Banker: Mit Boni und Gier zum Psychiater?
26.09.2009 | Klaus Singer
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Joseph Stiglitz, Wirtschafts-Nobelpreisträger, erklärte kürzlich, die USA hätten versäumt, die Grundprobleme ihres Bankensystems zu lösen. Daher seien die Probleme nun größer als vor der Lehman-Pleite. In den USA und vielen anderen Ländern seien die "systemrelevanten Banken", die man für zu groß halte, um sie pleite gehen zu lassen, noch größer geworden.Die Regierungen kamen dem Ruf des Neoliberalismus seit 1970 bereitwillig nach, sich aus der Wirtschaft und dem Finanzwesen herauszuhalten. Genauso kommen sie jetzt dem Ruf des durch Fehlspekulation "notleidend" gewordenen Finanzsektors nach, sich gefälligst einzumischen. Und so stellen sie als Konsequenz aus der Krise ein paar Papp-Soldaten auf und arbeiten ansonsten fleißig daran, mit des Steuerzahlers Mitteln eine Kreditblase aufzubauen, die die letzte noch um einiges übertreffen wird. Das war das Wort zur Bundestagswahl.
Frequenz und Amplitude der Blasenbildung in den Finanzmärkten scheinen seit dem Ende des Bretton Woods Systems zuzunehmen und gehen wohl allmählich in den exponentiellen Abschnitt über. Börsianer wissen, was am Ende einer solchen Fahnenstangen-Entwicklung steht - der Absturz.
Das bringt uns zum Thema Aktien: Die Fed lieferte in ihrem Kommunique zur FOMC-Sitzung am Mittwoch Abend den Anlass, Gewinne mitzunehmen. Sie hatte angekündigt, das Programm zum Rückkauf von Hypotheken-Verbriefungen zeitlich zu strecken. Das wurde als Zeichen für ein langsames Auslaufen der allzu lockeren Geldpolitik gewertet. Da das Quartalsende vor der Türe steht, sind die Kapitalanlagegesellschaften beim Window-Dressing. Nach den aufgelaufenen Gewinnen steigt die Tendenz, diese teilweise zu realisieren. Als dann gestern auch noch ungünstige Daten aus dem Haussektor der USA hereinkamen, verstärkte sie sich. Andererseits ist nicht ausgemacht, dass es nicht noch einen weiteren Versuch geben wird, die Kurse wieder anzublasen. Zu verlockend ist auch die Marke von 10.000 im Dow. Wie auch immer es kurzfristig ausgeht - die Gefahr eines technischen Betriebsunfalls, bei dem aus anfänglichen Gewinnmitnahmen eine kräftige Abwärtsbewegung wird, steigt. Die Auswertung des VIX zeigt "Gier" (siehe Chart!).
Die Bedenken, die Aktienkursentwicklung habe sich zu weit von der Entwicklung der Realwirtschaft entfernt, erhalten Nahrung durch den Verlauf des Baltic Dry Index. Der steht jetzt unter dem wichtigen Pegel von 2300 Punkten. Auch der CRB-Rohstoff-Index (siehe Chart!) ist wieder unter 253 gesunken. Und schließlich sind die Ölpreise förmlich abgestürzt. Bei CRB und Öl Brent (siehe Chart!) fällt eine ähnliche Chartformation auf: Die Begrenzungslinien der Kursbewegung seit Anfang März laufen auseinander. Mitte August erreichten beide ihr jüngstes Hoch, ohne nochmals an die obere Begrenzung vorstoßen zu können. Öl ist bereits unter die Untergrenze gestürzt, der CRB kämpft noch.
Beim Euro/Dollar (ECW) fällt auf, dass er zuletzt vor allem durch einen im Verhältnis zu Euro/Dollar (EYN) schwachen Dollar/Yen (JPY) gestützt wurde, gemäß ECW=EYN/JPY. Bullische Avancen im Aktienmarkt wurden zumindest seit 2003 stets von einem festeren Euro/Dollar bei gleichzeitig gegen Euro und Dollar sinkendem Yen begleitet. In diesem Sinne ist die zuletzt gesehene Aufwärtsbewegung von Euro/Dollar fragil und nicht konsistent mit einem stabilen bullischen Szenario.
Da Edelmetalle, wie Rohstoffe normalerweise eng mit Euro/Dollar korrelieren, ergibt sich auch aus dieser Perspektive für diese Asset-Klassen kurzfristig nicht unbedingt ein solide bullisches Szenario.
Übergeordnet dürfte die breit angelegte Expansion der Finanzmärkte allerdings noch weiter gehen. Insbesondere dann, wenn die Makrodaten sich nicht weiter verbessern. Denn dann bleibt die Hoffnung, die lockere Geldpolitik werde so bald noch nicht zu Ende gehen.
Erwähnte Charts können über diesen www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.
© Klaus G. Singer
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