaum ein ökonomisches Phänomen, das so häufig missverstanden und fehlgedeutet wird, wie der Zins. Viele sehen im Zins ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Produktion und Beschäftigung. Sie glauben daher, man müsse den Zins absenken, und dadurch ließe sich die Prosperität erhöhen. Etwa weil dies Bankkredite billiger mache, und das wiederum begünstige Investitionen und Arbeitsplätze. Vor allem seien niedrige Zinsen unverzichtbar, um eine Volkswirtschaft aus der Rezession zu führen, so die vorherrschende Meinung.
Diese Deutung des Zinsphänomens hat jüngst auch die "neue" Idee befördert, der "richtige" Zins sei mittlerweile negativ geworden - und dass nunmehr die Zentralbanken den Zins in den Negativbereich drücken müssten. Damit die Bankkunden sich der damit verbundenen Enteignung ihrer Guthaben nicht entziehen können, geht die Empfehlung für eine Negativzinspolitik Hand in Hand mit der Forderung, Bargeldzahlungen zu begrenzen, beziehungsweise das Bargeld ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Doch wer sich mit dem Zinsphänomen beschäftigt, wird leicht erkennen, dass die Idee des Negativzinses eine Irrlehre ist, und dass sie gewaltige volkswirtschaftliche Schäden anrichtet.
Folgen des verzerrten Zinses
Wenn die Zentralbank den Marktzins auf die Nulllinie beziehungsweise darunter zerrt, provoziert sie unweigerlich Fehlentwicklungen. Das wird vermutlich am deutlichsten, wenn man sich einige Folgen der Niedrigzinspolitik vor Augen führt.
- Künstlich gedrückte Zinsen entmutigen den Konsum auf Kosten des Sparens. Die Gemeinschaft wird angeleitet, verstärkt gegenwartsorientiert zu wirtschaften zu Lasten künftiger Bedürfnisse - sie betreibt Kapitalverzehr. Die Prosperität der Gegenwart geht zu Lasten der Prosperität in der Zukunft.
- Investitionen werden angeregt, die sich ohne das Herabdrücken der Zinsen nicht gerechnet hätten. Dadurch kommt es zunächst zu einem konjunkturellen Scheinaufschwung ("Boom"), der aber früher oder später in einen Wirtschaftsabschwung ("Bust") führen muss.
- Die Unternehmer legen quasi die "Fundamente" ihres Handelns zu groß an, verbrauchen die Produktionsmittel in den Anfangsstufen und haben dann nicht mehr genug Mittel, um die angefangenen Investitionen zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
- Die künstlich gesenkten Zinsen verzerren die volkswirtschaftliche Produktionsstruktur mit dem Ergebnis, dass die produzierten Güter sich nicht mehr an der Dringlichkeitsskala der Verbraucher orientieren - und das senkt die Wohlfahrt im Vergleich zu einer Situation, in der es nicht zu solch einer Produktionsverzerrung gekommen wäre.
- Niedrige Zinsen verleiten zu erhöhter Verschuldung, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Sinken die Zinsen, so erlaubt das dem Schuldner, einen erhöhten Kreditbetrag aufzunehmen. Zweitens: Wenn die Zinsen sinken, steigt der Wert der Kreditsicherheiten (zum Beispiel in Form von Land- und Hauspreisen oder Aktien - dazu nachstehend mehr).
- Nehmen die Kreditkosten auf die Staatsverschuldung ab, schwindet der Reformdruck auf die Regierungen. Ihnen werden erhöhte Ausgabenspielräume eröffnet, und es wird für sie weniger dringlich, die Ausgaben des Staates an die Einnahmen anzupassen.
- Die künstlich verminderten Zinsen treiben die Pensionsverpflichtungen von Unternehmen in die Höhe. Das wiederum schmälert das Eigenkapital der Unternehmen. Ihre Kreditqualität verschlechtert sich. Sie müssen höhere Kreditzinsen zahlen oder, im Extremfall, büßen ihre Kreditqualität ein.
- Die Deckungslücken bei der Altersvorsorge steigen an: Die künstlich gesenkten Zinsen erlauben nicht mehr, ausreichend Kapital anzusparen, um das ursprünglich anvisierte Pensionseinkommen erzielen zu können.
- Die künstlich gesenkten Zinsen blähen die Finanzmarktpreise auf. Beispielsweise steigen die Aktienkurse: Der Abzinsungsfaktor sinkt und lässt die Barwerte der künftigen Cash Flows der Unternehmen ansteigen. Zudem senken sinkende Zinsen die Kreditkosten der Unternehmen und erhöhen auf diese Weise deren Cash Flows; und auch das erhöht die Aktienkurse.
- Vor allem die Immobilien- beziehungsweise Landpreise steigen an. Denn insbesondere die Erträge des Landes sind quasi unendlich. Folglich steigen die Landpreise besonders stark an, wenn die Zinsen (dauerhaft) abgesenkt werden. Weil Land als Produktionsfaktor für viele Güter dient, geht von steigenden Landpreisen eine preissteigernde Wirkung auf viele andere Güterpreise aus.