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Inflation wird zum Thema von gestern?

18.05.2005  |  Jochen Steffens
Damals war es ganz anders: Bei den Erdölkrisen in den 70er und 80er Jahren gab es ein inflationäres Szenario, welches infolge von deutlichen Lohnerhöhungen (um den Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer auszugleichen) sogar noch verstärkt wurde.

Daraufhin reagierten einige Notenbanken mit massiven Zinserhöhungen. Hohe Ölpreise, höhere Löhne und steigende Zinsen führten dazu, dass die Unternehmen direkt von mehreren Seiten in Bedrängnis gerieten. Ein Kreislauf, der zu einer stärkeren Rezession führte. Die damaligen Maßnahmen stellten sich im Nachhinein als "ungeschickt" heraus (Lohnerhöhungen + Zinserhöhungen).

Doch was ist heute? Natürlich steigen die Inflationsraten hier in Europa wesentlich langsamer, als in den USA. Das hat einerseits damit zu tun, dass der Ölpreisanstieg (und die Rohstoffpreise) in Euro, durch den sehr schwachen Dollar, bei weitem nicht so dramatisch ausgefallen sind, wie im Dollarraum.

Auf der anderen Seite sind die inflationären Auswirkung der hohen Energie und Rohstoffpreise durch die eher deflationären Tendenzen in Europa teilweise kompensiert.

Zum Schluss gibt es noch eine rein rechnerische Komponente: In Deutschland besteht der Benzinpreis fast ausschließlich aus Steuern. Nimmt man Mineralölsteuer, Ökosteuer und Mehrwertsteuer zusammen, kommt man auf ca. 75% Steuern. In den USA beträgt der steuerliche Anteil am Benzinpreis nur rund 25%. Wenn nun der Ölpreis um 10% steigt, wird sich das prozentual in Deutschland am Gesamtbenzinpreis wesentlich weniger stark auswirken, als in den USA. Aber das nur nebenbei.

In den USA müsste sich also der hohe Ölpreis wesentlich dramatischer auswirken. Und an dem Unterschied zwischen dem Anstieg der Verbraucherpreise und der Anstieg der Kernrate (ohne Energie) erkennt man, wie sich dieser Effekt auswirkt.

Heute wurde der US-Verbraucherpreisindex für April veröffentlicht. Demnach sind die Verbraucherpreise um 0,5% gestiegen, erwartet wurde ein Anstieg von 0,3 bis 0,4%. Allerdings ist die Kernrate im Vergleich zum Vormonat unverändert geblieben! Hier wurde mit einem Anstieg von 0,2 bis 0,4% gerechnet.

Wenn nun aber die Kernrate unverändert bleibt, die Ölpreise letzten Endes für den Anstieg der Verbraucherpreise verantwortlich sind, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass bei sinkenden Öl- und Rohstoffpreisen die Inflationsgefahren in den USA bald gegen Null sinken!

Damit sind wir bei dem Thema, dass ich in den letzten Tagen schon umschreibe. Die Fed braucht bald keine Inflationssorgen mehr zu haben, eher das Gegenteil. Sie muss aus diesem Grund auch die Zinsen nicht mehr stärker anheben. Sie kann sogar die US-Wirtschaft weiter stimulieren, in dem sie die Zinsen niedrig lässt. Was dies für die Aktienkurse bedeutet ist klar: Sie werden steigen, eventuell dramatisch.

Das gilt allerdings nur solange der Dollar stark und der Ölpreis schwach bleibt!

Ich frage mich nur die ganze Zeit, wann wird das endlich durchsickern? Im Moment höre ich eher gegenteilige Statements von Analysten. Entweder wissen diese es nicht besser oder aber sie wollen es nicht verraten, wer weiß ...

Noch ein Hinweis zum Schluss. Wie ein aufmerksamer Leser mir zu Recht mitteilte, ist die Industrieproduktion in den USA nicht um 0,2% gestiegen, sondern gefallen. (Meine Quelle zeigt bis heute fälschlicherweise ein "Anstieg von 0,2%" an.)


© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor"s Daily"



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