Die Optionen der Schuldenmacher - Die Währungsreform 1948
17.06.2002 | Wal Buchenberg
- Seite 2 -
Aber sehen wir, was zur Behebung der inflationären Überschuldung in Deutschland vorgeschlagen wurde:1.) Freigabe der Preise (P), was auch die Löhne und die Wechselkurse in Bewegung gebracht hätte;
Dadurch wäre die bisher verborgene Inflation nur sichtbar geworden. Dieses Rezept war nach dem ersten Weltkrieg eingeschlagen worden. Das hieß Enteignung der Geldbesitzer durch die "Marktkräfte".
2.) Verringerung des Geldvermögens (G);
Sprich: Die sofortige und gezielte Enteignung der Geldbesitzer durch Regierungshandeln.
3.) Senkung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (U).
Sprich: eine Fortsetzung der bisherigen Geldpolitik: Einfrieren der Geldguthaben, das Verschieben vor Forderungen. Das ist die schleichende Enteignung durch Regierungshandeln. Das ist das Rezept, das IWF, Weltbank, die großen Notenbanken und Regierungen heute favorisieren und überall dort anwenden, wo - wie in Japan und Argentinien - die Überschuldungskrise akut wird.
Alle drei Methoden laufen auf die (teilweise) Enteignung der Geldbesitzer hinaus, nur die Wege und das Tempo dorthin unterscheiden sich.
Die Methode (1) wurde nur in wenigen Entwürfen zur Währungsreform empfohlen und von den mit der Durchführung der Sanierungsaufgaben betrauten Stellen - "Stellen", die mit der Enteignung betraut sind? Auch das ist "wissenschaftliche" Beschönigung: Die Verantwortung von Menschen(klassen) wird vertuscht. - niemals ernstlich erwogen. Die Öffnung der Schleusen des Preisstops und der Rationierung hätte selbst unter Beibehaltung von festen Wechselkursen und Devisenbewirtschaftung ökonomische Folgen und Vermögensverschiebungen mit sich gebracht, die man nicht in Kauf nehmen wollte. Wieder eine Lüge: Man wollte keine "Vermögungsverschiebungen in Kauf nehmen"? Die Geldvermögen waren nur noch nominell. Sie mussten vernichtet, enteignet werden. Aber eine Enteignung über "Marktkräfte" ist nicht steuerbar. Den "Stellen" ist eine gesteuerte Enteignung lieber. Da können sie die Interessen ihrer kapitalistischen Auftraggeber besser schützen.
Auch konnte man nicht sicher sein, ob eine offen zugelassene Preisinflation an einem bestimmten Punkt zum Stehen gekommen wäre, ob die Bevölkerung wieder Vertrauen zum Geld gewonnen hätte, ob die Hortungslager tatsächlich aufgelöst worden wären und ob nicht spekulative Verschuldungen der Wirtschaft dauernde Lohn- und Preiserhöhungen begünstigt hätten. Immerhin wäre denkbar gewesen, durch scharfe Kontrolle des Kreditvolumens die Stabilisierung zu erreichen und durch geeignete steuerliche Mittel einen Teil der Inflationsgewinne abzuschöpfen. Zweifellos wären jedoch Personen mit einem hohen im Schwarz- und Schleichhandel erworbenen Bargeldbesitz begünstigt worden. Ja ja, die Schwarz- und Schleichhändler waren das Problem, nicht die Rüstungsindustriellen, nicht die Zwangsarbeiterbetriebe, nicht die Heereszulieferer und Kriegsgewinnler, nicht Speer & Hitler, die das Vermögen schneller verpulverten als es geschaffen werden konnte.
Für den Weg (2), die Reduzierung des Geldvermögens, boten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an
(a) Steuerliche Abschöpfung des Geldüberhanges durch eine einmalige schnellwirkende Vermögensabgabe;
(b) Kraftloserklärung eines Teils des Geldvermögens.
Nach der Methode (a) hätten Sach- und Geldvermögen gleich behandelt werden können; damit wäre zugleich das Problem des Lastenausgleichs gelöst worden. Erhebliche Schwierigkeiten hätte die Frage der Bemessungsgrundlage bereitet. Die "Frage der Bemessungsgrundlage" ist nur eine Teppichhändlerfrage. Es ist ein zarter Hinweis darauf, dass die Kapitalisten nicht zur Schuldentilgung beitragen wollten. Voraussetzung für eine steuerliche Abschöpfung wäre gewesen, daß der Staat die eingenommenen Mittel vernichtet hätte. In einem von Paul Binder bereits 1945 vorgelegten Plan war vorgesehen, das gesamte Geldvermögen auf dem Wege einer gesetzlichen Schuldenherabsetzung um 70% zu reduzieren und das Sachvermögen mit einer Zwangshypothek von 70% zu belasten. Das hätte immerhin einen Teil des Kapitalvermögens zur Schuldenreduzierung herangezogen. Statt dessen ging man den "Weg des geringsten Widerstands". Die Kleinen wurden enteignet, die Großen ließ man laufen.
Vor eingehenderer Betrachtung der Methode (b), der Kraftloserklärung eines Teils des Geldvermögens, nach der schließlich die Reform im wesentlichen gestaltet wurde, erläutern wir noch kurz den unter (3) genannten Weg einer Herbeiführung des Gleichgewichts durch Senkung der Umlaufsgeschwindigkeit. Wieder eine sehr wissenschaftlich-blumige Umschreibung für die Enteignung der Geldbesitzer!
War die Bevölkerung durch den Preis- und Lohnstop und durch die Bewirtschaftungsmaßnahmen indirekt gezwungen, Bargeld zu horten oder den Banken als Einlagen zu übergeben, so hätten nunmehr erhebliche Teile des Geldvermögens rechtlich und faktisch blockiert werden müssen. Das ist der "Entschuldungsweg" d.h. der Enteignungsweg, den Argentinien heute geht. Verschiedene Reformpläne, so das "Detmolder Memorandum" vom November 1945 (verfaßt von Finanzreferenten aus der. britischen Besatzungszone), Vorschläge der Volkswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Bayern (auf Initiative von Adolf Weber in München), der Plan "G" der Gewerkschaften von 1946 sowie der Plan, der im April 1946 von der vom Finanzausschuß des Länderrats der amerikanischen Besatzungszone beauftragten Sachverständigenkommission vorgelegt wurde, sahen eine solche Blockierung des Geldvermögens vor. Unterschiedlich waren dabei die Meinungen über die Höhe der stillzulegenden Mittel. Immerhin bekommen wenigstens ein paar "Stellen" jetzt Gesichter und Namen. Interessant, dass die Gewerkschaftsführer bei der kalten Enteignung der Privatvermögen mitwirken wollten - wohl nach der Devise: Enteignen wir nicht die Großen, dann halt die Kleinen! Aber enteignet wird!
Eine sehr umstrittene Frage war, was mit den auf Sperrkonto eingezahlten Beträgen geschehen sollte, in welchem Umfang und innerhalb welches Zeitraums sie wieder zu aktivem Geld gemacht werden sollten. Dabei war denkbar eine Kombination der Wege (2) und (2) und (3), also eine Blockierung des Geldvermögens und nachträgliche Vernichtung eines Teils der gesperrten Beträge und (oder) eine Zusammenfassung für die Zwecke des Lastenausgleichs. In dieser Richtung lagen auch Vorschläge des "Homburger Planes", der von der "Sonderstelle Geld und Kredit", einer von der deutschen Verwaltung eingesetzten Sachverständigengruppe, vorgelegt worden war. Schließlich enthielt aber auch die von der Militärregierung ausgearbeitete Reform eine Verbindung der Wege (2) und (3), allerdings ohne den Lastenausgleich zu regeln.
Die deutschen Stellen besaßen keine Zuständigkeit für eine gesetzliche Währungsreform. Anderseits zeigte sich, daß nicht alle vier Besatzungsmächte Übereinstimmung erzielen konnten. So entschlossen sich schließlich die drei Westmächte, in ihren Zonen unabhängig von dem von der Sowjetunion besetzten Gebiet die Reform durchzuführen.
Stichtag der Währungsreform war der 21.6.1948. Gleichlautende Gesetze der amerikanischen, britischen und französischen Militärregierung bildeten die rechtliche Grundlage:
1. Das erste Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) enthielt die grundlegenden Vorschriften über die Anmeldung und Ablieferung von Altgeld und über die Erstausstattung mit neuem Geld.
2. Das zweite Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) verlieh der Bank deutscher Länder das Notenausgaberecht und enthielt Bestimmungen über Mindestreserven.
3. Im dritten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) wurden Bestimmungen getroffen über die Überleitung von Verbindlichkeiten in alter Währung in die neue Währung und über die Ausstattung der Kreditinstitute, Versicherungen und Bausparkassen mit Ausgleichsforderungen.
4. Das vierte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Festkontogesetz) regelte endgültig die Höhe der aus Guthaben in alter Währung entstandenen Guthaben in neuer Währung, eine Frage, die im Währungsgesetz nur unter Vorbehalt behandelt worden war.
Eine Fülle von Ergänzungs- und Durchführungsverordnungen schloß sich an diese vier Gesetze an. Sie wurden im allgemeinen von der bei der Bank deutscher Länder errichteten Währungsabteilung vorbereitet und von der Alliierten Bankkommission erlassen. In ihnen wurden auch zahlreiche Ergänzungen und Verbesserungen der ursprünglichen Bestimmungen vorgenommen.
Nach § 1 des Währungsgesetzes galt seit dem 21.6.1948 an Stelle der früheren (Reichsmark-) Währung die Deutsche-Mark-Währung. In Übereinstimmung mit § 1 des Emissionsgesetzes wurde die Bank deutscher Länder Emittentin aller auf die neue Währung lautenden gesetzlichen Zahlungsmittel, sowohl der auf Markbeträge lautenden Noten, als auch der auf Pfennigbeträge lautenden Kleingeldzeichen (Noten und Münzen). Die umlaufenden Noten und Münzen sollten den Betrag von 10 Mrd. DM nicht übersteigen (§ 5 Abs. 1 des Emissionsgesetzes). Dieser Betrag durfte nur überschritten werden, wenn mindestens drei Viertel der Mitglieder des Zentralbankrates und mindestens sechs Länder zustimmten.
Die Anknüpfung der neuen Währung an die alte bestand darin, daß gemäß § 2 des Währungsgesetzes in allen Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsakten und Rechtsgeschäften die Rechnungseinheiten Reichsmark, Goldmark oder Rentenmark durch die Rechnungseinheit Deutsche Mark (im Verhältnis 1:1) ersetzt wurden - Damit wurden alle finanziellen Ansprüche des Hitlerstaates, alle Steuergesetze und Gebührenordnungen 1 : 1 vom deutschen Nachfolgestaat übernommen. - mit Ausnahme bestimmter Fälle, für welche das Gesetz sich Sondervorschriften vorbehielt. Diese Ausnahmefälle machten den Kern der Währungsreform aus. Das waren die Punkte, wo der Staat und Großunternehmen als Schuldner aufgetreten waren. Diese Schulden wurden gestrichen. So wurde die Umstellung in folgender Weise bemessen: