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Tausend

08.08.2009  |  Klaus Singer
Der S&P500 hat im Unterschied zum Verfasser dieser Zeilen keinen Urlaub gemacht und kratzt mittlerweile an der Psycho-Marke von 1.000. Mitte Juli hatten die Kurs-Pflegekräfte beschlossen, dass die Zone bei 875 tragfähig genug ist, woraufhin der Index innerhalb von nicht einmal drei Wochen über 14% zulegte.

Wie immer stellt sich an solch "populären" Marken die Frage, was kann die Phantasie tragen, um weitere Käufer auf den Plan zu rufen. Zuletzt geflügelte die Erwartung der vorläufigen Zahlen zum US-BIP die Optimisten (und andere) und half somit, die 1.000 zu erreichen. Die Auswertung des Angst-Index VIX zeigte gleichzeitig starke Anflüge von Euphorie (Chart!). Die Volumenverteilung zeigt seit Mitte Juli Akkumulation – wenige kaufen viel. Dabei fällt auf, dass das durchschnittliche Volumen seit März rückläufig ist. Es erreichte Mitte Juli mit einen Tiefpunkt, steigt seitdem aber wieder leicht an (Chart!).

Rechtfertigt der Verlauf des BIP Hoffnungen auf einen soliden Erholungskurs der US-Wirtschaft?

Das reale BIP schrumpfte im zweiten Quartal 2009 um 1% (Chart!). Das ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber den minus 6,4% des ersten Quartals. Was nichts daran ändert, dass die BIP-Kontraktion auf Quartalsebene die längste und stärkste seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist. Der private Verbrauch, die Investitionen und die Lagerbewegungen belasteten, Staatsausgaben und sinkende Importe trugen positiv zur BIP-Entwicklung bei.

Im einzelnen ging der private Konsum um 1,2% zurück, die privaten Investitionen fielen um 20,4% und belasteten das BIP damit um 0,83%. Weil die Importe mit 15,1% schneller fielen als die Exporte mit 7%, trug der Außenhandel mit fast 1,4% zum BIP-Wachstum bei.

In der Summe lässt sich auch aus dem BIP-Verlauf der Schluss ziehen, die Kontraktion der US-Wirtschaft nimmt an Geschwindigkeit ab - nicht mehr und nicht weniger.

Heute (Freitag) werden die amerikanischen Arbeitsmarktdaten für Juli veröffentlicht (Chart!). Volkswirte rechnen damit, dass weitere 320.000 Stellen abgebaut worden sind. Das wäre der niedrigste Wert seit Sep 2008 (321.000). Der ADP-Bericht taxierte im Vorfeld den Verlust von 371.000 Stellen nach minus 467.000 im Vormonat.

Die Anzahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe ist in den USA um 38.000 auf 550.000 zurückgegangen. Volkswirte hatten lediglich einen Rückgang auf 580.000 erwartet. Die Reaktion der Märkte auf diese Meldung war unbedeutend, sie verhinderte bestenfalls einen kurzfristigen Kursrutsch.

Der (weniger verrauschte) vier-Wochen-Schnitt fällt die sechste Woche in Folge um jetzt 4.750 auf 555.250. Die Zahl der Langzeit-Arbeitslosenhilfe-Empfänger steigt hingegen um 69.000 auf 6,31 Millionen. Beobachter fixieren die Marke von 500.000: Erst wenn die nach unten durchbrochen wird, begännen die amerikanischen Verbraucher, wieder mehr zu konsumieren. In der Tat, diese Marke dürfte erhebliche Signalwirkung haben, aber so weit sind wir noch nicht.

Sollte der heute zu meldende Arbeitsplatzabbau tatsächlich den Wert von Sep 2008 (Lehman-Pleite) unterbieten, ist durchaus ein kurzfristiger Kurs-Freudensprung denkbar. Übergeordnet dürften die Märkte ihre eingeleitete Konsolidierung fortsetzen. Ziel wäre im S&P500 der Bereich bei 950/940 Punkten (Chart!). Dies dürfte die Basis liefern für einen neuerlichen Angriff auf 1000.

Die wirkliche Nagelprobe steht wohl bei den Kursniveaus an, die im September 2008 erreicht wurden. Das wäre im S&P500 eine Zone um 1.200 Punkte (+/-50), das entspräche im DAX einem Bereich zwischen 6.000 und 6.200.

Wie realistisch ist es, dass diese Zonen erreicht werden? Die Liquiditätsflut hebt alle Boote, auch die leck geschlagenen, die mittels Staatshilfen provisorisch geflickt wurden. Spätestens an diesen Zonen müssten Fundamentaldaten und Entwicklung der Unternehmensgewinne aber belastbare Signale einer soliden wirtschaftlichen Erholung mit der Perspektive der Rückkehr auf den Wachstumspfad früherer Jahre aussenden. Genau da setzt aber meine ganz persönliche Phantasie aus, ein solches Szenario wird durch nahezu gar nichts gestützt - wir werden sehen!

Meldung am Rande: Das US-Haushaltsdefizit beläuft sich nach den ersten zehn Monaten des laufenden Fiskaljahres 2009 (30. September) auf 1,3 Bill. Dollar. Es liegt damit um 880 Mrd. Dollar höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Für das Gesamtjahr 2009 wird das Budgetdefizit auf 1,8 Bill. Dollar geschätzt. Im Defizit schlägt das Troubled Asset Relief Program (TARP) mit 169 Mrd. Dollar zu Buche, enthalten sind ebenfalls Zahlungen über insgesamt 83 Mrd. Dollar an Fannie Mae und Freddie Mac. Dieses Fass hat immer noch keinen Boden: Fannie Mae hat zum achten Mal in Folge einen Quartalsverlust in Höhe von netto 14,8 Mrd. Dollar verbucht und braucht erneut staatliche Finanzspritzen in Höhe von 10,7 Mrd. Dollar.

Erwähnte Charts können auf www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de







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