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Was der Fall Wiedeking lehrt

23.08.2009  |  Manfred Gburek
Die Väter und Mütter des Wertpapierhandelsgesetzes, kurz WpHG genannt, müssten jetzt im August eigentlich dessen 15jähriges Bestehen feiern und sich über den dicken Fisch namens Wendelin Wiedeking freuen, den sie zur Feier des Jubiläums mit Insidergeschäften an der Angel zu haben glauben. Doch eines lässt sich schon heute vorhersagen: Daraus wird nichts. Denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist mit dem Fall des abgetretenen Porsche-Chefs überfordert, die zuständige Staatsanwaltschaft erst recht. Beide können indes nichts dafür. Und wenn Wiedeking sich nicht noch an einem von seinem ärgsten Gegner Ferdinand Piech ausgeworfenen fetten Köder verschluckt, wird diese Affäre ebenso enden wie vergleichbare Affären zuvor: mit einem Obolus für die Staatskasse oder für soziale Zwecke.

Da inszenieren drittklassige Politiker in einem Hauch von schmutzigem Wahlkampf eine Medienkampagne ausgerechnet gegen den mit allen Medienwassern gewaschenen Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg, weil er eine führende Anwaltskanzlei eingesetzt hat, damit Gesetze nicht schon wegen handwerklicher Fehler schnell wieder repariert werden müssen. Währenddessen soll das vor 15 Jahren von einer ökonomischen und juristischen Laienspielschar zusammengeschusterte, inzwischen längst nicht mehr reparierfähige WpHG ausgerechnet einem Alphatier wie Wiedeking den Garaus machen - einfach lächerlich.

Der Fall WpHG (nicht der Fall Wiedeking) ist symptomatisch für die völlig verkorkste so genannte Aktienkultur am Finanzplatz Deutschland. Bis zum Inkrafttreten des WpHG konnten Insider in der Regel munter drauflos spekulieren oder andere spekuleren lassen, ohne erwischt zu werden. Also sollte ein Gesetz her, über dessen Einhaltung die BaFin-Vorgängerbehörde BAWe zu wachen hatte. Die förderte jedoch in fast allen untersuchten Fällen nur Insider-Kleinkram zutage. Dann wurde das BAWe in die BaFin integriert. Aber statt bei dieser Gelegenheit eine durchgreifende WpHG-Reform endlich kompetenten Finanzexperten und Wirtschaftsjuristen anzuvertrauen, wurstelte der Gesetzgeber weiter.

Was Insider betrifft, ist das wohl erschreckendste Ergebnis in § 13 nachzulesen, bei dessen Lektüre sich sogar Wiedeking und seine Anwälte kaputtlachen dürften. Hier ein Ausschnitt aus der seit dem 30. Juni 2009 gültigen aktuellen Fassung: "Eine Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf eine oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Eine solche Eignung ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde."

In der Schule oder spätestens an der Uni haben wir gelernt, dass man einen Begriff nicht mit sich selbst definieren darf. Das tut der Gesetzgeber hier aber, indem er eine Insiderinformation als konkrete Information usw. definiert. So wie Trunkenbolde sagen: Geld ist Geld, Schnaps ist Schnaps. Was sind nicht öffentlich bekannte Umstände? Ein mit Charts vertrauter Insider soll einmal, nachdem man ihm ein Delikt vorgeworfen hatte, geäußert haben, nicht der ihm von einem befreundeten Vorstand vorzeitig zugeflüsterte Gewinnsprung von dessen AG habe ihn zum Aktienkauf animiert, sondern eine umgekehrte Kopf-Schulter-Formation.

Was bedeutet es, dass Umstände geeignet sind, einen Preis bei Bekanntwerden erheblich zu beeinflussen? Aktienkurse werden nicht zuletzt auch von Stimmungen, von Gier und Angst beeinflusst, in entscheidenden Situationen sogar überwiegend, wie beim Crash am 19. Oktober 1987, am Neuen Markt vor und nach der Jahrtausendwende und im Zuge der Lehman Brothers-Pleite vom 15. September 2008. Gehören deshalb alle cleveren Börsianer, die solche Situationen gewinnbringend nutzen, ins Kittchen? Und schließlich: Was ist ein verständiger Anleger? Dieses Fabelwesen haben sich offenbar Theoretiker ausgedacht, die selbst noch nie eine Aktie besaßen.

Um das Positive im Fall Wiedeking herauszukehren: Er regt zum Nachdenken nicht nur über die Dummheit des deutschen Gesetzgebers an, sondern auch über die Bestimmungsfaktoren am Aktienmarkt, ja auf allen Märkten. Diese Faktoren bilden zurzeit eine brisante Mischung aus Konjunkturhoffnungen und Gedankenspielen zur Eindämmung der Geldschwemme, aus Deflationsbefürchtungen und Inflationserwartungen, politischen Schachzügen und Kriegsängsten, Krisenalternativen und Sicherheitsstrategien. Alles in allem also nicht gerade ein Signal für Hurra-Optimismus, sondern für geduldiges Abwarten - vorausgesetzt, Sie sind schon auf Nummer sicher gegangen und haben sich genug mit Edelmetallen und Liquidität eingedeckt. Falls nicht, holen Sie es jetzt nach.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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