Ein Blick auf die Wahl …
19.09.2017 | Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1986 (07.45 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1905 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 111.81. In der Folge notiert EUR-JPY bei 134.05. EUR-CHF oszilliert bei 1.1515.
Man gibt sich in unserer Republik Mühe, den wohl müdesten Bundestagswahlkampf seit 1949 aufzupeppen. Irgendwie greift es aber nicht. Dabei geht es heute um wahrscheinlich mehr, als bei vielen anderen Bundestagswahlen.
Kritische Themen, wie die Frage der Beziehungen zu den aufstrebenden Ländern, zu der Teilhabe bei den wichtigsten Wirtschaftsprojekten "One Belt - One Road", die für die Exportnation Deutschland von existentieller Bedeutung sind, fanden überhaupt nicht im Wahlkampf statt. Ebenso wurde die Frage der Ostpolitik völlig ausgeblendet. Die Frage, ob die Ukraine überhaupt die Bedingungen zur Assoziierung erfüllte oder heute auch nur ansatzweise erfüllt, erscheint irrelevant zu sein, obwohl auf diesem "Altar der Westexpansion" 46 Jahre Ost- und Annäherungspolitik mit Moskau verspielt wurden. Wer wird durch diese im Wahlkampf forcierte Themenauswahl geschützt?
Die kommode Konjunktursituation in Deutschland, die zu weiten Teilen nicht selbstverdient ist (Euro, Zinsniveau, Wirkung auf Staatsschulden), forciert in weiten Teilen der Gesellschaft eine intellektuelle Trägheit, die die potentiellen Risiken für Wohlstand und Freiheit (im schillerschen Sinn, nicht nur Freizügigkeit!) verkennt.
Ein anderer Teil der Gesellschaft, der im Rahmen der Globalisierung wirtschaftlich zurückblieb oder glaubt, wirtschaftlich zurückgeblieben zu sein (leichte europäische Adaption der neokonservativen Ausprägung als Hintergrund = Produktionsfaktor Kapital mit überproportionalem Anteil an der Produktivitätsdividende zu Lasten des Produktionsfaktors Arbeit), wendet sich den Rändern des politischen Spektrums zu.
Ein anderer Teil fühlt sich von der grenzenlosen Offenheit, die die Globalisierung mit sich brachte, kulturell überfordert und sucht ein alternatives konservatives Zuhause, das die CDU offensichtlich für diese Menschen nicht mehr bietet.
Der Begriff Oberflächlichkeit klingt bei der Betrachtung der Wahlthemen, der Wahlsituation und der medialen Begleitung laut nach. Wo sind nur die kritischen Fragen eines aufgeklärten Journalismus geblieben. Wie erfrischend ging es diesbezüglich nur bis Ende der 90er Jahre zu (u.a. investigativer Journalismus) …
Nach unserer Kenntnis ist Oberflächlichkeit eine Attitüde, die Risiken beschwört oder Risiken verschärft. Diesbezüglich ist Sorge angebracht.
Italien lieferte gestern eine erfrischende Entwicklung der Handelsbilanz. Per Juli ergab sich ein Handelsbilanzüberschuss in Höhe von 6,56 Mrd. Euro nach zuvor 4,50 Mrd. Euro. Nachfolgender Chart belegt die Gesundung über die letzten Jahre in profunder Form.
An der Preisfront der Eurozone kam es zu keinen neuen Erkenntnissen:
Die Verbraucherpreise legten laut finaler Berechnung im Monatsvergleich um 0,3% und im Jahresvergleich um 1,5% zu. Das entsprach den Erwartungen und vorläufigen Werten.
Die Kernrate stieg im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%) und im Jahresvergleich um 1,3% (Prognose 1,2%). Nachfolgender Chart belegt, dass die endogene Preisinflation (=Kernrate), also die Rate, die durch die EZB beeinflussbar ist, ganz anders als die Gesamtrate, nicht nur nie Deflation lieferte (Tiefstand 0,60%), sondern derzeit auch auf dem höchsten Niveau seit August 2013 oszilliert.
Aus den USA erreichte uns die Veröffentlichung des NAHB Wohnimmobilienindex. Hier kam es per Berichtsmonat September unerwartet zu einem Rückgang des Index von zuvor 67 (revidiert von 68) auf 64 Punkte. Die Prognose war bei 67 Zählern angesiedelt. Losgelöst vom Rückgang signalisiert dieses Niveau faktisch Boom, wenn man dem dann folgen will.
Nachfolgender Chart bildet den Index seit 1997 bis heute ab.
Aktuell ergibt sich ein Szenario, das eine positive Haltung bezüglich der Bewertung des Euros favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1650 - 80 negiert den positiven Bias des Euros.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank
Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.
Man gibt sich in unserer Republik Mühe, den wohl müdesten Bundestagswahlkampf seit 1949 aufzupeppen. Irgendwie greift es aber nicht. Dabei geht es heute um wahrscheinlich mehr, als bei vielen anderen Bundestagswahlen.
Kritische Themen, wie die Frage der Beziehungen zu den aufstrebenden Ländern, zu der Teilhabe bei den wichtigsten Wirtschaftsprojekten "One Belt - One Road", die für die Exportnation Deutschland von existentieller Bedeutung sind, fanden überhaupt nicht im Wahlkampf statt. Ebenso wurde die Frage der Ostpolitik völlig ausgeblendet. Die Frage, ob die Ukraine überhaupt die Bedingungen zur Assoziierung erfüllte oder heute auch nur ansatzweise erfüllt, erscheint irrelevant zu sein, obwohl auf diesem "Altar der Westexpansion" 46 Jahre Ost- und Annäherungspolitik mit Moskau verspielt wurden. Wer wird durch diese im Wahlkampf forcierte Themenauswahl geschützt?
Die kommode Konjunktursituation in Deutschland, die zu weiten Teilen nicht selbstverdient ist (Euro, Zinsniveau, Wirkung auf Staatsschulden), forciert in weiten Teilen der Gesellschaft eine intellektuelle Trägheit, die die potentiellen Risiken für Wohlstand und Freiheit (im schillerschen Sinn, nicht nur Freizügigkeit!) verkennt.
Ein anderer Teil der Gesellschaft, der im Rahmen der Globalisierung wirtschaftlich zurückblieb oder glaubt, wirtschaftlich zurückgeblieben zu sein (leichte europäische Adaption der neokonservativen Ausprägung als Hintergrund = Produktionsfaktor Kapital mit überproportionalem Anteil an der Produktivitätsdividende zu Lasten des Produktionsfaktors Arbeit), wendet sich den Rändern des politischen Spektrums zu.
Ein anderer Teil fühlt sich von der grenzenlosen Offenheit, die die Globalisierung mit sich brachte, kulturell überfordert und sucht ein alternatives konservatives Zuhause, das die CDU offensichtlich für diese Menschen nicht mehr bietet.
Der Begriff Oberflächlichkeit klingt bei der Betrachtung der Wahlthemen, der Wahlsituation und der medialen Begleitung laut nach. Wo sind nur die kritischen Fragen eines aufgeklärten Journalismus geblieben. Wie erfrischend ging es diesbezüglich nur bis Ende der 90er Jahre zu (u.a. investigativer Journalismus) …
Nach unserer Kenntnis ist Oberflächlichkeit eine Attitüde, die Risiken beschwört oder Risiken verschärft. Diesbezüglich ist Sorge angebracht.
Italien lieferte gestern eine erfrischende Entwicklung der Handelsbilanz. Per Juli ergab sich ein Handelsbilanzüberschuss in Höhe von 6,56 Mrd. Euro nach zuvor 4,50 Mrd. Euro. Nachfolgender Chart belegt die Gesundung über die letzten Jahre in profunder Form.
© Reuters
An der Preisfront der Eurozone kam es zu keinen neuen Erkenntnissen:
Die Verbraucherpreise legten laut finaler Berechnung im Monatsvergleich um 0,3% und im Jahresvergleich um 1,5% zu. Das entsprach den Erwartungen und vorläufigen Werten.
Die Kernrate stieg im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%) und im Jahresvergleich um 1,3% (Prognose 1,2%). Nachfolgender Chart belegt, dass die endogene Preisinflation (=Kernrate), also die Rate, die durch die EZB beeinflussbar ist, ganz anders als die Gesamtrate, nicht nur nie Deflation lieferte (Tiefstand 0,60%), sondern derzeit auch auf dem höchsten Niveau seit August 2013 oszilliert.
© Reuters
Aus den USA erreichte uns die Veröffentlichung des NAHB Wohnimmobilienindex. Hier kam es per Berichtsmonat September unerwartet zu einem Rückgang des Index von zuvor 67 (revidiert von 68) auf 64 Punkte. Die Prognose war bei 67 Zählern angesiedelt. Losgelöst vom Rückgang signalisiert dieses Niveau faktisch Boom, wenn man dem dann folgen will.
Nachfolgender Chart bildet den Index seit 1997 bis heute ab.
© Reuters
Aktuell ergibt sich ein Szenario, das eine positive Haltung bezüglich der Bewertung des Euros favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1650 - 80 negiert den positiven Bias des Euros.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank
Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.