Nun haben wir in Deutschland auch die gleichen Statistik-Methoden wie in den USA
21.04.2005 | Dr. Dietmar Siebholz
Meine Leser wissen, dass ich mich in den letzten Monaten sehr intensiv mit der Frage beschäftigt habe, ob von staatlichen Institutionen veröffentlichte Werte wie z.B. Veränderungen des Brutto-inlandsprodukts, Arbeitslosenanzahl und insbesondere Inflationsdaten überhaupt noch Aussagekraft haben, um dem unternehmerisch oder allgemeinwirtschaftlich Tätigen in Deutschland noch Trendhinweise und Entscheidungshilfen geben zu können.
Auch wenn es ein wenig arrogant erscheint, stelle ich hier provozierend die Frage, mit welcher Zielsetzung wir uns einen großen Stab von öffentlich-rechtlichen Statistikern leisten. Natürlich lautet die Antwort, dass diese Spezialisten der Regierung und den in der Wirtschaft Tätigen Grundlagen für wirtschaftliche Entscheidungen liefern, die außerordentlich bedeutsam sind. Aus den Werten bezüglich der erhofften aber insbesondere aus den erfolgten Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts und aus den Inflationsdaten werden wichtige Entscheidungen für die Politik und die Wirtschaft abgeleitet. Die Chance, aufgrund wichtiger aktueller Eckdaten richtige Entscheidungen zu fällen, setzt aber voraus, dass diese Werte korrekt und praxisorientiert ermittelt werden.
Nach dem intensiven Studium derartiger Veröffentlichungen in den USA und einigen Hinweisen schon im Jahre 2003 (als aus dem Bundeswirtschaftsministerium der Hinweis veröffentlicht wurde, man wolle im Rahmen der "europäischen Harmonisierung" veränderte Grundlagen für diese von den statistischen Ämtern ermittelten und veröffentlichten Werte schaffen), habe ich sehr interessiert die Presse verfolgt, ob und wie solche Änderungen aussehen werden. Nach den Vorankündigungen aus dem Jahre 2003 sind die Maßnahmen nun definiert. Am 30.03.2005 veröffentlichte das HANDELS-BLATT unter der Überschrift "Neue Statistik-Methode birgt viele Überraschungen" Hinweise, wie sich die Maßstäbe bei der Ermittlung wichtiger wirtschaftsstatistischer Werte verändern werden.
Kernsätze sind: "Die nominalen BIP-Zahlen werden in Zukunft auf ganz anderem Wege um die Inflation bereinigt", und "die methodischen Änderungen sind einschneidend", sowie "um langfristige Preisänderungen abzubilden, sind die jeweiligen Preisindices miteinander verkettet" und "der Vergleich mit der Vorjahrespreisbasis bildet die aktuellen Preis- und Konsumstrukturen deutlich besser ab als die alte Methode".
Wichtigster Hinweis ist jedoch der Satz: "Ein Unsicherheitsfaktor ist, wie stark sich der vermehrte Einsatz der so genannten hedonischen Preismessung auf Inflation und reales Wirtschaftswachstum auswirken."
Im Klartext: Durch Verkettung diverser Vorgaben, durch Einführung neuer und bisher nicht vorhandener Zusatzfaktoren und durch die Änderung des relativen Gewichts einfließender Informationen werden die neuen Daten nicht mehr mit den bisherigen sein. Wer also die Verkettung, die Auswahl und die Bemessung der Faktoren beherrscht, kann Einfluss auf das Ergebnis dieser statistischen Auswertungen in einem Masse nehmen, das über das bisherige hinausgeht.
Warum mache ich so viel Aufhebens um diese hedonische Preismessung und um andere Beeinflussungsfaktoren? Die Erkenntnisse aus den USA lehren uns, dass die "Auftraggeber" der Statistiken (also in der Regel Regierungen, Pressure-Groups, Lobbyisten und "unabhängige" Wirtschaftsberatungsunternehmen) gelegentlich daran interessiert sind, statistische Ergebnisse interpretationsfähig in ihrem Sinne zu gestalten, was in der Regel bei mathematisch festgelegten Ermittlungsmethoden schwer fällt. (Merke: Zwischen Nord- und Südpol und unabhängig von Sprachen ist die Gleichung 4 + 4 = 8 international gültig und unterliegt keinerlei Interpretationsmöglichkeiten).
Nicht so bei der Einbeziehung von hedonischen Zusatzfaktoren. Ein Beispiel - wenn auch nicht mit genau eruierten Zahlen - sind die Veröffentlichungen von US-Steigerungsraten beim Bruttosozialprodukt. Bei einem veröffentlichten Umsatz für EDV-Software von 16 Mrd. US-$ gingen diese Umsätze in die Berechung des BIP (in den USA. GNP) nach meinen Informationen mit dem Vierfachen ein, weil mit der damit veräußerten Software ein Mehrfaches an Softwareleistung verbunden war. (Beispiel: Ein PKW mit einer Leistung von 100 PS kostete im Jahre 2004 20.000 €; im Jahre 2005 kostet das leicht am Motor modifizierte Fahrzeug mit einer auf 120 PS erhöhten Leistung nunmehr 22.000 €. Für den Normalsterblichen hat sich der PKW-Preis zum Vorjahr schlicht um 10 % erhöht. Bei Ansatz hedonischer Preismessungsfaktoren - also der Einberechnung von Leistungsverbesserungen - würde sich der PKW-Preis im Jahre 2005 um 8,33% vermindert haben und diese Verminderung auch über den Warenkorb "Kraftfahrzeugkosten" in den Index einfließen.
Man kann nur die Möglichkeiten erahnen, die sich nun den Auftraggebern solcher Statistiken für die Amelioration ihrer Ergebnisse, sei es für die Lobpreisung der eigenen Wirtschaftspolitik, für die Besänftigung der Gewerkschaften bei der Lohnanpassungsfindung oder auch bei der Anpassung von staatlichen Leistungen (Sozialhilfe, Kindergeld, Renten, staatliche Zahlungen für angemietete Gebäude etc.) ergeben.
Die Hilfsmittel für eine Interpretation aller wichtiger Wirtschaftsdaten sind nunmehr europaweit geschaffen; ich bin gespannt, wie diese Informationsmittel nun eingesetzt werden.
Wie ich schon in einem Bericht im Jahre 2004 schrieb; "der misstrauische Bürger sollte besonders bei dem politischen Gebrauch des Wortes "Harmonisierung" aufmerksam werden, denn mit diesem Ausdruck soll eine im Prinzip unangenehme Veränderung bei uns mit Hinweis auf die Praxis in anderen Ländern angenehmer gestaltet werden. Das erinnert mich fatal an meine Schulzeit: Ausrutscher bei schulischen Leistungen konnte ich bei meinen Eltern immer mit der "Harmonisierung" - nämlich mit rechnerischem Bezug auf die anderen Mitschüler nach dem Motto relativieren "ja gut, eine VIER ist keine Ruhmestat, aber immerhin haben ja fünf andere Mitschüler ein FÜNF geschrieben und einer eine SECHS". Harmonisiert war also eine VIER ein erträgliches Resultat.
Meine US-Korrespondenzpartner sind - wenn sie regierungskritisch eingestellt sind - mit den Beeinflussungsfaktoren, die die Regierung in den USA einsetzt, nicht sehr glücklich. Uns sollte das so angenehme Wort "Harmonisierung" misstrauisch machen, denn nach der Harmonisierung der Berechnungsfaktoren und der Einführung von multiplikativen Änderungsfaktoren ist eine einfache und übersichtliche Vergleichsermittlung zur Vorbereitung wirtschaftlich wichtiger Entscheidungen kaum noch möglich, es sei denn, man kennt die Einzeldaten der angewendeten Verstellmechanismen.
Und dass diese Mechanismen genutzt werden - allein schon aus der Tatsache heraus, dass einige wichtige staatliche Ausgaben direkt oder indirekt inflationsgekoppelt sind - steht wohl außer Zweifel. Die neuen harmonisierten Statistik-Methoden können somit ausgabendämpfend (oder vom Standpunkt des Bürgers aus gesehen: Einnahmenmindernd) eingesetzt werden; dafür werden sie ja wohl auch geschaffen worden sein.
Mal sehen, ob es jemanden gibt, der mir die Vorteile dieser neuen Berechnungsmethoden für den Normalsterblichen nachweisen kann. Ich warte auf Ihre Antwort.
© Dietmar Siebholz
Auch wenn es ein wenig arrogant erscheint, stelle ich hier provozierend die Frage, mit welcher Zielsetzung wir uns einen großen Stab von öffentlich-rechtlichen Statistikern leisten. Natürlich lautet die Antwort, dass diese Spezialisten der Regierung und den in der Wirtschaft Tätigen Grundlagen für wirtschaftliche Entscheidungen liefern, die außerordentlich bedeutsam sind. Aus den Werten bezüglich der erhofften aber insbesondere aus den erfolgten Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts und aus den Inflationsdaten werden wichtige Entscheidungen für die Politik und die Wirtschaft abgeleitet. Die Chance, aufgrund wichtiger aktueller Eckdaten richtige Entscheidungen zu fällen, setzt aber voraus, dass diese Werte korrekt und praxisorientiert ermittelt werden.
Nach dem intensiven Studium derartiger Veröffentlichungen in den USA und einigen Hinweisen schon im Jahre 2003 (als aus dem Bundeswirtschaftsministerium der Hinweis veröffentlicht wurde, man wolle im Rahmen der "europäischen Harmonisierung" veränderte Grundlagen für diese von den statistischen Ämtern ermittelten und veröffentlichten Werte schaffen), habe ich sehr interessiert die Presse verfolgt, ob und wie solche Änderungen aussehen werden. Nach den Vorankündigungen aus dem Jahre 2003 sind die Maßnahmen nun definiert. Am 30.03.2005 veröffentlichte das HANDELS-BLATT unter der Überschrift "Neue Statistik-Methode birgt viele Überraschungen" Hinweise, wie sich die Maßstäbe bei der Ermittlung wichtiger wirtschaftsstatistischer Werte verändern werden.
Kernsätze sind: "Die nominalen BIP-Zahlen werden in Zukunft auf ganz anderem Wege um die Inflation bereinigt", und "die methodischen Änderungen sind einschneidend", sowie "um langfristige Preisänderungen abzubilden, sind die jeweiligen Preisindices miteinander verkettet" und "der Vergleich mit der Vorjahrespreisbasis bildet die aktuellen Preis- und Konsumstrukturen deutlich besser ab als die alte Methode".
Wichtigster Hinweis ist jedoch der Satz: "Ein Unsicherheitsfaktor ist, wie stark sich der vermehrte Einsatz der so genannten hedonischen Preismessung auf Inflation und reales Wirtschaftswachstum auswirken."
Im Klartext: Durch Verkettung diverser Vorgaben, durch Einführung neuer und bisher nicht vorhandener Zusatzfaktoren und durch die Änderung des relativen Gewichts einfließender Informationen werden die neuen Daten nicht mehr mit den bisherigen sein. Wer also die Verkettung, die Auswahl und die Bemessung der Faktoren beherrscht, kann Einfluss auf das Ergebnis dieser statistischen Auswertungen in einem Masse nehmen, das über das bisherige hinausgeht.
Warum mache ich so viel Aufhebens um diese hedonische Preismessung und um andere Beeinflussungsfaktoren? Die Erkenntnisse aus den USA lehren uns, dass die "Auftraggeber" der Statistiken (also in der Regel Regierungen, Pressure-Groups, Lobbyisten und "unabhängige" Wirtschaftsberatungsunternehmen) gelegentlich daran interessiert sind, statistische Ergebnisse interpretationsfähig in ihrem Sinne zu gestalten, was in der Regel bei mathematisch festgelegten Ermittlungsmethoden schwer fällt. (Merke: Zwischen Nord- und Südpol und unabhängig von Sprachen ist die Gleichung 4 + 4 = 8 international gültig und unterliegt keinerlei Interpretationsmöglichkeiten).
Nicht so bei der Einbeziehung von hedonischen Zusatzfaktoren. Ein Beispiel - wenn auch nicht mit genau eruierten Zahlen - sind die Veröffentlichungen von US-Steigerungsraten beim Bruttosozialprodukt. Bei einem veröffentlichten Umsatz für EDV-Software von 16 Mrd. US-$ gingen diese Umsätze in die Berechung des BIP (in den USA. GNP) nach meinen Informationen mit dem Vierfachen ein, weil mit der damit veräußerten Software ein Mehrfaches an Softwareleistung verbunden war. (Beispiel: Ein PKW mit einer Leistung von 100 PS kostete im Jahre 2004 20.000 €; im Jahre 2005 kostet das leicht am Motor modifizierte Fahrzeug mit einer auf 120 PS erhöhten Leistung nunmehr 22.000 €. Für den Normalsterblichen hat sich der PKW-Preis zum Vorjahr schlicht um 10 % erhöht. Bei Ansatz hedonischer Preismessungsfaktoren - also der Einberechnung von Leistungsverbesserungen - würde sich der PKW-Preis im Jahre 2005 um 8,33% vermindert haben und diese Verminderung auch über den Warenkorb "Kraftfahrzeugkosten" in den Index einfließen.
Man kann nur die Möglichkeiten erahnen, die sich nun den Auftraggebern solcher Statistiken für die Amelioration ihrer Ergebnisse, sei es für die Lobpreisung der eigenen Wirtschaftspolitik, für die Besänftigung der Gewerkschaften bei der Lohnanpassungsfindung oder auch bei der Anpassung von staatlichen Leistungen (Sozialhilfe, Kindergeld, Renten, staatliche Zahlungen für angemietete Gebäude etc.) ergeben.
Die Hilfsmittel für eine Interpretation aller wichtiger Wirtschaftsdaten sind nunmehr europaweit geschaffen; ich bin gespannt, wie diese Informationsmittel nun eingesetzt werden.
Wie ich schon in einem Bericht im Jahre 2004 schrieb; "der misstrauische Bürger sollte besonders bei dem politischen Gebrauch des Wortes "Harmonisierung" aufmerksam werden, denn mit diesem Ausdruck soll eine im Prinzip unangenehme Veränderung bei uns mit Hinweis auf die Praxis in anderen Ländern angenehmer gestaltet werden. Das erinnert mich fatal an meine Schulzeit: Ausrutscher bei schulischen Leistungen konnte ich bei meinen Eltern immer mit der "Harmonisierung" - nämlich mit rechnerischem Bezug auf die anderen Mitschüler nach dem Motto relativieren "ja gut, eine VIER ist keine Ruhmestat, aber immerhin haben ja fünf andere Mitschüler ein FÜNF geschrieben und einer eine SECHS". Harmonisiert war also eine VIER ein erträgliches Resultat.
Meine US-Korrespondenzpartner sind - wenn sie regierungskritisch eingestellt sind - mit den Beeinflussungsfaktoren, die die Regierung in den USA einsetzt, nicht sehr glücklich. Uns sollte das so angenehme Wort "Harmonisierung" misstrauisch machen, denn nach der Harmonisierung der Berechnungsfaktoren und der Einführung von multiplikativen Änderungsfaktoren ist eine einfache und übersichtliche Vergleichsermittlung zur Vorbereitung wirtschaftlich wichtiger Entscheidungen kaum noch möglich, es sei denn, man kennt die Einzeldaten der angewendeten Verstellmechanismen.
Und dass diese Mechanismen genutzt werden - allein schon aus der Tatsache heraus, dass einige wichtige staatliche Ausgaben direkt oder indirekt inflationsgekoppelt sind - steht wohl außer Zweifel. Die neuen harmonisierten Statistik-Methoden können somit ausgabendämpfend (oder vom Standpunkt des Bürgers aus gesehen: Einnahmenmindernd) eingesetzt werden; dafür werden sie ja wohl auch geschaffen worden sein.
Mal sehen, ob es jemanden gibt, der mir die Vorteile dieser neuen Berechnungsmethoden für den Normalsterblichen nachweisen kann. Ich warte auf Ihre Antwort.
© Dietmar Siebholz