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Das inflationsfreudige Zentralbankkartell

14.11.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Kooperation der Zentralbanken wird enger - und damit wächst auch der Drang, eine noch stärkere Inflationspolitik zu betreiben.

Nach langem Zögern, nach vielen Worten und mancherlei Andeutungen sieht es nun ganz so aus, als ob die US-Zentralbank (Fed) die Zinszügel im Dezember nun doch anziehen wird - und den amerikanischen Leitzins, der derzeit bei 0,25 bis 0,5 Prozent liegt, auf 0,75 Prozent anhebt. Ein solcher Schritt ist zwar überfällig, denn der US-Zins ist seit langem viel zu niedrig. Doch Zinserhöhungen sind mittlerweile eine riskante Angelegenheit geworden.

Das Absenken der Zinsen löst bekanntlich eine Wirtschaftsexpansion aus, die allerdings auf einem trügerischen Anreiz beruht. Investitionen werden in Angriff genommen, für deren Verwirklichung die Ersparnisse nicht ausreichen. Die Volkswirtschaft beginnt, auf Pump und damit über ihre Verhältnisse zu leben. Die märchenhafte Reichtumsillusion verpufft, sobald die Zinsen wieder ansteigen, und aus dem Boom droht ein Abschwung ("Bust") zu werden.

Das anstehende Zinsmanöver der Fed ist daher ein Balanceakt: Lässt sie die Zinsen nur ganz wenig steigen, wird das die US-Konjunktur vermutlich nicht aus dem Gleis werfen. Steigen sie hingegen zu stark, kippt der Boom in einen Bust um. Doch wann ist der Zins "zu hoch"? Niemand weiß es. Auch die Fed nicht. Sie wird vielmehr herumprobieren, wird wieder einmal ein volkswirtschaftliches Meerschweinchenexperiment durchführen.

Nun hat die Fed zu allem Überfluss auch noch die Leitfunktion im internationalen Zentralbankkartell inne. Ihre Zinspolitik bestimmt in entscheidendem Maße die Liquiditäts- und Kreditkostensituation in den weltweiten Finanzmärkten. Doch die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank von Japan und die Bank von China werden dem Zinsmanöver der Fed auf absehbare Zeit wohl nicht folgen können; die wirtschaftliche Lage in diesen Regionen gibt das nicht her.

Steigende US-Zinsen würden jedoch vor allem eines bewirken: weltweit anziehende Zinsen. Wollen die übrigen Zentralbanken ihre heimischen Zinsen niedrig halten, werden sie sich gegen den Zinsauftrieb stemmen müssen: beispielsweise indem sie verstärkt Schuldpapiere erwerben und die Käufe mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Steigende US-Zinsen drängen die übrigen Zentralbanken also gewissermaßen zu einer verstärkten Monetisierung ausstehender Schulden.

Doch die Finanzmärkte scheinen nach wie vor recht zuversichtlich zu sein, dass die Fed die Zinsschraube nicht überdrehen und ihre Zentralbank-Kartellfreunde nicht in die Bredouille bringen wird. Das ist eine ökonomisch durchaus berechtigte Erwartung. Denn die Kooperation der Zentralbanken unter der Führung der Fed ist ja in den letzten Jahren bereits immer enger geworden, und sie ist alles andere als zufällig.

Der US-Dollar ist der Dreh- und Angelpunkt für das Funktionieren des internationalen ungedeckten Papiergeldsystems. Die Fed hat sich daher längst bereit erklärt, allen übrigen Zentralbanken bei Bedarf US-Dollarguthaben in unbegrenztem Umfang zur Verfügung zu stellen (und zwar im Zuge sogenannter "Liquidität-Swap-Abkommen"). Das Zentralbankkartell hat erkannt, dass es wenig Sinn macht, in einen "harten Wettbewerb" miteinander einzutreten, sondern dass es besser ist, sich miteinander abzustimmen.

Und weil mittlerweile die Probleme überall die gleichen sind - nämlich zu hohe Schulden von Staaten, Banken und Privaten -, ist natürlich auch der Anreiz innerhalb des Zentralbankkartells groß, mit vereinten Kräften zu agieren - etwa indem die Zinsen auf oder unter die Nulllinie gezwungen und die Geldmengen vermehrt werden, um offene Rechnungen zu bezahlen und damit Zahlungsausfälle auf breiter Front abzuwehren.

Dass die Fed derzeit mit Zinserhöhungen liebäugelt, sollte nicht über die eigentliche Entwicklungstendenz hinwegtäuschen: Das weltweite Zentralbankkartell taumelt einer offenen Inflationspolitik entgegen. Für die, die sehen wollen, sind die Anfänge auch schon deutlich auszumachen: und zwar in Form von steigenden Preisen für Grundstücke, Häuser und insbesondere Unternehmensanteilen.

Keine Zentralbank - nicht einmal die Fed - wird diese Entwicklungstendenz aufhalten. Das Zentralbankkartell setzt lediglich alles daran, den Betrug mit der Inflation zu dosieren, damit die Nachfrage nach ihren ungedeckten Papierwährungen nicht unverhofft schwindet. Denn das würde das ungedeckte Papiergeldsystem in der Tat in die Bredouille bringen. Wenn die Geldnachfrage zurückgeht, beginnen die Marktakteure, ihr Geld gegen andere Güter (wie zum Beispiel Aktien und Häuser) einzutauschen.

Die Folge sind steigende Güterpreise. Das wiederum entmutigt die Geldnachfrage zusätzlich: Denn steigende Preise bedeuten, dass die Kaufkraft des Geldes fällt; und fällt die Kaufkraft des Geldes, ist es weniger attraktiv, Geld zu halten beziehungsweise nachzufragen. Daraus kann - im Extremfall - eine Abwärtsspirale erwachsen, die zu einer Flucht aus dem Geld ausartet und die Kaufkraft des Geldes ruiniert. Mit anderen Worten: Steigende Preise, ja schon steigende Inflationserwartungen sind gewissermaßen die Achillesferse des ungedeckten Papiergeldsystems.


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