Eine kritische Analyse populärer Deflationsmythen
10.08.2009 | Manfred Zimmel
Für den Investor gibt es zur Zeit keine wichtigere Grundsatzentscheidung als Deflation oder Inflation. Hier möchte ich einen Artikel vom November 2008 aktualisieren, indem ich John Mauldins Rundbrief "Outside the Box" vom 06.07.2009 in der Luft zerreiße, wo Mauldin einen Gastautor namens Niels Jensen zu Wort kommen läßt.
Vorbemerkung: Mit 1 Million Lesern ist "Outside the Box" vermutlich die auflagenstärkste elektronische Publikation mit Schwerpunkt Fundamentanalyse. Der gesunde Menschenverstand und die konträre Analyse sagen uns: Quantität und Qualität gehen nur bis zu einem gewissen Grade zusammen in den Finanzmärkten. Grund: der Handel mit Futures, Optionen usw. ist ein Nullsummenspiel, was der eine gewinnt, muß der andere verlieren. Phänomenologisch-teleologisch könnte man sogar behaupten, der "Sinn" der Finanzmärkte ist es, die Marktteilnehmer um ihr Geld zu bringen. Diese Überlegungen gelten natürlich auch für den vorliegenden Amanita-Newsletter: wenn die Auflage auf das 10-100fache steigt, dann braucht man ihn nicht mehr lesen.
Zitat (1) (Eingangszitat): "You can't beat deflation in a credit-based system." Robert Prechter
Widerlegung: Daß der Artikel von Jensen mit Bob Prechter beginnt, ist schon mal ein ganz böses Omen. Prechters Depot versenkte durch Permanentshorten seit 1987 mehr als 95% (!) des Depots, was nach Adam Riese mehr als 2.000% Gewinn erfordert, bloß um wieder zum Einstandswert zurückzukommen (dies wird in der Realität fast nie erreicht). EWI ist ohnehin mehr eine Deflationssekte als ein Börsendienst. Prechter hatte erstaunlicherweise zuerst die Hausse ab 1982 richtig vorhergesehen und dann den Crash 1987, was seinen Börsenbrief zu den auflagenstärksten der Welt pushte. Wenig verwunderlich war Prechters Dienst ab dem Zeitpunkt der explodierenden Auflagen die wohl die effizienteste Geldvernichtungsmaschine auf dem Planeten, jeder dartpfeilschießende Affe war ein besserer Börsenratgeber.
Zitat (2): But what actually happens when credit is destroyed at a faster rate than our central banks can print money?
Widerlegung: Halleluja, wahrlich ich sage Euch: das könnte nicht falscher sein. In einem Fiat Money-System können die Zentralbanken via Bilanzverlängerung beliebig viel Geld drucken (wenn sie wollen), z.B. von einer Minute auf die andere 1000 Billionen.
Zitat (3): Another lesson learned from Japan is that once you get caught up in a deflationary spiral, it is exceedingly hard to escape from its grip. The Japanese authorities have used every trick in the book to reflate the economy over the past two decades.
Widerlegung: Arghhh $!"%&/!!°=&!!! Die signifikante Maßnahme der Japaner war das Hochfahren der Staatsverschuldung und das Exportieren von Liquidität und Inflation über den Carry-Trade, das ist aber Lichtjahre davon entfernt, "jeden Trick" anzuwenden. Was aber in den 1980er Jahren in Japan sehr wohl getan wurde (weil es so leicht geht), ist das Frisieren der Statistiken angesichts der stark steigenden Inflation, z.B. wurden die explodierenden Mieten aus der Inflationsberechnung entfernt. In allen großen Ländern werden die Inflationszahlen getürkt, Daumen mal Pi würde ich die offizielle japanische Inflationsrate um 2% (vielleicht aber auch mehr) korrigieren. Daher existiert die vieldiskutierte japanische Deflation gar nicht, da die offiziellen Zahlen kaum mehr als 1% Deflation auswiesen! Japan hat schon lange Preisstabilität, das beste, was einem passieren kann.
Wozu sollte auch "jeder Trick" angewandt werden, Inflation ist ja kein Selbstzweck, es läuft ja alles recht gut. Japan steht immer noch in fast jeder Hinsicht viel besser da als die Inflationsländer: Japan hat nur 5% Arbeitslose (USA 20% laut shadowstats.com), ist politisch stabil und exportstark, hat wenig Kriminalität usw. Preisstabilität wie in Japan ist ein Zeichen von Stärke, Inflation ein Zeichen von Schwäche. Schauen Sie sich um am Globus: je schlechter und instabiler die politisch-ökonomisch-soziale Lage, desto höher die Inflation im Schnitt. Inflation ist die Krankheit, Deflation die Heilung!
Die Begriffe Deflation und Inflation werden leider inflationär verwendet, z.B. wenn der Preis für ein Produkt fällt, wird das schon manches Mal als Deflation bezeichnet. Deflation definiere ich im engeren Sinne als ein strukturelles und länger anhaltendes makroökonomisches Phänomen (d.h. für eine gesamte Volkswirtschaft), jenseits der statistischen Ungenauigkeit der Inflationsmessung von mindestens +/- 1% - und natürlich jenseits der statistischen Tricks. Die 4 Hauptkriterien für eine saubere Definition, die die grassierende Deflationspropaganda übersieht:
(1) Gesamtbetrachtung aller Güter einer Volkswirtschaft
(2) signifikant (jenseits von +/- 1%): auch in den Märkten nehme ich +/- 1% als nicht-signifikant an, d.h. 2 Hochs oder Tiefs binnen +/- 1% gelten in meiner Arbeit als gleichwertig ohne signifikanten Unterschied. Aus Gründen, deren Erörterung zu weit führen würde, gaukelt eine auf Zehntelprozent angegebene Inflation eine Genauigkeit vor, die es in der Praxis nicht gibt.
(3) Herausrechnen der statistischen Manipulationen: z.B. ist die echte US-Inflation mindestens 7-8% höher als die offizielle
(4) längeres Anhalten: um kurzfristige bedeutungslose Schwankungen herauszufiltern. Beispiel Hyperinflation Deutschland 1914-23, wo im Laufe der Zeit 10 Nullen angehängt wurden: auch hier gab es immer wieder kurze schwach deflationäre Perioden, die in der Gesamtbetrachtung der Hyperinflation vollkommen bedeutungslos waren, die letzte fand noch Anfang 1923 statt (Link).
Mit dieser "sauberen" Definition gibt es keine Deflation, außer in den Köpfen von schlecht informierten Zeitgenossen und den Deflationsgurus. Selbst der geschönte offizielle US-CPI stieg um 0,7% im Juni 2009 an, was annualisiert 9% Inflation ergibt. Kurz- bis mittelfristig korreliert der Ölpreis hoch mit der Inflation, der Anstieg um wahnsinnige +127% in wenigen Monaten ist ein sicheres Zeichen, daß die Inflation in der realen Welt schon wieder markant zulegt und die Disinflationsphase zu Ende ist. Ich bin aber kein Unmensch, es soll jeder seine Glücksmomente erleben dürfen: Deflationsfetischisten erteile ich hiermit die Sondererlaubnis, sich über ihre ganz persönliche Deflation zu freuen, wenn morgen die Milch im Supermarkt um 5 Cent billiger ist.
Vorbemerkung: Mit 1 Million Lesern ist "Outside the Box" vermutlich die auflagenstärkste elektronische Publikation mit Schwerpunkt Fundamentanalyse. Der gesunde Menschenverstand und die konträre Analyse sagen uns: Quantität und Qualität gehen nur bis zu einem gewissen Grade zusammen in den Finanzmärkten. Grund: der Handel mit Futures, Optionen usw. ist ein Nullsummenspiel, was der eine gewinnt, muß der andere verlieren. Phänomenologisch-teleologisch könnte man sogar behaupten, der "Sinn" der Finanzmärkte ist es, die Marktteilnehmer um ihr Geld zu bringen. Diese Überlegungen gelten natürlich auch für den vorliegenden Amanita-Newsletter: wenn die Auflage auf das 10-100fache steigt, dann braucht man ihn nicht mehr lesen.
Zitat (1) (Eingangszitat): "You can't beat deflation in a credit-based system." Robert Prechter
Widerlegung: Daß der Artikel von Jensen mit Bob Prechter beginnt, ist schon mal ein ganz böses Omen. Prechters Depot versenkte durch Permanentshorten seit 1987 mehr als 95% (!) des Depots, was nach Adam Riese mehr als 2.000% Gewinn erfordert, bloß um wieder zum Einstandswert zurückzukommen (dies wird in der Realität fast nie erreicht). EWI ist ohnehin mehr eine Deflationssekte als ein Börsendienst. Prechter hatte erstaunlicherweise zuerst die Hausse ab 1982 richtig vorhergesehen und dann den Crash 1987, was seinen Börsenbrief zu den auflagenstärksten der Welt pushte. Wenig verwunderlich war Prechters Dienst ab dem Zeitpunkt der explodierenden Auflagen die wohl die effizienteste Geldvernichtungsmaschine auf dem Planeten, jeder dartpfeilschießende Affe war ein besserer Börsenratgeber.
Zitat (2): But what actually happens when credit is destroyed at a faster rate than our central banks can print money?
Widerlegung: Halleluja, wahrlich ich sage Euch: das könnte nicht falscher sein. In einem Fiat Money-System können die Zentralbanken via Bilanzverlängerung beliebig viel Geld drucken (wenn sie wollen), z.B. von einer Minute auf die andere 1000 Billionen.
Zitat (3): Another lesson learned from Japan is that once you get caught up in a deflationary spiral, it is exceedingly hard to escape from its grip. The Japanese authorities have used every trick in the book to reflate the economy over the past two decades.
Widerlegung: Arghhh $!"%&/!!°=&!!! Die signifikante Maßnahme der Japaner war das Hochfahren der Staatsverschuldung und das Exportieren von Liquidität und Inflation über den Carry-Trade, das ist aber Lichtjahre davon entfernt, "jeden Trick" anzuwenden. Was aber in den 1980er Jahren in Japan sehr wohl getan wurde (weil es so leicht geht), ist das Frisieren der Statistiken angesichts der stark steigenden Inflation, z.B. wurden die explodierenden Mieten aus der Inflationsberechnung entfernt. In allen großen Ländern werden die Inflationszahlen getürkt, Daumen mal Pi würde ich die offizielle japanische Inflationsrate um 2% (vielleicht aber auch mehr) korrigieren. Daher existiert die vieldiskutierte japanische Deflation gar nicht, da die offiziellen Zahlen kaum mehr als 1% Deflation auswiesen! Japan hat schon lange Preisstabilität, das beste, was einem passieren kann.
Wozu sollte auch "jeder Trick" angewandt werden, Inflation ist ja kein Selbstzweck, es läuft ja alles recht gut. Japan steht immer noch in fast jeder Hinsicht viel besser da als die Inflationsländer: Japan hat nur 5% Arbeitslose (USA 20% laut shadowstats.com), ist politisch stabil und exportstark, hat wenig Kriminalität usw. Preisstabilität wie in Japan ist ein Zeichen von Stärke, Inflation ein Zeichen von Schwäche. Schauen Sie sich um am Globus: je schlechter und instabiler die politisch-ökonomisch-soziale Lage, desto höher die Inflation im Schnitt. Inflation ist die Krankheit, Deflation die Heilung!
Die Begriffe Deflation und Inflation werden leider inflationär verwendet, z.B. wenn der Preis für ein Produkt fällt, wird das schon manches Mal als Deflation bezeichnet. Deflation definiere ich im engeren Sinne als ein strukturelles und länger anhaltendes makroökonomisches Phänomen (d.h. für eine gesamte Volkswirtschaft), jenseits der statistischen Ungenauigkeit der Inflationsmessung von mindestens +/- 1% - und natürlich jenseits der statistischen Tricks. Die 4 Hauptkriterien für eine saubere Definition, die die grassierende Deflationspropaganda übersieht:
(1) Gesamtbetrachtung aller Güter einer Volkswirtschaft
(2) signifikant (jenseits von +/- 1%): auch in den Märkten nehme ich +/- 1% als nicht-signifikant an, d.h. 2 Hochs oder Tiefs binnen +/- 1% gelten in meiner Arbeit als gleichwertig ohne signifikanten Unterschied. Aus Gründen, deren Erörterung zu weit führen würde, gaukelt eine auf Zehntelprozent angegebene Inflation eine Genauigkeit vor, die es in der Praxis nicht gibt.
(3) Herausrechnen der statistischen Manipulationen: z.B. ist die echte US-Inflation mindestens 7-8% höher als die offizielle
(4) längeres Anhalten: um kurzfristige bedeutungslose Schwankungen herauszufiltern. Beispiel Hyperinflation Deutschland 1914-23, wo im Laufe der Zeit 10 Nullen angehängt wurden: auch hier gab es immer wieder kurze schwach deflationäre Perioden, die in der Gesamtbetrachtung der Hyperinflation vollkommen bedeutungslos waren, die letzte fand noch Anfang 1923 statt (Link).
Mit dieser "sauberen" Definition gibt es keine Deflation, außer in den Köpfen von schlecht informierten Zeitgenossen und den Deflationsgurus. Selbst der geschönte offizielle US-CPI stieg um 0,7% im Juni 2009 an, was annualisiert 9% Inflation ergibt. Kurz- bis mittelfristig korreliert der Ölpreis hoch mit der Inflation, der Anstieg um wahnsinnige +127% in wenigen Monaten ist ein sicheres Zeichen, daß die Inflation in der realen Welt schon wieder markant zulegt und die Disinflationsphase zu Ende ist. Ich bin aber kein Unmensch, es soll jeder seine Glücksmomente erleben dürfen: Deflationsfetischisten erteile ich hiermit die Sondererlaubnis, sich über ihre ganz persönliche Deflation zu freuen, wenn morgen die Milch im Supermarkt um 5 Cent billiger ist.