Green Shoots
16.05.2009 | Klaus Singer
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Normalerweise ist eine ordentliche Portion Inflationserwartung neben der Erwartung steigender Unternehmensgewinne die beste Voraussetzung für eine stabile Rallye bei Aktien. Aber wenn in einer konjunkturellen Talsohle von der Seite der Produktionskosten ein deutlicher Aufwärtsimpuls kommt, ist das eher kontraproduktiv. Abgesehen davon gibt die Auswertung der Inflationserwartungen (Chart!) nach wie vor keinen Anhaltspunkt für eine Zunahme. Der jüngste Hochpunkt hier stammt aus Juli 2007. Und nachdem die Finanzmärkte in den zurückliegenden Tagen schon an Eigendynamik eingebüsst hatten, war eine wichtige Voraussetzung gegeben, dass sie sich nicht länger immun gegen schlechte Nachrichten zeigen konnten - und genau da zeigten die Einzelhandelsdaten Wirkung. Ein Sell-off bei Aktien war die Folge, er betraf besonders die gut gelaufenen Technologiewerte und Bankaktien.
In diesem Sinne ist auch die Steigerung der amerikanischen Erzeugerpreise im April um 0,3 Prozent keine wirklich gute Nachricht. So war denn lediglich ein Anstieg von 0,1 Prozent erwartet worden.
Wegen der aufgelaufenen hohen Aktienkursgewinne bleibt die Neigung zu Gewinnmitnahmen hoch. Da reichen auch "Nicht-Ereignisse" als Anlass. Die von mir verfolgten Marktindikatoren beginnen jedenfalls, Risse in der bullischen Fassade zu zeigen. Die Volumenverteilung (Chart!) pendelt instabil zwischen Akkumulation und Distribution hin und her: Ist die Seitenlinie nicht aufnahmewillig, wird Kurspflege betrieben. Aber beliebig lange lässt sich das so nicht fortsetzen und ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Markt heiß gelaufen ist.
Im S&P 500, im Dow, ähnlich auch in anderen großen Aktienindices zeigen die Kursverläufe einen bullischen Fehlausbruch Anfang Mai, der "regelgerecht" korrigiert wurde. Aktuell besteht die Möglichkeit einer Bärenfalle - Ausdruck der enormen Schubkraft, die die Bullen bis zuletzt an den Tag gelegt haben. Der Treibstoff ist ihnen noch nicht ausgegangen - denkbar, dass jetzt versucht wird, in einer "running consolidation" ein Fundament für einen neuerlichen Ausbruch zulegen. Dabei kommt der Marke von 875 im S&P 500 entscheidende Bedeutung zu.
Hierzu muss allerdings die Seitenlinie mitspielen und ob das geschieht, muss sich anhand der Entwicklung der Marktbreite in Gestalt des TRIN (Chart!) erst noch zeigen. Ein wichtiges weiteres Indiz ist der VIX. Der Angstindex ist mit dem "Einzelhandels-Sell-off" punktgenau an die mehrfach wichtige Marke von 33,50 gestiegen und versucht, sich aktuell wieder nach unten abzusetzen. Gelingt das, wäre das bullisch zu werten. Insgesamt zeigt der VIX keine Anzeichen überschäumender Gier (Chart!), was ein starkes Zeichen für ein Ende der Bullphase wäre.
Die zyklischen Prognosemodelle der TimePatternAnalysis zeigen für Aktien eine Korrektur an, deren Potenzial im NDX bis etwa 1.250, im Dow bis herunter zu 7.500, im S&P 500 (Chart!) bis 800 und im DAX bis 4200 reicht. Zuletzt waren zyklische Bewegungen jedoch von linearen Strukturen überrannt worden, wie die fraktale Diagnose zeigt. Diese Situation ist noch gültig, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Die nächsten Tage müssen zeigen, ob der Markt tatsächlich schnell zu "normalem" zyklischen Verhalten zurückfindet und damit die anstehende zyklische Korrekturbewegung jetzt unmittelbar aktiviert wird. Die Chancen hierfür würde ich gegenwärtig bei 66 zu 33 Prozent ansiedeln.
TBonds waren zuletzt, passend zur Aufwärtsbewegung bei Aktienkursen, ausverkauft worden. In den vergangenen Tagen deutet sich eine Stabilisierung an. Nach der relativen Bewertung Aktien zu Treasuries (Chart!) sind Aktien zwar jetzt nicht mehr im Vorteil, aber für eine nachhaltige Rallye bei TBonds spricht gegenwärtig wenig. Die Fed setzt ihre Ankündigung um, TBonds zu kaufen. Scheint so, als sei momentan die Marke von 120 beim TBond-Future der "Interventions-Pegel" - entsprechend 4,3 Prozent bei den 30-jährigen und 3,3 Prozent bei den 10-jährigen Treasuries,
Brad Setser wies jüngst übrigens darauf hin, dass China sich zwar besorgt zeigt über die stark Dollar-lastige Zusammensetzung der eigenen Währungsreserven, aber nach wie vor als bedeutender Käufer von amerikanischen Treasuries auftritt. Dollar-Stütze?
Damit bleiben die langfristigen US-Zinsen erhöht, was einerseits einer konjunkturellen Erholung nicht förderlich ist, andererseits aber auch zeigt, dass Inflationserwartungen weiter "schlummern". Ein ausgeprägt deflationäres Szenario spielen die Finanzmärkte gegenwärtig jedenfalls nicht - aber eben auch kein ausgeprägt inflationäres.
Das Thema Inflation erhält heute neue Nahrung, wenn um 14:30 unserer Zeit die April-Daten zum CPI veröffentlicht werden. Erwartet wird ein Verbraucherpreisanstieg um 0,0 Prozent (März: Minus 0,1 Prozent), die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) mit einem Plus von 0,1 Prozent (März: Plus 0,2 Prozent). Wenn der CPI, insbesondere seine Kernrate, nur sehr geringe (keine) Preissteigerungstendenz zeigt, wäre das (insbesondere in Verbindung mit dem PPI) kein "Green Shot".
© Klaus G. Singer
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