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Euro-Fall(e)

11.07.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Nach dem Brexit befindet sich der Euro in einer prekären Lage. Anleger sollten ein "Euro-Klumpenrisiko" meiden. Der "Brexit" hat die Europäische Union (EU) in ihren Grundfesten erschüttert. Vor allem aber hat er das Fundament, auf dem der Euro ruht, schwer beschädigt.

Das wird unmissverständlich deutlich, wenn man sich die Überlegungen vor Augen führt, mit denen seinerzeit versucht wurde, die Einführung des Euro zu rechtfertigen. Die "Krönungstheorie" besagte, dass der Euro erst dann eingeführt werden sollte, wenn die wirtschaftliche Situation in allen Teilnehmerländern es erlaube, wenn also schon eine hinreichende "Konvergenz" erzielt worden ist.

Die Alternative dazu war die "Grundsteintheorie": Nach ihr sollte die Einführung einer Einheitswährung die wirtschaftliche Integration der Teilnehmerländer befördern beziehungsweise herbeizwingen. Beide Theorien sind nicht aufgegangen. Statt zusammenzuwachsen, haben sich die Euro-Länder zusehends auseinanderentwickelt. Die Ratio für eine Einheitswährung hat nicht zugenommen, sondern abgenommen.

Viele Euro-Länder haben schlichtweg nicht die Disziplin, ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik dem Diktat einer stabilen Einheitswährung unterzuordnen. Zudem wurden sie durch die lockere Geldpolitik auch in die Falle getrieben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit ihrer Niedrigzinspolitik vor allem in den südlichen Ländern einen Kreditboom angezettelt, der nun in sich zusammengebrochen ist und eine Überschuldungsituation hinterlassen hat.

Um Banken und Staaten vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, um das Euro-Projekt vor dem Zusammenbruch zu bewahren, hat die EZB die Zinsen auf beziehungsweise unter die Nulllinie gedrückt. Das ist die Finanzierung strauchelnder Schuldner durch die elektronische Notenpresse: Die EZB kauft Anleihen und bezahlt die Käufe mit neu geschaffenen Euros. Das fördert schon jetzt Missgunst zwischen den Nationen.

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Quelle: Bloomberg


Seit Anfang 1999 besteht ein recht enger und positiver Verbund zwischen der Bilanzsumme aller Zentralbanken im Euroraum ("Eurosystem" bzw. "EZB") und dem Goldpreis in Euro. Dieser Verbund mag zum einen "zufällig" sein. Die EZB hat im Zeitablauf ihre Bilanzsumme durch reguläre (und später auch außergewöhnliche) Kreditvergabe an Euro-Banken ausgeweitet. Gleichzeitig stieg der Goldpreis vor allem im Zuge des Rohstoffpreis-Booms, der mit Beginn des 21. Jahrhunderts einsetzte.

Mit dem Ausbruch der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 änderte sich das Bild jedoch. Die EZB wie auch vor allem die US-Zentralbank (Fed) begannen, neues Geld in das Banken- und Finanzsystem zu pumpen. Die Bilanzsumme der EZB weitete sich aus, der Goldpreis stieg an. Mit der "Zwischenberuhigung" der Krise von Ende 2011 bis etwa Anfang 2014 gingen EZB-Bilanzsumme und Goldpreis zurück. Mittlerweile jedoch haben beide wieder Fahrt aufgenommen.

Vor allem die Aussicht auf fortgesetzte Anleihekäufe der EZB und die damit verbundene Ausweitung der Euro(-Basis) Geldmenge spricht für einen weiteren Anstieg des Goldpreises in Euro gerechnet: Weil der Goldpreis dadurch weiter in die Höhe getrieben wird und/oder der Euro-Außenwert gegenüber dem US-Dollar nachgeben wird; oder weil beides gleichzeitig auftreten könnte.


Problemfall Banken

Eine Aufspaltung beziehungsweise Auflösung der EU ist wahrscheinlich geworden. Das wiederum bringt vor allem die Euro-Banken in neue Bedrängnis. Denn ihre Aktiv- und Passivgeschäfte sind grenzüberschreitend.

Das muss Investoren mit wachsender Sorge erfüllen. Sie müssen sich fragen: Was bedeutet es für den Wert der Banken, für Bankeinlagen und Bankschulden, wenn der Euroraum auseinanderbricht?

Wird der Euro-Bankensektor zahlungsunfähig, wäre wohl das Ende des Euro unweigerlich eingeläutet. Um das zu verhindern, springt die EZB bereits ein. Sie stellen den Geldhäusern jede benötigte Kredit- und Geldmenge bereit. Seit Juni 2016 verleiht sie sogar neu geschaffenes Basisgeld zu einem Zins von minus 0,4 Prozent p.a., wenn Banken damit Kredite an Unternehmen und Konsumenten geben (das sind die"TLTRO II").

Da ein negativer Kreditzins das Eigenkapital der Banken aufpolstert, könnte die EZB den Kreditzins für Banken vielleicht noch weiter in den Negativbereich treiben. Die Euro-Zinsen werden dadurch noch weiter nach unten gezogen.

Die EZB sorgt für eine gewaltige Monetisierung. Sie kauft schon jetzt Anleihen in Höhe von 80 Milliarden Euro pro Monat; allein dadurch steigt die Euro-Basisgeldmenge im Bankensektor bis März 2017 auf über 1,7 Billionen Euro. Wenn die EZB dazu übergeht, auch Anleihen, die die Euro-Banke ausgegeben haben, zu refinanzieren, könnte die Euro-Basisgeldmenge - im Zeitablauf, nach und nach - um zusätzliche 3,8 Billionen Euro anschwellen.



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