Von der Schwierigkeit, den Zins wieder anzuheben
06.08.2016 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Je länger die Zinsen künstlich niedrig gehalten worden sind, desto schwieriger wird es, sie (jemals) wieder anzuheben.
Man nehme einmal an, dass der Zins, zu dem Herr A sein Geld anlegen kann, 5 Prozent beträgt. Nun wird ihm eine Investitionsmöglichkeit angeboten: Gewinn 1 Euro pro Jahr über die nächsten 30 Jahre. Zinst Herr A die künftigen Einzahlungen dieser Investition mit 5 Prozent ab, so ergibt sich ein Barwert von 15,4 Euro. Wenn Herr A die Investition (man denke hier zum Beispiel an eine Aktie) heute für weniger als 15,4 Euro kaufen kann, ist das für ihn eine vorteilhafte Investition; muss er mehr für die Aktie bezahlen als 15,4 Euro, kann er sein Geld besser zu 5 Prozent (pro Jahr) anlegen.
Man nehme nun weiterhin an, die Zentralbank vermindert die Marktzinsen künstlich auf 0,5 Prozent. Der Barwert der Investition steigt daraufhin auf 27,8 Euro. Wieder gilt: Kann Herr A die Investition für weniger als 27,8 Euro kaufen, ist sie für ihn vorteilhaft; soll er mehr für sie bezahlen als 27,8 Euro, kann er sein Geld besser zu 5 Prozent anlegen. Herr A ist bei einem künstlich gedrückten Zins folglich bereit, mehr für die Investition zu bezahlen im Vergleich zum unverfälschten Marktzins: Er würde beispielsweise auch noch 25 Euro für die Investition zahlen, wenn der Marktzins 0,5 Prozent beträgt.
Nun geschieht das Folgende: Herr A hat die Investition in der Situation getätigt, in der die Zentralbank den Zins künstlich heruntergedrückt hat. Nach einer Weile steigt nun aber der künstlich gesenkte Marktzins wieder von 0,5 auf 5 Prozent. Nun bekommt Herr A Probleme: Der Barwert seiner Investition fällt von 27,8 Euro auf 15,4 Euro. Wenn nicht nur Herr A, sondern auch viele andere Investoren verleitet wurden, bei einem Zins von 0,5 Prozent eine solche Investition zu tätigen, ist der Jammer groß. Alle erleiden Verluste. Sie müssen ihre Ausgaben einschränken, mehr sparen, also weniger konsumieren, um den Schaden wieder wett zu machen.
Vor allem die langfristigen Investitionen leiden. Denn ihr Barwert sinkt bei einem Wiederansteigen des Marktzinses besonders stark. (Siehe hierzu die Erklärung hier unten) Das Problem dabei ist, dass Langfristinvestitionen häufig Ressourcen quasi dauerhaft binden, beziehungsweise die knappen Mittel können nicht ohne weiteres wieder in andere Verwendungen umgelenkt werden - man denke an dieser Stelle an "Bauruinen"; es kommt also zu "Kapitalverschwendung" beziehungsweise "Kapitalaufzehrung".
Volkswirtschaftlich gesprochen macht die Rückkehr zu höheren Zinsen eine Neuausrichtung der Wirtschaft erforderlich: Die Produktionsleistung, die durch die Investitionen geschaffen wurde, entspricht nicht (mehr) den Nachfragewünschen und -möglichkeiten der Volkswirtschaft. Höhere Zinsen entpuppen die Investitionen als fehlerhaft, und die Arbeitsplätze, die mit ihnen ursprünglich entstanden sind, gehen wieder verloren. Der Zinsanstieg, der auf die künstliche Zinsabsenkung folgt, verursacht eine Wirtschaftskrise, führt zu Produktionsund Beschäftigungsverlusten.
Und genau das ist auch das Problem, dass die Geldpolitik der künstlich gesenkten Zinsen verursacht. Je länger sie angedauert hat, und je stärker die künstlich niedrigen Zinsen das Investitionsverhalten der Marktakteure beeinflusst hat, desto größer werden auch die Probleme sein, wenn die Zinsen wieder angehoben werden. Die Probleme können so groß werden, dass man davor zurückschreckt, die Zinsen anzuheben.
Man nehme einmal folgendes an: Eine In-vestition bringt 1 Euro pro Jahr über die nächsten 30 Jahre. Der Marktzins beträgt 5 Prozent p.a. Die Investition hat damit einen Barwert von 15,4 Euro. Wäre der Marktzins 0,5 Prozent, so wäre der Barwert 27,8 Euro.
Die rechte Grafik zeigt, dass die Barwerte der Einzahlungen umso geringer sind, je weiter sie in der Zukunft liegen. Je niedriger der Zins, desto höher ist nicht nur der Barwert der Investition. Je niedriger der Zins ist, desto gewichtiger werden auch die in der entfernten Zukunft liegenden Zah-lungen für den Barwert der Investition.
Eine unerwartete Zinserhöhung führt folg-lich zu einer Minderung des Barwertes der Investition, indem vor allem die Barwerte der in der entfernten Zukunft liegenden Einzahlungen absinken. Als Daumenregel gilt: Je niedriger die Marktzinsen waren zu Beginn der Investition, desto stärker fällt auch der Barwert der Investition, wenn der Marktzins wieder steigt.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Man nehme einmal an, dass der Zins, zu dem Herr A sein Geld anlegen kann, 5 Prozent beträgt. Nun wird ihm eine Investitionsmöglichkeit angeboten: Gewinn 1 Euro pro Jahr über die nächsten 30 Jahre. Zinst Herr A die künftigen Einzahlungen dieser Investition mit 5 Prozent ab, so ergibt sich ein Barwert von 15,4 Euro. Wenn Herr A die Investition (man denke hier zum Beispiel an eine Aktie) heute für weniger als 15,4 Euro kaufen kann, ist das für ihn eine vorteilhafte Investition; muss er mehr für die Aktie bezahlen als 15,4 Euro, kann er sein Geld besser zu 5 Prozent (pro Jahr) anlegen.
Man nehme nun weiterhin an, die Zentralbank vermindert die Marktzinsen künstlich auf 0,5 Prozent. Der Barwert der Investition steigt daraufhin auf 27,8 Euro. Wieder gilt: Kann Herr A die Investition für weniger als 27,8 Euro kaufen, ist sie für ihn vorteilhaft; soll er mehr für sie bezahlen als 27,8 Euro, kann er sein Geld besser zu 5 Prozent anlegen. Herr A ist bei einem künstlich gedrückten Zins folglich bereit, mehr für die Investition zu bezahlen im Vergleich zum unverfälschten Marktzins: Er würde beispielsweise auch noch 25 Euro für die Investition zahlen, wenn der Marktzins 0,5 Prozent beträgt.
Nun geschieht das Folgende: Herr A hat die Investition in der Situation getätigt, in der die Zentralbank den Zins künstlich heruntergedrückt hat. Nach einer Weile steigt nun aber der künstlich gesenkte Marktzins wieder von 0,5 auf 5 Prozent. Nun bekommt Herr A Probleme: Der Barwert seiner Investition fällt von 27,8 Euro auf 15,4 Euro. Wenn nicht nur Herr A, sondern auch viele andere Investoren verleitet wurden, bei einem Zins von 0,5 Prozent eine solche Investition zu tätigen, ist der Jammer groß. Alle erleiden Verluste. Sie müssen ihre Ausgaben einschränken, mehr sparen, also weniger konsumieren, um den Schaden wieder wett zu machen.
Vor allem die langfristigen Investitionen leiden. Denn ihr Barwert sinkt bei einem Wiederansteigen des Marktzinses besonders stark. (Siehe hierzu die Erklärung hier unten) Das Problem dabei ist, dass Langfristinvestitionen häufig Ressourcen quasi dauerhaft binden, beziehungsweise die knappen Mittel können nicht ohne weiteres wieder in andere Verwendungen umgelenkt werden - man denke an dieser Stelle an "Bauruinen"; es kommt also zu "Kapitalverschwendung" beziehungsweise "Kapitalaufzehrung".
Volkswirtschaftlich gesprochen macht die Rückkehr zu höheren Zinsen eine Neuausrichtung der Wirtschaft erforderlich: Die Produktionsleistung, die durch die Investitionen geschaffen wurde, entspricht nicht (mehr) den Nachfragewünschen und -möglichkeiten der Volkswirtschaft. Höhere Zinsen entpuppen die Investitionen als fehlerhaft, und die Arbeitsplätze, die mit ihnen ursprünglich entstanden sind, gehen wieder verloren. Der Zinsanstieg, der auf die künstliche Zinsabsenkung folgt, verursacht eine Wirtschaftskrise, führt zu Produktionsund Beschäftigungsverlusten.
Und genau das ist auch das Problem, dass die Geldpolitik der künstlich gesenkten Zinsen verursacht. Je länger sie angedauert hat, und je stärker die künstlich niedrigen Zinsen das Investitionsverhalten der Marktakteure beeinflusst hat, desto größer werden auch die Probleme sein, wenn die Zinsen wieder angehoben werden. Die Probleme können so groß werden, dass man davor zurückschreckt, die Zinsen anzuheben.
Quelle: Eigene Berechnungen
Man nehme einmal folgendes an: Eine In-vestition bringt 1 Euro pro Jahr über die nächsten 30 Jahre. Der Marktzins beträgt 5 Prozent p.a. Die Investition hat damit einen Barwert von 15,4 Euro. Wäre der Marktzins 0,5 Prozent, so wäre der Barwert 27,8 Euro.
Die rechte Grafik zeigt, dass die Barwerte der Einzahlungen umso geringer sind, je weiter sie in der Zukunft liegen. Je niedriger der Zins, desto höher ist nicht nur der Barwert der Investition. Je niedriger der Zins ist, desto gewichtiger werden auch die in der entfernten Zukunft liegenden Zah-lungen für den Barwert der Investition.
Eine unerwartete Zinserhöhung führt folg-lich zu einer Minderung des Barwertes der Investition, indem vor allem die Barwerte der in der entfernten Zukunft liegenden Einzahlungen absinken. Als Daumenregel gilt: Je niedriger die Marktzinsen waren zu Beginn der Investition, desto stärker fällt auch der Barwert der Investition, wenn der Marktzins wieder steigt.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH