WIWF: Die Bankenkrise ist noch nicht vorbei - Alles short?
05.10.2009 | Klaus Singer
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Das Ergebnis der Bundestagswahlen zeigt, dass die größten Protagonisten des Neoliberalismus am stärksten profitiert haben. Der deutsche Wähler leidet, massiv unterstützt durch die Medien, an Gedächtnisschwäche. Mit neoliberaler Willfährigkeit von Politik und Notenbanken und der hierdurch bewirkten lockeren Geldpolitik wurde die Finanzkrise erst in diesem Ausmaß möglich. Dieselben Leute geben heute vor, die Krise lösen zu können. Mit noch mehr Liquidität und Schulden gießen sie Öl in das Feuer, das sie angeblich löschen wollen.Und der Neoliberalismus geht weiter: Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat die Steuervorschläge der Parteien zur Bundestagswahl untersucht. Demnach würden die Einkommen im oberen Zehntel bei der CDU um knapp 4.800 Euro, bei den Vorschlägen der FDP um über 12.000 Euro entlastet. In West-Europa hat Deutschland bezogen auf das BIP nach Griechenland die niedrigsten Steuereinnahmen und den niedrigsten Spitzensteuersatz. Bezüglich der Belastungen durch Steuern auf Kapital zählt Deutschland zu den Schlusslichtern, das Aufkommen an Unternehmenssteuern ist das geringste in West-Europa.
Kommen wir zum zweiten Teil des Artikel-Titels "Alles short?": Nachdem die Aktienmärkte zum Quartalsende noch durch Window-Dressing gestützt wurden, kam es, wie es kommen musste: Die Kurse brachen deutlich ein. Parallel dazu wurden Makrodaten veröffentlicht, die bullische Positionen auf dem erreichten Kursniveau nicht stützen. Schon am Dienstag war ein überraschend gesunkenes US-Verbrauchervertrauen gemeldet worden (siehe Chart!). Der am Mittwoch veröffentlichte Chicagoer Einkaufsmanagerindex notiert im September bei 46,1 (und damit Kontraktionsniveau), er war im Bereich von 52 bis 53,5 erwartet worden. Im Zuge des Window-Dressings wurde der Einbruch schließlich wieder
zurückgekauft.
Am Donnerstag kam der nächste Tiefschlag: Der landesweite amerikanische Einkaufsmanager-Index konnte sich im September mit 52,6 gegenüber 52,9 im Vormonat nur knapp behaupten und verfehlte die Erwartungen im Bereich zwischen 54 und 55,7. Am Freitag schließlich wurde gemeldet, dass die Zahl der US-Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft im September um 263.000 zurückgegangen ist (siehe Chart!). Volkswirte hatten hingegen einen Rückgang um lediglich 175.000 bis 225.000 prognostiziert nach minus 201.000 im Vormonat. Zudem ging auch noch die geleistete Wochenstundenzahl leicht zurück.
S&P 500 und Dow notieren nun mehr oder weniger nahe an den Untergrenzen ihrer seit März etablierten Aufwärtskanäle. Die spannende Frage ist, ob sie diese Marken respektieren. Der NDX hat sich am Freitag wieder punktgenau von unten herangezogen, unterhalb davon liegt bei rund 1630 eine statische Supportzone.
Makroökonomisch kommt die Erholung der US-Wirtschaft nicht voran - die Gefahr eines erneuten Einbruchs, eines "double-dip" steigt. Ich hatte mich in einem Artikel am 5. Juni bereits mit dieser Möglichkeit beschäftigt. Allerdings gibt es auch Zeichen, dass der amerikanische Verbraucher wieder etwas Tritt fasst. Zwar sind die verfügbaren Einkommen zuletzt nicht weiter angestiegen (siehe Chart!), aber die "Personal Consumption Expenditures" (PCE) zeigen eine leichte Aufwärtsbewegung (siehe Chart!). Zudem ist die Sparquote gegenwärtig rückläufig. Eine Trendumkehr signalisieren jedoch auch diese Makrodaten immer noch nicht.
Sicher werden die Aktienkurse jetzt noch etwas Bodensuche betreiben, aber die Liquidität heilt alle Wunden (so ein neues Sprichwort). Und davon ist noch reichlich vorhanden. Schauen Sie nur auf die Rendite der 13wöchigen TBills, sie liegt mittlerweile wieder unter 0,1% (siehe Chart!). Aus meiner Sicht ist dieser Wert ein guter Stellvertreter für geparkte Liquidität - je tiefer, je mehr Mittel stehen anlagewillig bereit. Das "faire KGV" des Rentenmarktes steht mittlerweile wieder bei 31, unter relativen Bewertungsgesichtspunkten eröffnet sich für Aktienkurse damit Raum. In dieselbe Kerbe haut der Verlauf des VIX (siehe Chart!): Jedweder überschäumende Optimismus ist verflogen, nach dem der Index nach dem 23. September eine Umkehr in "Greed" vollzogen hat. Auch hier ist allerdings noch Raum für eine weitere Verschlechterung der Stimmung.
Ein fester Euro/Dollar war in Verein mit festen Euro und Dollar jeweils gegen Yen, den "Carry-Trade-Indikatoren" (siehe Chart!), seit 2003 eine verlässliche bullische Begleitmusik für Aktien. Zuletzt hatte das Währungsverhältnis allerdings nur durch einen überproportional schwachen Dollar/Yen noch Festigkeit zeigen können. Am Freitag nun wurden wichtige langfristige Linien getestet, sie blieben (vorerst) intakt. Das dürfte nicht der letzte Versuch gewesen sein und so lange bleibt die bullische Beleitmusik still.
Eine wichtige Nagelprobe dürfte die jetzt anlaufende Saison der Quartalsberichte sein. Nachdem im zweiten Quartal die Unternehmen ihre Gewinne nahezu ausschließlich über Kostensenkungen steigern konnten, erwartet man für dieses Mal auch verstärkt "Top-Line Growth", also steigende Umsätze als Treiber für weitere Gewinnsteigerungen. Zeichnet sich das ab, ist der Weg frei für das dringende Bedürfnis der Aktienbullen, bis November das Niveau von rund 1120 zu erreichen.
Erwähnte Charts können über diesen www.timepatternanalysis.de eingesehen werden.
© Klaus G. Singer
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