Warnungen ignoriert

Ich wüsste nicht, wie meine Warnung deutlicher hätte sein können. Ich weiß nicht, was die drohenden Gefahren deutlicher zum Ausdruck bringen kann als diese Nachrichten aus China. Nicht nur, dass die konzentrierte Short-Position ganz klar manipulative Wirkung auf den Silberpreis hat - die Gefahr des Scheiterns von Kontrakten ist darüberhinaus nie größer gewesen. Vielleicht spiegeln die jüngsten Preisbewegungen auch das wachsende Bewusstsein dahingehend wider. Trotz dieser deutlichen Warnung, entschied die CFTC im Mai 2008, dass im Silbersektor alles in Ordnung sei.

Es ist wichtig, die aktuelle Situation ins rechte Licht zu rücken. Hier ist mein Versuch. Über seine China-Verbindungen überzeugte das heute in Ungnade gefallene Derivate-Machtzentrum AIG - damals, irgendwann vor ca. zehn Jahren - bestimmte staatseigene Unternehmen in China von der Teilnahme an massiven Leerverkäufen im OTC-Silbermarkt. Vorgeschoben wurde Chinas wachsender Anteil bei der Silberveredelung. Der wahre Sinn und Zweck war aber folgender: AIG sollte Rückendeckung für den Verkauf von Silber-Short-Kontrakten an der COMEX bekommen, um die Techfonds hereinzulegen und aus ihren Papierpositionen an der COMEX zu treiben. Jahrelang lief das wie geschmiert. Der Druck, den ich und die Leser - über den damaligen Justizminister von New York, Eliot Spitzer - ausübten, zwang AIG, die COMEX-Silberleerverkäufe still und leise aufzugeben und an Bear Stearns, eine andere große Clearing-Firma, zu übertragen. Die chinesischen OTC-Silber-Short-Positionen wurden von Bear Stearns als Gegenpartei übernommen; Bear Stearns führte schließlich die COMEX-Manipulation fort, Techfonds und andere spekulative Trader wurden weiterhin ausgenommen.

Die wiederholten Beschwerden bei der CFTC bezüglich der übergroßen Short-Position und der offensichtlich manipulativen Handelsaktivitäten an der COMEX wurden von der Kommission abgewiesen, weil Bear Stearns, wie zuvor AIG, auf dem Papier zeigen konnte, dass sie durch China im OTC über entsprechende Gegenbuchungen verfügten, durch welche die Short-Positionen an der COMEX "gedeckt" wurden. Aber schon bei anderen Finanzskandalen, wie dem Madoff-Schwindel, war zu beobachten, dass die Bürokraten in den Aufsichtsbehörden jenen gut vernetzten, überzeugenden und mächtigen Wall-Street-Brokern nicht gewachsen sind.

Als Bear Stearn im März 2008 zusammenbrach (zufälligerweise dann, als der Silberpreis die höchsten Stände seit Jahrzehnten, 21 $, erreicht hatte), gab es keinen, der die riesigen Silber-Short-Positionen an der COMEX und die ausgleichenden OTC-Kontrakte aus China übernehmen wollte. Hier kommt JP Morgan Chase ins Spiel. Denken Sie daran, dass das Finanzsystem damals unter großem Stress stand und alle Anstrengungen darauf ausgerichtet waren, die entstehenden Probleme in den Griff zu bekommen. Die riesige Silber-Short-Position bei Bear Stearns war ein solches Problem. Als von der Bundesregierung Garantien gegen Verlust und Strafverfolgung gegeben wurden, übernahm JP Morgan die Rolle des Meisters im Silbermarkt. Später wurde all das durch Bank Participation Reports und durch die Korrespondenz zwischen CFTC und verschiedene Gesetzgebern aufgedeckt. Seit dieser Zeit managet JP Morgan die riesige Silber-Short-Position. Teil meiner Spekulation ist auch, dass Morgan seine Short-Position an der COMEX über die letzten anderthalb Jahre in aller Stille mit anderen, unverdächtigen Parteien im OTC-Markt gegengebucht hat.

Was hat das alles zu bedeuten und was wird jetzt passieren? Machen Sie sich bereit für starke und wachsende Preisvolatilität. Für Abonnenten halte ich in den nächsten Tagen spezifische Marktkommentare bereit, sobald der neue COT und der neue Bank Participation Report veröffentlicht ist. (www.butlerresearch.com). Aber so viel ist sicher: Die seit Langem prognostizierte Nichterfüllung von massiven OTC-Positionen für Silberderivate durch China könnte nun scheinbar eintreten. Man kann sich nur schwer ein tiefgreifenderes Ereignis vorstellen. Und mit einem Mal stellt sich die Deckung und der Vorwand für die konzentrierte Short-Position an der COMEX als Betrug heraus, so wie er es immer schon gewesen ist. Die CFTC kann nun nicht mehr vorgeben, die Silber-Short-Position an der COMEX sei durch irgendetwas Legitimes gedeckt. Nicht, wenn gerade China sagt, es werde seinen Verpflichtungen möglicherweise nicht nachkommen. Beim Silber haben sich also während der letzten Monate viele Spielregeln geändert und es fällt schwer, sie in ihrer Gesamtheit abzuschätzen. Die jüngsten Aussagen Chinas bezüglich ihrer zukünftigen Absichten für ausgewählte OTC-Rohstoffderivate könnten hier die wichtigsten Änderungen von allen sein.

Ich habe immer noch großes Vertrauen, dass der neue Chairman der CFTC, Gary Gensler, voll und ganz die Absicht hat, das Richtige zu tun und dass er die Obergrenzen für spekulative Positionen beim COMEX-Silber anpassen und durchsetzen wird. Die Nachrichten und Berichte aus China machen schnelles Handeln seinerseits umso zwingender notwenig. Mit der Drohung Chinas, es könnte seine Kontrakte (durch die wiederum die konzentrierte Short-Position an der COMEX gedeckt ist) unter Umständen scheitern lassen, steht jetzt umso mehr auf dem Spiel. Chairman Gensler darf diese Warnungen zum Wohl des Landes und der Marktintegrität auf keinen Fall ignorieren - anders als seine Vorgänger es getan haben.

Anmerkung an Abonnenten: Da dieses Thema potentiell wichtig für Fragen der Marktaufsicht ist, mache ich diesen Artikel öffentlich zugängig. Am Wochenende kommen spezifische Marktkommentare.


© Theodore Butler

(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 04.09.2009 auf der Website www.investmentrarities.com veröffentlicht.