Das große italienische Bankenfiasko
07.12.2016 | John Mauldin
"Ziehen Sie nach Italien. Dort kennt man sich aus mit einem Leben in Schulden: Es ist ihnen egal."
– John Lydon
"Die Italiener aßen schon mit Messer und Gabel, als die Franzosen sich noch gegenseitig aßen."
– Mario Batali
Die Italiener gehen diesen Sonntag wählen, aber niemand weiß genau, was eigentlich auf dem Stimmzettel steht. Augenscheinlich sollen die Wähler entscheiden, ob sie eine Verfassungsreform befürworten, die die Regierung effektiver arbeiten lassen sollte (oder auch nicht, je nach Standpunkt). Viele Menschen glauben jedoch, dass es in Wirklichkeit um die Frage geht, ob die aktuelle Regierung an der Macht und das Land in der Eurozone bleiben sollte.
Eine Antwort darauf zu finden ist nicht unbedingt einfach, wenn man sich nicht einmal auf die Frage einigen kann. Wie auch immer die Italiener abstimmen - die genauen Folgen des Ergebnisses für Italien, die Eurozone, die EU und die Weltwirtschaft werden wahrscheinlich erst nach einer ganzen Weile erkennbar sein. Unabhängig vom Ausgang des Referendums bin ich mir ziemlich sicher, dass das Resultat nicht positiv ausfallen wird. Die Probleme sind so tief verwurzelt, dass sie nicht mit einer einfachen strukturellen Reform zu beheben sind.
Bevor wir dieses Thema in Angriff nehmen, möchte ich noch klarstellen, dass ich Italien liebe und dem Land und seinen Menschen nur das Beste wünsche. Aber in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht ist es ein einziges, nicht regierbares Schlamassel und steuert direkt auf eine Banken- und Schuldenkrise nach griechischer Art zu - aber mit italienischem Flair.
Verlängern und verleugnen auf italienische Art
Ich greife vor auf meine Schlussfolgerung: Es ist äußerst wahrscheinlich (ich würde sagen, die Chancen stehen bei knapp 90%), dass Italien innerhalb der nächsten Quartale eine Bankenkrise erlebt. Vielleicht lässt sich das Problem noch ein Jahr hinausschieben, aber in Hinblick auf die Banken muss etwas geschehen. Dazu kommen wir später noch, denn die Notlage des Bankensystems ist die Wurzel aller anderen Probleme des Landes. Ohne die Bankenkrise wäre Italien noch immer das politische Desaster, das es in den letzten 65 Jahren war, aber das Bankenfiasko verwandelt die politische Krise in eine Wirtschaftskrise.
Die Möglichkeit, dass Italien die Eurozone und/oder die Europäische Union innerhalb des nächsten Jahres verlässt, ist nicht von der Hand zu weisen. Ist eine solche Entwicklung wahrscheinlich? Nein, aber in der letzten Zeit sind schon weniger wahrscheinliche Dinge eingetreten. Allein die öffentliche Diskussion dieser Möglichkeit könnte die Märkte destabilisieren, die auch so schon genügend Sorgen haben.
Wenn wir Glück haben, wird Italien sich schnell für seinen weiteren Weg entscheiden und diesen dann in planvoller und geordneter Weise umsetzen. Das widerspräche allerdings sämtlichen Erfahrungen, die wir mit Italien gemacht haben.
Ausgehend vom Bruttoinlandsprodukt hatten die italienischen Bürger im letzten Jahrzehnt nicht viel zu lachen. Wie der folgende Chart auf der linken Seite zeigt, hinkt das BIP pro Kopf seit 1995 hinter dem EU-Durchschnitt hinterher. Schlimmer noch, es ist nach 2009 weiter gesunken, während es sich in den Nachbarländern erholt hat.
Diese Entwicklung steht in scharfem Kontrast zur Situation vor Einführung des Euros. Obwohl Italien die Lira immer wieder abwertete, konnte es sein reales BIP dadurch jahrzehntelang genauso schnell steigern wie Deutschland. Wie der obenstehende Graph zeigt, hat sich die wirtschaftliche Performance des Landes jedoch schon kurz nach der Einführung des Euros im Jahr 1999 verschlechtert.
Italien zählte zu den Wirtschaftswundern der 1960er und 1970er Jahre. Der Nordteil des Lands war ein Zentrum der Fertigungsindustrie. Die Region war führend in der Konzeption und Herstellung von Produkten verschiedenster Branchen. Selbst dem Bankenwesen ging es gut. Sie müssen wissen, dass Italien die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt ist und die dritthöchste Menge an Staatsanleihen ausgegeben hat. Wir sprechen hier nicht über ein Land von geringer Bedeutung. Dieser Berg an Staatsanleihen ist in Wirklichkeit eine Lawine, die nur darauf wartet, den Rest der Welt zu überrollen, denn ein großer Teil der Schuldverschreibungen ist außerhalb Italiens, in den Bilanzen der Banken und Zentralbanken weltweit verbucht. Eine italienische Bankenkrise wäre der Auslöser, der die Lawine vom Hang löst.
Das Balkendiagramm oben auf der rechten Seite zeigt die Erwerbsquote der 15-64-Jährigen in verschiedenen europäischen Ländern. Italien liegt auf dem vorletzten Platz, nur in Griechenland haben weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter einen Job. Das sagt Ihnen alles, was Sie über die Gründe für die politischen Unruhen und den Widerstand der italienischen Wähler wissen müssen.
18% der von den italienischen Banken vergebenen Kredite werden mittlerweile als notleidend eingestuft. Notleidende Kredite gibt es natürlich überall, aber nicht in diesem Ausmaß. Zusammengenommen hat das italienische Bankensystem weniger als 50% des Kapitals, welches nötig wäre, um die Darlehen zu decken. Schätzungen zufolge würden die Banken des Landes 40 Milliarden Euro benötigen, nur um zahlungsfähig zu bleiben. Doch wie wir gleich sehen werden, wird die Lage noch schlimmer.
– John Lydon
"Die Italiener aßen schon mit Messer und Gabel, als die Franzosen sich noch gegenseitig aßen."
– Mario Batali
Die Italiener gehen diesen Sonntag wählen, aber niemand weiß genau, was eigentlich auf dem Stimmzettel steht. Augenscheinlich sollen die Wähler entscheiden, ob sie eine Verfassungsreform befürworten, die die Regierung effektiver arbeiten lassen sollte (oder auch nicht, je nach Standpunkt). Viele Menschen glauben jedoch, dass es in Wirklichkeit um die Frage geht, ob die aktuelle Regierung an der Macht und das Land in der Eurozone bleiben sollte.
Eine Antwort darauf zu finden ist nicht unbedingt einfach, wenn man sich nicht einmal auf die Frage einigen kann. Wie auch immer die Italiener abstimmen - die genauen Folgen des Ergebnisses für Italien, die Eurozone, die EU und die Weltwirtschaft werden wahrscheinlich erst nach einer ganzen Weile erkennbar sein. Unabhängig vom Ausgang des Referendums bin ich mir ziemlich sicher, dass das Resultat nicht positiv ausfallen wird. Die Probleme sind so tief verwurzelt, dass sie nicht mit einer einfachen strukturellen Reform zu beheben sind.
Bevor wir dieses Thema in Angriff nehmen, möchte ich noch klarstellen, dass ich Italien liebe und dem Land und seinen Menschen nur das Beste wünsche. Aber in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht ist es ein einziges, nicht regierbares Schlamassel und steuert direkt auf eine Banken- und Schuldenkrise nach griechischer Art zu - aber mit italienischem Flair.
Verlängern und verleugnen auf italienische Art
Ich greife vor auf meine Schlussfolgerung: Es ist äußerst wahrscheinlich (ich würde sagen, die Chancen stehen bei knapp 90%), dass Italien innerhalb der nächsten Quartale eine Bankenkrise erlebt. Vielleicht lässt sich das Problem noch ein Jahr hinausschieben, aber in Hinblick auf die Banken muss etwas geschehen. Dazu kommen wir später noch, denn die Notlage des Bankensystems ist die Wurzel aller anderen Probleme des Landes. Ohne die Bankenkrise wäre Italien noch immer das politische Desaster, das es in den letzten 65 Jahren war, aber das Bankenfiasko verwandelt die politische Krise in eine Wirtschaftskrise.
Die Möglichkeit, dass Italien die Eurozone und/oder die Europäische Union innerhalb des nächsten Jahres verlässt, ist nicht von der Hand zu weisen. Ist eine solche Entwicklung wahrscheinlich? Nein, aber in der letzten Zeit sind schon weniger wahrscheinliche Dinge eingetreten. Allein die öffentliche Diskussion dieser Möglichkeit könnte die Märkte destabilisieren, die auch so schon genügend Sorgen haben.
Wenn wir Glück haben, wird Italien sich schnell für seinen weiteren Weg entscheiden und diesen dann in planvoller und geordneter Weise umsetzen. Das widerspräche allerdings sämtlichen Erfahrungen, die wir mit Italien gemacht haben.
Ausgehend vom Bruttoinlandsprodukt hatten die italienischen Bürger im letzten Jahrzehnt nicht viel zu lachen. Wie der folgende Chart auf der linken Seite zeigt, hinkt das BIP pro Kopf seit 1995 hinter dem EU-Durchschnitt hinterher. Schlimmer noch, es ist nach 2009 weiter gesunken, während es sich in den Nachbarländern erholt hat.
Diese Entwicklung steht in scharfem Kontrast zur Situation vor Einführung des Euros. Obwohl Italien die Lira immer wieder abwertete, konnte es sein reales BIP dadurch jahrzehntelang genauso schnell steigern wie Deutschland. Wie der obenstehende Graph zeigt, hat sich die wirtschaftliche Performance des Landes jedoch schon kurz nach der Einführung des Euros im Jahr 1999 verschlechtert.
Italien zählte zu den Wirtschaftswundern der 1960er und 1970er Jahre. Der Nordteil des Lands war ein Zentrum der Fertigungsindustrie. Die Region war führend in der Konzeption und Herstellung von Produkten verschiedenster Branchen. Selbst dem Bankenwesen ging es gut. Sie müssen wissen, dass Italien die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt ist und die dritthöchste Menge an Staatsanleihen ausgegeben hat. Wir sprechen hier nicht über ein Land von geringer Bedeutung. Dieser Berg an Staatsanleihen ist in Wirklichkeit eine Lawine, die nur darauf wartet, den Rest der Welt zu überrollen, denn ein großer Teil der Schuldverschreibungen ist außerhalb Italiens, in den Bilanzen der Banken und Zentralbanken weltweit verbucht. Eine italienische Bankenkrise wäre der Auslöser, der die Lawine vom Hang löst.
Das Balkendiagramm oben auf der rechten Seite zeigt die Erwerbsquote der 15-64-Jährigen in verschiedenen europäischen Ländern. Italien liegt auf dem vorletzten Platz, nur in Griechenland haben weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter einen Job. Das sagt Ihnen alles, was Sie über die Gründe für die politischen Unruhen und den Widerstand der italienischen Wähler wissen müssen.
18% der von den italienischen Banken vergebenen Kredite werden mittlerweile als notleidend eingestuft. Notleidende Kredite gibt es natürlich überall, aber nicht in diesem Ausmaß. Zusammengenommen hat das italienische Bankensystem weniger als 50% des Kapitals, welches nötig wäre, um die Darlehen zu decken. Schätzungen zufolge würden die Banken des Landes 40 Milliarden Euro benötigen, nur um zahlungsfähig zu bleiben. Doch wie wir gleich sehen werden, wird die Lage noch schlimmer.