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Inflation - das Trojanische Pferd?

10.11.1999  |  Christian Fürst
- Seite 2 -
2. Deflationsgefahr: Die spekulative Blase am Amerikanischen Aktienmarkt

Kaum jemand wird bestreiten, dass sich das gegenwärtige Bewertungsniveau Amerikanischer Aktien auf einem historisch einmalig hohen Niveau befindet. Um den Vorwurf einer "spekulativen Blase" rechtfertigen zu können, bedarf es jedoch trotzdem mehr als blosser Wortspiele - dessen bin ich mir bewusst. Denn hohe Kurs/Gewinn-Verhältnisse alleine reichen nicht aus um eine reale volkswirtschaftliche Gefahr darzustellen.

Als erstes ist es nötig, sich über das momentane fundamentale Umfeld in Kenntnis zu setzen...

Die Schätzungen der durchschnittlichen annuallisierten Gewinnzuwächse der nächsten fünf Jahre belaufen sich zur Zeit auf extrem hohe 15 Prozent. Die Analysten gehen für das Jahr 2000 im Konsens sogar von einem 16.5%-Zuwachs aus. Kombiniert man diese - zum Teil gerechtfertigte - Wachstumsdynamik mit der gegenwärtigen Preisentwicklungssituation wird schnell ersichtlich, dass die bestimmenden Faktoren eindeutig die momentane Bewertungslage unterstützen.

Allerdings muss man aus den euphorischen Zukunftserwartungen auch ableiten, dass die US-Aktienmärkte eine Perfektion vorweg nehmen, die nur sehr schwer erreicht werden kann und deshalb umso anfälliger auf Enttäuschungen ist. Entscheidend wird somit sein, ob die weiter oben beschriebenen progressiven Produktivitätssteigerungen in erforderlichem Masse möglich sein werden.

Angesichts der momentan eher wieder restriktiveren Geldpolitik und steigenden Rohstoffpreisen, wird es immer schwieriger die benötigten Produktivitätssteigerungen in benötigtem Umfang gewährleisten zu können. Der gegenwärtige Konsolidierungsprozess in allen Bereichen der Industrie zeugt hierbei von dem enormen Druck auf der Kostenseite. Somit erachte ich es als unwahrscheinlich, dass die aktuellen Gewinnwachstumsprognosen in erwartetem Ausmass erreicht werden können. Aus diesem Grund ist es auch mehr als Wahrscheinlich, dass die momentan eindeutig überhöhten Aktien-Bewertungsniveaus auf sehr absehbare Zeit korrigiert werden.

"Ja, und?" werden Sie sagen. Korrekturen standen in der Historie der Aktienmärkte an der Tagesordnung. Deshalb bedeutet dies noch lange nicht, dass darin eine Deflationsgefahr liegen muss - und schon gar nicht eine Beendigung der gegenwärtigen Hausse.

Die potentielle deflationäre Gefahr liegt nun nicht in der hohen Bewertung an sich, sondern - etwas abstrakt formuliert - in der Abhängigkeit der Amerikanischen Volkswirtschaft diese immens hoch gesetzten Zukunfterwartungen erreichen zu müssen. Diese Erkenntnis lässt sich erreichen durch einen Blick auf die Entwicklung der US-Sparquote(Personal Savings Rate). Diese sank in den letzten zehn Jahren von +5% bedrohlich rasch in den negativen Bereich, während die Netto-Zuflüsse in Aktienfonds zur selben Zeit in Dimensionen vorstiessen, die selbst im Sommer 1987 nicht mehr als Fünftel der derzeitigen monatlichen Multi-Billionenbeträge betrugen.

Und darin besteht auch die eigentliche Rechtfertigung, die derzeitigen Kursniveaus als spekulativ überhöht zu bezeichnen. Die Spekulation besteht nämlich darin, dass Staat, Unternehmen und Private Haushalte zunehmend Risikokapital an den Finanzmärkten aufnehmen in der Hoffnung, dieses zu einem späteren Zeitpunkt mit erzielten Kursgewinnen zurückzahlen zu können.


Was wird zuerst sein - das Ei oder das Huhn?

Die Frage könnte auch etwa so lauten: Werden zuerst die Aktienkurse fallen, oder kommt es erst zu Produktivitätseinbrüchen?

Nun, es wird rasch klar, dass zwischen der Konsumentenstimmung in Übersee und der mehrjährigen extremen Aufwärtsbewegung von Aktienindices eine enge Wechselwirkung besteht. Deshalb wird es auch schwer sein, die extatische Stimmung an der Börse durch externe Einflüsse wesentlich aus der Fassung zu bringen, solange sich die Produktivität der Amerikanischen Wirtschaft weiterhin progressiv stabil nach oben entwickelt. Allerdings dürfte es auch nur sehr schwer möglich sein ein Produktivitätsabschwung zu erleben, der von steigender Konsumentenstimmung und rekordhohen Aktienständen begleitet wird.

Deshalb wird es erst zu signifikanten Kursverlusten kommen müssen, bevor die deflationäre Spirale in Gang treten kann. Denn wie heisst es so schön?... "Aufschwung beginnt im Kopf." ... und genau so verhält es sich auch mit dem Abschwung.


Das Trojanische Pferd als Auslöser des Stimmungswandels?

Die Initialzündung der Deflation wird mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit täuschend echt in einer Verkleidung daherkommen, die wir heute als Inflationsgefahr bezeichnen.

Meiner Meinung nach wird sich die Amerikanische Notenbank in den nächsten Wochen von der Inflationsseite her - groteskerweise - zunehmend gezwungen sehen, die Geldpolitik zu straffen. Infolge dieser Massnahmen dürfte es (mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung) zu ersten feststellbaren Produktivitätseinbussen kommen - auch verursacht durch sinkende Aktienkurse und begleitend schwächerem Konsumentenvertrauen.

Vielleicht wird aber auch der Faktor Zufall eine entscheidende Rolle spielen wollen wenn es darum geht, Aktienkurse korrigieren zu lassen.

Der Lauf der Dinge dürfte aber auch diesmal wieder einmal klar machen, dass Aufschwung und Abschwung nicht ohne einander auskommen können. Das eine setzt das andere voraus...


© Christian Fürst



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