Interview mit Roland Baader: "Babylons Türme stürzen ein"
26.08.2009 | Roland Baader
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factum: In den Feuilletons wird sehr wohlwollend diskutiert, ob der Staat jedem Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlen solle, von dem man auf bescheidenem Niveau auch leben kann. Was halten Sie davon?Roland Baader: Nichts. Man sollte den Bürgern ihr Geld lassen - und dem Geld seine Kaufkraft. Den Arbeitsmarkt sollte man von allen Fesseln befreien. Dann würde der resultierende Reichtumsprozeß nicht nur dafür sorgen, dass es viel weniger arme Leute gibt, sondern dass sich auch große private Hilfsorganisationen karitativer Art bilden, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Industrienationen entstanden sind und groß geworden wären, wenn sie der einsetzende Wohlfahrtsstaat nicht erdrosselt hätte. Wir sollten Familienzusammenhalt, Eigenverantwortung und private Hilfsbereitschaft fördern, nicht lähmen. Jetzt gilt: Warum soll ich meinem Nachbarn helfen, wenn es doch den Sozialstaat gibt? Das würde mit Einführung eines Grundeinkommens zum obersten Verhaltenskodex werden.
factum: Ihr Buch heißt «Geld, Gold und Gottspieler». Wer spielt hier Gott?
Roland Baader: Der Staat mit seinen Bürokratien und Funktionären, die Zentralbanker und die Mainstream-Ökonomen, die in ihrem Machbarkeitswahn glauben, die Wirtschaft zum Wohle aller lenken zu können.
factum: Der Sozialstaat masst sich an, «Kollektivpatriarch» des Bürgers zu sein, schreiben Sie, indem er ihm ein Leben auf Pump vormache und ihm durch Sozialleistungen, die auf Schulden und Scheingeld gründen, ein erträgliches, wenngleich zunehmend entmündigtes Leben ermöglicht. Was könnte aus dieser fatalen wechselseitigen Fehlhaltung herausführen?
Roland Baader: Einzig und allein ein Standard echten Geldes, also ein wettbewerbliches Privatgeld, das sich wohl schwergewichtig mit Gold- und Silberdeckung bilden würde. Mit echtem Geld - also mit Goldgeld - hätte man keinen der großen Kriege führen können; deshalb wurde die Goldwährung ja zu Beginn des 1. Weltkrieges abgeschafft. Ebenso wenig könnten die Staaten ihren Wohlfahrts- und Knechtungskrieg gegen die eigene Bevölkerung mit echtem Geld führen. Die uferlose Aufschuldung der USA konnte auch erst beginnen, nachdem Nixon die letzte Verbindung des Dollars zum Gold im Jahr 1971 aufgehoben hatte.
factum: Der Staat gestaltet das Steuer- und Abgabesystem immer stärker in der Absicht, menschliches Verhalten zu disziplinieren und zu dirigieren (etwa bei der Kfz-Steuer oder den Steuern auf Genussmittel). In volkswirtschaftlich extremem Ausmaß geschieht dies durch den «Handel» mit «Emissionszertifikaten». Der Staat bezeichnet diesen Interventionismus als umweltpolitische oder gesundheitspolitische «Fürsorge» und legitimiert sein Verhalten, indem er für sich den Besitz einer höheren Moral proklamiert. Sehen Sie darin eine Gefahr für die Freiheitsrechte?
Roland Baader: Die Kombination aus Macht und Hypermoral ist geradezu satanisch. Nicht ohne Grund ist Robespierres Moralwahn zur Schreckensherrschaft ausgeartet, zum Tugend-Terror. Die Menschen leben mit einer durchschnittlichen Moral. Wer die Leute «verbessern» will, bringt sie um oder versklavt sie. Der sozialistische Traum vom «neuen Menschen» hat immer und überall zu Massenmord und zu extremster Knechtschaft geführt, von Stalin über Hitler bis zu Mao und Pol Pot. Bei uns in der heutigen westlichen Welt spielt sich der Irrsinn noch auf niedrigerem Niveau ab, aber was so harmlos daherkommt, ist brandgefährlich und wird zur Gesinnungsdiktatur und zum Totalitarismus ausarten.
factum: Wo sehen Sie Anzeichen einer solchen Entwicklung?
Roland Baader: Was sich unter den scheinbar so edlen Namen wie Politische Korrektheit, Antidiskriminierungs-Gesetzen, Gender Mainstreaming und Ähnlichem abspielt, höhlt die Eigentumsrechte aus und die private Vertragsfreiheit. Es zerstört das Gesellschaftsgefüge und die jahrhundertealten Regeln der Friedlichkeit und Freiwilligkeit - und es zerstört die Menschen bis in die Innenkammern ihrer Seelen hinein.
Was die «Klima-Katastrophe» anbelangt: Das ist fast alles Schwindel, ein Trojanisches Pferd der Machteliten. Aber das weiter auszuführen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Man lese das Buch des tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus: «Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit?».
factum: Kehrt der Staat die Verantwortlichkeiten um, wenn er sich zum Träger der Moral stilisiert und den Bürger zu demjenigen macht, der die Opfer dieser Moral zu tragen hat?
Roland Baader: Verantwortung ist immer privat und an die Person gebunden. Kollektive Verantwortung gibt es nicht. Wer aber - wie der Staat - keine Verantwortung tragen kann, hat auch kein Recht, als moralische Oberinstanz aufzutreten. Moral erfordert Freiheit. Eine Handlung kann nur moralischen Wert haben, wenn sie weder unter Zwang noch auf Kosten anderer erfolgt. Aus dem Übel staatlichen Zwangs kann niemals moralisch Gutes erwachsen. Mit den bei der Bevölkerung positiv besetzten Begriffen «Umwelt» und «Klima» haben es die politischen Eliten besonders leicht, mit Märchen und durch Bereicherung ihre Macht fast beliebig auszuweiten.