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Wall Street feiert

27.03.2009  |  Klaus Singer
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Beeindruckend, wie schnell sich der "Hort der freien Märkte", die Wall Street, mit staatlichem Einfluss und dem Außerkraftsetzen der Marktmechanismen anfreundet. Natürlich nur dann, wenn "es etwas bringt" - ordnungspolitische Überzeugungen waren noch nie ihr Ding. Dabei hätten niedrige und weiter fallende Preise als reinigendes Gewitter den Vorteil, dass ein Aufschwung mit Macht neu und solide starten kann. Künstlich hoch gehaltene verlängern nur die Phase bis dahin und können in einer Krise wie der gegenwärtigen leicht aus der Rezession in die Depression führen.

Zur Wochenmitte sorgte die schwache Nachfrage in einer Treasury-Auktion für Störfeuer und schürte Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit all der Abenteuer auf Steuerzahlers Kosten, die doch so notleidende Finanzindustrie zu retten. Beobachter schätzen, dass das US-Schatzamt in 2009 etwa zwei Bill. Dollar an Schulden verkaufen will. Das ist etwa ein Drittel der per Ende 2008 ausstehenden Staatsschulden. Nun, wenn sich nicht genügend Abnehmer finden, dann muss eben die Fed ran - die Tür hierzu ist ja aufgestoßen.

Paul Volcker, Fed-Chef der 1980er Jahre fürchtet, die Fed werde eine anziehende Inflation nicht bekämpfen. "Ich werde etwas nervös, wenn ich die Verlautbarungen höre, man wolle die Menge Inflation haben, die eine Erholung herbeiführt", sagte. "Ich weiß nicht, welches Maß an Inflation dazu geeignet wäre. Ich hätte es lieber, wenn sie sagen, dass sie die Währung stabil halten wollen, so dass dies zu Vertrauen und Erholung führt."

Gut geträumt! Per Februar betrugen die Überschussreserven im US-Bankensystem mehr als 600 Mrd. Dollar, die gesamten Reserven wurden nur zu etwa 10 Prozent "genutzt", in normalen Zeiten sind Werte über 90 Prozent die Regel. In der Rezession 2001 fiel die Quote kurzzeitig auf 66 Prozent, im September 2008 stürzte sie unter 50 Prozent und verharrt seitdem im niedrigen zweistelligen Prozentbereich (siehe Chart "Reserve-Ratio"). Das "Geldschöpfungspotenzial" via Kredite der Geschäftsbanken ist zwar enorm, bisher allerdings bleibt es beim Konjunktiv. Und solange das Kreditgeschäft nicht anspringt, führt das nicht zu einer Ausweitung der Geldmenge und zu steigenden Preisen.

Unter fundamentalen Aspekten sollte die Geldmenge in Folge des Platzens der Kreditblase und des daraus folgenden Deleveraging kontrahieren und die Asset-Preise durch (Not)Verkäufe fallen. Hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Rohstoffpreise und fallende Aktienkurse sind das aktuelle Ergebnis der deflationären Entwicklung. Wie geht es weiter? Schaffen es Fed & Co, die Kredittätigkeit anzukurbeln und die Preise mit ausufernder Geldmenge steigen zu lassen?

Ein klares Bild hinsichtlich der Frage Inflation oder Deflation liefern die Finanz-Märkte zur Zeit nicht.

Die Bond-Renditen tendieren aktuell zu der Aussage, dass es der Fed (noch) nicht gelingt, die Akteure von der Notwendigkeit zu überzeugen, Geld zu leihen, um Assets zu kaufen: Insbesondere die Renditen von Inflations-indizierten Bonds tendieren abwärts (siehe Chart).

Der Verlauf des Goldpreises zeigt ein indifferentes Bild. In der Frage, was vorzuziehen ist, Liquidität oder Gold, war die Antwort zwischen 1997 und 2001 nach Chart "MZM and Gold" klar: Der Goldpreis entwickelte sich unterproportional zu den liquiden Assets, gleichsam dem Parkplatz auf dem Weg zur nächsten Runde bei der "Reise nach Jerusalem". Bis Ende 2005 änderte sich daran nichts Grundlegendes. Dann allerdings gewann Gold in der Gunst der Anleger - zunächst noch gemäßigt, ab August 2007 mit dem ersten offenen Ausbruch der Finanzkrise aber rasant. Momentan halten sich die Präferenzen die Waage, wobei allein eine so weiter wie bisher steigende Liquiditätsausstattung bei schrumpfender Konjunktur eine moderate Aufwärtsbewegung des Goldpreises stützen dürfte.

Interessant ist, dass, anders als in den frühen 1980er Jahren, Gold nicht stärker präferiert wird. Zeigt das, dass die Märkte längst (noch) nicht so erschüttert sind wie in den frühen 1980er Jahren, dem akuten Ausbruch der vormaligen Schuldenkrise? Kommt die wirkliche Erschütterung noch mit einem explodierenden Goldpreis?

Nach den Charts "Inflation-Expection" deutet aktuell wenig darauf hin, dass eine scharfe Inflation erwartet wird. Bei dieser Auswertung werden Zinsen und Gold als Indikatoren gleichermaßen berücksichtigt.

So komme ich zu der alten, neuen Schlussfolgerung: Die deflationäre Spirale ist gegenwärtig schwer zu stoppen, das deflationäre Szenario sollte noch zumindest bis Ende 2009 Bestand haben. Ob dann die Kredittätigkeit "von Null auf Hundert" durchstartet, wage ich zu bezweifeln. Eine längere, eher depressive Phase dürfte wahrscheinlicher sein mit deutlicher Deflation bei Industriegütern, jedoch steigenden Preisen bei Nahrungsmitteln und Konsumgütern des täglichen Bedarfs.

Und die Wall Street feiert. Sich selbst.

Erwähnte Charts können in diesem Artikel auf www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de






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