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G20 - "April, April..."

03.04.2009  |  Klaus Singer
Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer tagen in London. Sie repräsentieren zusammen gut 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sie haben sich viel vorgenommen - was allerdings, darüber gehen die Meinungen stark auseinander.

Die USA möchten natürlich auch unter Obama den eigenen Führungsanspruch bekräftigen; der neue Präsident möchte vor allem über die internationale Koordination von staatlichen Anreizprogrammen zur Ankurbelung der Wirtschaft sprechen. Der Denkansatz ist, die Finanzkrise sei mit Regulierung alleine nicht zu lösen, auch nicht mit noch so viel staatlichem Rettungsgeld für Zombie-Banken. Er will, dass vor allem europäische Länder, allen voran Deutschland, mehr steuerpolitische Anreize schaffen.

Europa, typisch Bürokratien, redet hingegen einer umfassenden Regulierung der Finanzmärkte das Wort und möchte eine neue Weltfinanzordnung schaffen, in der nichts und niemand ohne Regulierung und Aufsicht ist. Und China will am liebsten gleich eine neue Weltleitwährung.

Interessant genug, die Bankenrettung steht noch nicht einmal auf der Agenda des G20-Treffens. Statt dessen beschäftigt man sich intensiv mit der Austrocknung von Steueroasen, als ob es nichts Wichtigeres gäbe.

Im übertragenen Sinne wollen die USA den Brand in der Weltwirtschaft löschen, die Europäer möchten hingegen im brennenden Haus Feuermelder installieren.

Ob das Löschmittel der Amerikaner geeignet ist, darüber streiten die Gelehrten. Strauss-Kahn vom IWF sagt dazu, die USA hätten zwar mit ihren staatlichen Anreizplänen recht, ebenso wie die EU mit ihren Regulierungsbemühungen. Aber beide täten nicht genug, um die Banken zu retten. Dem Vernehmen nach überdenkt der IWF gerade seine Schätzung der Bankverluste von bisher 2,2 Bill. Dollar, um sie nach oben zu revidieren.

Strauss-Kahn geht vor allem die Europäer an, und hier insbesondere Deutschland. Finanzminister Steinbrück hatte sich in dieser Woche erneut gegen eine staatliche Bad Bank ausgesprochen, weil er die Belastungen für den Bundeshaushalt auf 200 Mrd. Euro taxiert, wenn diese für eine weitgehende Bilanzbereinigung sorgen soll. Je länger er wartet, je teurer wird es, sagt Wolfgang Münchau in Eurointelligence. Und weist erneut darauf hin, dass Deutschland wegen des eigenen, schwachen Anreizpakets, seiner Exportabhängigkeit in Zeiten kollabierenden Welthandels auf eine Depression zusteuert, die mehrere Jahre anhalten könnte.

Die Finanzmärkte feiern derweil das G20-Treffen auf ihre Art. Nachdem die Rendite der 13-wöchigen TBills zuletzt bei 0,12 Prozent ein Tief markiert hatte, ist sie sprunghaft auf über 0,20 Prozent angestiegen und signalisiert damit starke Verkäufe dieser als Liquiditätsparkplatz geltenden Staatspapiere. Die so frei werdenden Mittel gehen aktuell zusammen mit aus Carry-Trade-Geschäften in Yen generierten in die Asset-Expansion, z.B. in Aktien.

Ihre Botschaft ist klar: Das G20-Treffen wird außer einem blumigen Kommunique nichts beschließen, was die Finanzmärkte negativ tangiert.

Deutschland, Japan und China haben zusammen einen Leistungsbilanzüberschuss von über 600 Mrd. Euro akkumuliert, der Defiziten in anderen Ländern entspricht. Defizite und Überschüsse kommen im Zuge der Krise herunter. Während die Defizitländer massive Anreizprogramme starten und damit große Budgetdefizite verursachen, tut insbesondere Deutschland wenig, sondern setzt darauf, vom Welthandel heraus gehauen zu werden. Die Defizitländer, allen voran die USA, werden so förmlich zu Protektionismus gezwungen, um sicher zu stellen, dass die Steuermittel vorrangig der inländischen Wirtschaft zugute kommen. Der japanische Regierungschef hat im Vorfeld des G20-Treffens Deutschland in ungewöhnlich scharfer Form, vorgeworfen, sich unverantwortlich zu verhalten.

Es ist abzusehen, dass man in der Frage der koordinierten Anreize nicht zu gemeinsamen Taten finden wird. Papier ist geduldig. Damit aber wird der erkennbare Zug zu Protektion Fahrt aufnehmen.

Wie sieht es mit dem anderen Thema aus? Brauchen wir eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte bis herunter zur operativen Ebene?

Was ist die Ursache der Krise? Eine riesige Schuldenblase ist geplatzt (platzt immer noch). Zwischen 1994 und 2008 betrug die Zuwachsrate der Kredite in den USA Jahr für Jahr mehr als fünf Prozent und lag damit deutlich über der durchschnittlichen Wachstumsrate des realen BIP. Dieser Zusammenhang ist im Chart "Trouble-Modell - GDP und Schulden" dargestellt, der über diesen Artikel auf www.timepatternanalysis.de eingesehen werden kann.

Der Deflator stieg in dieser Zeitraum entsprechend um jahresdurchschnittlich 2,2 Prozent und erreichte im vierten Quartal 2006 mit 3,16 Prozent seinen Spitzenwert. Bei einem solchen Missverhältnis entsteht Inflation, entweder im Gütermarkt oder im Finanzbereich. Zuletzt war ganz klar die Inflation bei den Hauspreisen in den USA dominierend. Diese Inflation "saugte" immer mehr Kredite an, denen real immer weniger Sachwert gegenüber stand. Als dann die Hauspreise nicht mehr weiter stiegen und die ersten Hypothekenschuldner nicht mehr zahlen konnten, begann die Blase zu platzen.

Wenn die Schulden schneller steigen als das BIP, sind ökonomische Probleme vorprogrammiert, je länger das anhält, je gravierender sind sie. Wie im erwähnten Chart ersichtlich, dauern Aufbau, wie Bereinigung einer Situation wie der aktuellen je rund 15 Jahre. Demnach muss man noch einige Jahre mit den Wirkungen der Bereinigung rechnen. Ich hatte mich mit dieser Frage am 8. Dezember 2008 im Artikel "Kondratieff und die aktuelle Krise" beschäftigt.




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