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Anomalien und ein Perpetuum Mobile

27.06.2009  |  Klaus Singer
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Angesichts der bescheidenen wirtschaftlichen Erholungsaussichten fragt sich, woher die Höherbewertung bei den Rohstoffpreisen überhaupt kommt. Immer wieder wird auf die Spekulation verwiesen. Die ist jedoch kein eigenständiger Faktor, sondern lediglich (in beide Richtungen) verstärkendes Element. Die Ursache dürfte vor allem in China zu suchen sein. Das Land tritt seit Monaten als starker Käufer von Rohstoffen auf und bringt so seine hauptsächlich in Dollar notierenden Devisenreserven "unters Volk".

Die Anleihemärkte sind strategisch immer noch zu hoch bewertet. Wenn weiteres Kapital aus diesem Segment abgezogen wird, treibt das die Zinsen v.a. am langen Ende hoch. Allein in diesem Jahr will die US-Regierung zwei Bill. Dollar mit dem Verkauf von Treasuries erzielen, um damit die diversen Konjunktur- und andere Hilfsprogramme zu finanzieren. Das ist nur möglich, wenn die Renditen deutlich steigen. Das aber ist, nicht zuletzt durch die davon tendenziell ebenfalls betroffenen Hypothekenzinsen, eine schlechte Nachricht für das ohnehin dünne wirtschaftliche Erholungspotenzial.

Überdies kann man getrost bezweifeln, ob der amerikanische Staat jemals in der Lage sein wird, seine Schulden zurückzuzahlen. Kann gut sein, dass er das sowieso nicht ernsthaft in Erwägung zieht. Dann aber kommt in nicht allzu ferner Zukunft der Punkt, wo alle Akteure in Panik aus allem flieht, was mit Anleihen zu tun hat und ein verrückter Run auf dingliche Werte einsetzt. Dann dürften z.B. Aktien noch extremer bewertet werden, aber das interessiert dann erst einmal niemanden mehr. Die MZM-Präferenz ist in diesem Zusammenhang Ausdruck einer zeitweiligen Lauerstellung.

Damit keine falschen Hoffnungen aufkommen: In Europa sieht es keineswegs besser aus. Wir laufen nur der Entwicklung in den USA mit der üblichen Verzögerung von sechs bis neun Monaten hinterher. Warum wohl hat die EZB am Mittwoch dieser Woche über ein 12 Monate laufendes Repo-Geschäft mehr als 440 Mrd. Euro zu einem Prozent Zinsen in die Märkte gepumpt? Um Vorsorge zu treffen? Ja. Um die Spekulation anzuheizen? Ja.

Dazu passt die Wortmeldung von Alan Greenspan in der FT: Die Aktienrallye zwischen März und Mitte Juni habe die Unternehmenswerte um rund 12 Bill. Dollar steigen lassen. Aktienkursen käme eine größere Bedeutung zu als allgemein gedacht, sie seien nicht nur ein Indikator für Geschäftsaktivitäten, sondern in ihrem Wirken durch die Bilanzen hindurch auch eine bedeutende Triebkraft hierfür. Das sei der Hauptgrund für die green shoots der vergangenen Monate gewesen. In der Tat, laut James Hamilton auf Econbrowser laufen die "leading indicators" besser als die Realwirtschaft. Dabei haben die positiven Beiträge von Aktienkursen und Zinsspreads den Ausschlag gegeben.

Genau auf diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus setzen Finanzpolitik und Zentralbanken. Dieser Mechanismus kann aber nur durch zusätzliche Verschuldung angestoßen werden. Was eine neue Schuldenblase für die Zukunft bedeutet, erleben wir gerade. Haben Sie schon einmal jemanden gesehen, der sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht? Dazu braucht man schon ein Perpetuum Mobile.

Zu den Märkten: Wie erwartet beherrscht Window-Dressing zum Quartalsende das Bild im Aktiengeschäft. Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Analyse der Volumenverteilung jetzt wieder Akkumulation zeigt (Chart!). Eine bullische Lebensversicherung ist das aber nicht. Häufig reicht in einer solchen Situation ein kleiner Anlass, der die ersten mit ihren Gewinnen zum Ausgang schleichen lässt. Wenn weitere folgen, kommt schnell Gedrängel auf.

Unter zyklischen Gesichtpunkten ist eine Korrektur mehr als überfällig. Daher liegt es nahe, dass in den ersten Wochen des neuen Quartals der Verkaufsdruck steigt.

Eine ordentliche Korrektur käme denen entgegen, die unterinvestiert sind, aber entweder fest an eine wirtschaftliche Erholung oder an das genaue Gegenteil glauben. Wenn aber der Druck der Herde zu groß wird, springen sie vorzeitig auf den fahrenden Zug auf und warten nicht in Ruhe auf dem Bahnsteig, bis der Zug hält. Das verhindert eine Korrektur nicht, schiebt sie aber hinaus - zum Preis, dass sie dann umso heftiger ausfällt. Möglicherweise droht uns daher wieder ein heißer Herbst.

Erwähnte Charts können über diesen Artikel auf www.timepatternanalysis.de eingesehen werden (Texte).


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de






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