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Ein Feuerwehrmann, der mit Benzin löscht

20.03.2009  |  Klaus Singer
Es ist das "bewährte" Rezept. Gibt es kleine wirtschaftliche Probleme, packt die Fed die kleine Gießkanne aus. Sind die Probleme groß, muss die große Kanne her. Und sind sie riesig, dann muss die Liquidität eben aus allen Rohren fluten.

Einige Beobachter hatten es schon erwartet - und so kam es dann auch. Die Fed hat im Kommunique der FOMC-Sitzung am Mittwoch Abend gesagt, sie werde lang laufende Treasuries im Gesamtwert von 300 Mrd. Dollar kaufen. Zudem will sie weitere 750 Mrd. Dollar für den Kauf von von Fannie und Freddie garantierte MBS (mortgage-backed securities) ausgeben, die Gesamtsumme steigt dann auf 1,25 Bill. Dollar. Für weitere 100 Mrd. Dollar sollen Agency Debt (Obligationen von Fannie Mae, Freddie Mac und Ginnie Mae) gekauft werden, die Gesamtsumme steigt dann auf 200 Mrd. Dollar.

Die Vorhaben der Fed schlagen sich in der Verlängerung ihrer Bilanz nieder - auf dann etwa 3 Bill. Dollar. Eine weitere Billion Dollar kommt hinzu, wenn andere Vorhaben realisiert werden. Hierbei geht um das TALP-Programm, bei dem die Notenbank billige Kredite von bis zu einer Bill. Dollar für den Aufkauf von mit Vermögenswerten unterlegten Wertpapieren (asset-backed securities) zur Verfügung stellt. Sein Anwendungsgebiet soll ausgeweitet werden über durch Kreditkarten-, Auto-, Konsum- oder Studienkredite gesicherte Wertpapiere hinaus. Die damit auf vier Bill. Dollar verlängerte Fed-Bilanz käme dann auf etwa ein Drittel des BIP.

Solange die Fed keine Gegenmaßnahmen ergreift, führt der Ankauf von Assets im beschriebenen Umfang zu einer ebensolchen Ausweitung der Reserven des Bankensystems. Das wiederum ist die Basis für eine erweiterte Geldschöpfung der Geschäftsbanken mittels Kreditvergabe. Rechnet man einen Reservesatz von 10 Prozent, ergibt sich aus dem gesamten Kaufvolumen von 1,75 Bill. Dollar ein Potenzial von insgesamt bis 17,5 Bill. Dollar an neu schöpfbaren Krediten - weit mehr als die Wirtschaftsleistung eines Jahres.

Bank-Aktien und Aktien von Bauunternehmen profitierten gestern besonders von den schlechten Nachrichten. Die Renditen am langen Ende stürzten wie seit 1987 nicht mehr. Der TBond-Future steigt nach der FOMC-Sitzung zeitweilig um über 6 Prozent. Das faire KGV schießt auf fast 40 hoch. Die 30jährigen Hypothekenzinsen fielen auf das tiefste, jemals registrierte Niveau. Gold stieg zeitweilig von 890 vor der FOMC-Sitzung auf über 940 Dollar.

"Schlechte Nachrichten"? Ja, grottenschlecht. Fed-Chef Bernanke will einlösen, wofür er seinen Beinamen weg hat: "Helikopter-Ben". Das Wort, notfalls werde man Dollars vom Hubschrauber abwerfen, stammt allerdings nicht von ihm, sondern von Milton Friedman, dem Begründer der modernen monetaristischen Schule.

Offenbar haben unsere "Oberen" kein Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Kapitalismus. Anders ist es nicht zu erklären, das man Feuer mit Benzin löscht. Die lockere Geldpolitik früherer Jahre hat erst zu dem heutigen Schlamassel geführt und die jetzt verkündeten Maßnahmen legen den Grundstein für eine noch viel schlimmere Krise. Es sei hier dahin gestellt, wie es um die Selbstheilungskräfte wirklich bestellt ist, aber zumindest die Marktmechanismen haben richtig reagiert. Wenn auch spät, dafür aber umso schneller haben sie das mit Null bewertet, was eben auch nichts wert ist.

Mit den jetzt bekannt gegebenen Vorhaben werden seitens der Fed insgesamt 1,75 Bill. Dollar für den Ankauf von Assets ausgegeben. Das kompensiert zwar die deflationären Effekte der kollabierenden Schuldenblase nicht - selbst Bernanke erwartet mittlerweile weit über 3 Bill. Dollar an Kredit-Verlusten. Aber es sollte die Hauspreise innerhalb der kommenden sechs Monate stabilisieren. Und damit auch die Abwärtsspirale bei den Banken abbremsen.

Die spannende Frage ist, was sich von dem Geldschöpfungspotenzial in Geldmengenwachstum niederschlägt. Zunächst wirken sich die vermehrten Reserven Banksystem-intern aus, ohne Auswirkung "nach draußen", sie werden gehortet, verbessern die Bilanzrelationen oder dienen Banken dazu, mit neuen Schulden alte zu bedienen.

Erst wenn neue Kredite an Konsumenten und Unternehmen vergeben werden, steigt die Geldmenge in der Realwirtschaft an. Aber da gehören zwei dazu: Einer, der Kredite vergibt und einer, der den Kredit will. Aktuell liegen die gesamten Bankreserven bei 700 Mrd. Dollar. Bis September 2008 lagen die Überschussreserven bei oder unter 2 Mrd. Dollar, jetzt kommen sie auf 644 Mrd. Dollar. Wie gesagt, mit den Reserven alleine ist es nicht getan - entweder wollen Banken kein Geld über verstärkte Ausleihungen schöpfen oder keiner fragt Kredite nach.

Und damit wird es nun sehr darauf ankommen, wie sich z.B. das Konsumentenvertrauen entwickelt. Hierauf werden die großen Adressen an Wall Street nun besonders achten (und darauf ihre Wetten abschließen). Auch eine zweite Kennzahl ist wichtig, der Verlauf der Überschuss-Reserven. Nehmen die überproportional zu den gesamten Reserven ab, ist das ein Hinweis auf eine in Gang kommende Kreditvergabe. Wenn die in der Realwirtschaft stattfindet, ist das auch ein Hinweis auf eine Ausweitung der Geldmenge und damit einen Anstieg der Preise. Der Zusammenhang auf der Seite der Reserven des Bankensystems wird im Chart "Reserve Ratio" auf der Unterseite "Makrodaten" von www.timepatternanalysis.de dargestellt.

Die Fed hat es in der Hand, die zusätzliche Geldmenge, bzw. das Geldschöpfungspotenzial wieder abzuschöpfen, z.B. durch den Verkauf von Assets. Dies tat sie auch bis Mitte 2008 immer wieder mal. Aber davon ist nun weit und breit nichts mehr zu sehen.

Für die Besitzer von Sachwerten, Aktien zählen ja dazu, könnte nun eine schöne Zeit anbrechen. Aktionäre mögen Inflation, allerdings nur eine vom Stil "mäßig, aber regelmäßig".

Aber da tauchen (mindestens) vier Unsicherheiten auf: Erstens ist noch nicht ausgemacht, ob und wann die Inflation wirklich kommt. Zweitens ist nicht klar, wie viel Porzellan noch durch Deflation zerschlagen wird. Wenn es eine Inflation gibt, ist drittens noch nicht ausgemacht, ob es auch eine "schöne" wird und nicht eine, die davon galoppiert. Und viertens wird die idyllische Zukunftsperspektive der Bullen auch noch durch die Tatsache gestört, dass die Unternehmensgewinne im S&P 500 per Jahreswechsel zum ersten Mal in der Geschichte leicht negativ waren. Und legt man die geschätzte Gewinnentwicklung zugrunde, läge der faire Wert der S&P 500 zum Jahresende 2009 bei etwa 670, gestern wurde schon einmal wieder die Marke von 800 erreicht.

Zu den Märkten: Ich hatte in der vergangenen Woche an dieser Stelle Kursziele für einzelne Aktienindices genannt, die mittlerweile entweder erreicht sind oder sich in Griffweite befinden. Der morgige Hexensabbat dürfte zunächst im Vorfeld für abnehmende Schwankungsbreite sorgen, je nachdem wie sehr sich die einzelnen Indices schon an die Settlement-Pegel angenähert haben.

Die Aktienbullen sind in Bezug auf die Neuigkeiten der Fed vorgelaufen. Buy the rumors - sell the facts. Werden also jetzt Gewinne vom Tisch genommen? Die dargestellten Unsicherheiten dürften allmählich wieder nach vorne drängen. Wenn keine neue Phantasie aufkommt, ist die Wahrscheinlichkeit eines (empfindlichen) Rücksetzers groß. Die zuletzt erreichten Zwischenböden bei den betrachteten Aktienindices dürften aus heutiger Sicht zunächst halten, daher dürften die Bullen das Heft noch weiter in der Hand behalten.

In die Diskussion über die güterwirtschaftlichen Perspektiven passt ein Artikel im Wall Street Journal: Vier Volkswirte haben dort vorgerechnet, dass der Keynessche Multiplikator des fast 800 Mrd. Dollar schweren Anreiz-Paketes von Obama in einer modernen Simulation niedriger ausfällt als von der US-Regierung unterstellt. Sie rechnen damit, dass lediglich 600.000 Jobs geschaffen werden und das BIP um ganze 0,6 Prozent gesteigert wird. Die Regierung geht von einem Multiplikator von 1,5 aus, sechs mal so hoch wie nach der aktuellen Simulation der Volkswirte.

Charts von erwähnten Werten können in diesem Artikel auf www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de





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