Mega-Bubbles: Marktdramen in drei Akten
18.02.2003 | Hans Jörg Müllenmeister
Mega-Bubbles sind Erscheinungen, die in einer Anlegergenerati-on vielleicht nur einmal auftreten, dann aber gewaltig. Typisch für eine Megablase ist, daß man durch kein noch so ausgetüfteltes Marktinstrument herausfindet, wie lange der spekulative Exzeß dauert und was der Maximalpreis sein wird. Die Gefahr besteht darin, daß der Anleger im Laufe des Booms glaubt, der beschleunigende Preisanstieg sei eine Dauererscheinung. Dadurch wird er immer unvorsichtiger. Selbst wenn er zwischenzeitlich "aus Vernunft" aussteigt, kann ihn der ansteckende Herdentrieb wieder einholen und in den Markt zurück locken. Da eine Spekulationsmanie erst in der Schlußphase zum größten und steilsten Preis-anstieg anhebt, wäre ein Durchhalten des Engagements gerade bis zum Gipfelpunkt ideal. Praktisch findet man aber nie genau den Ausstieg am Hochpunkt.
Akt 1: Voraussetzungen für eine Blasenbildung
Eine Blase entwächst immer aus einem nicht spekulativem Markt, der sich über Jahrzehnte seitwärts bewegen kann. Ein Beispiel dafür ist der Goldmarkt, der von 1980 bis 1999 abwärts tendierte. Diese unhysterischen, nicht gehebelte Märkte - ob Aktien, Immobilien, Renten oder Sachwerte - sind kaum mit Krediten belastet: man zahlt bar ohne großartige Erwartungshaltung. Das Handelsvolumen ist relativ klein und es ist typisch, daß vorwiegend Insider engagiert sind. Eine weitere Voraussetzung für das Aufkommen einer neuen Spekulationsblase ist eine Welle des Optimismus, die immer mehr breitere Anlegerschichten erfaßt und sich dann bis zum Investmentrausch steigert.
Akt 2: Beobachtungen, die man in Boom-Märkten macht
Interessant ist es, die Boombildung markttechnisch zu untersuchen. Je weiter die Manie fortschreitet, um so mehr wächst das Handelsvolumen bei täglich immer größer werdenden und dabei sprunghaften Preisausschlägen bis zum Bow-off - danach folgt ein scharfer Preisverfall. In einer Aktienhype erklimmen im Finale nur marktbeherrschende Aktien neue Hochs, während der breite Markt bereits eine zunehmend schlechter werdende Entwicklung zeigt. Merkwürdig ist auch, daß bestimmte Aktiensegmente im Index zu Lieblingen des Marktes avancieren, wie gesehen bei den Werten aus der Branche Medien, Telekommunikation, High-Tech - sie alle versprachen eine spekulative Performance.
Auf der Spitze des Eisberges konzentrierten sich zuletzt ein Megahandelsvolumen auf nur eine einzige Aktiengruppe, z. B. die der Technologietitel (Nasdaq, Neuer Markt). Es gilt auch hier: Was hoch steigt, fällt auch tief. Je mehr sich die Spekulationswelle wie durch einen Kettenbrief aufschaukelt, um so mehr berufene, vorwiegend aber unberufene Wichtigtuer nutzen das Phänomen der Blase aus; sie alle wollen davon partizipieren durch Seminare, Wirtschaftsmagazine, Bücher und TV-Sendungen. Bücherregale in Bibliotheken blähen sich thematisch zur augenblicklichen Wirtschaftsmanie meterdick auf, dies zu Lasten der Klassiker, denen man nur einige Zentimeter Existenzberechtigung zubilligt. Viele "Marktgestalter" wollen noch mehr. Sie setzten auf Betrug. Diese Schwindelmanöver lassen sich bestens plazieren, solange der Boom intakt ist. So tauschten gegen Ende der Hype 2000 windige australische Goldexplorationsunternehmen ihren Firmen(deck)mantel in dot.com-Unternehmen; Beispiel: aus einer Terrex wurde eine Global Doctor, aus einer Abador eine My Casino.
Akt 3: Blasen-Gipfelpunkte
Diese Preis-Meilensteine haben über Jahrzehnte Bestand, ehe sie erneut übertroffen werden. Beispiel: Der Gipfel des Dow 1929 wurde nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch erstmals erst wieder in den 50er Jahren erreicht. Platzt die Blase, kommt es immer zu nachhaltigen wirtschaftlichen Schäden. Erinnert sei an die Manie des japanischen Aktienmarktes in den 80er Jahren, die zu deflationärer Rezession führte. Das verloren gegangene Vertrauen in das Spekulationsobjekt erschüttert eine ganze Anlegergeneration. Nach dem Platzen folgt mit Sicherheit ein lang anhaltende Bärenmarkt, der vom Preisgipfel bis auf 90% und mehr einbrechen kann: Dazu läßt der Verkaufsdruck sukzessive nach.
Markt-Psychologie des ganzen Dramas
Je länger sich ein Bullenmarkt im Aufwärtstrend befindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß er zur exzessiven Orgie neigt und in eine nachfolgende Pleite ausartet. Die ekstatische Kaufphase breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Risiken werden ignoriert und immer mehr Kredite werden aufgenommen. Das anfängliche Kritikvermögen des Individuums verschmilzt im Herdentrieb zur treibenden Kraft der Gruppenraffgier. Der Einzelne unterliegt dem Trugbild, daß nur er schlau agiert, aber wie heißt es in der Walpurgisnacht? "Du glaubst zu schieben und wirst geschoben". Keiner will etwas verpassen. Alle wollen mitreden und mit daran verdienen. Dieses Gruppenverhalten wird zudem permanent durch gezielte Berichterstattung der Medien in eine Richtung stromlinienförmig ausgerichtet. Der "Ruf der Herde" kann so ma-nisch sein, daß in der Boomstimmung selbst Negativnachrichten verdrängt werden, ja sogar den Boom noch weiter anheizen. Ein eklatantes Beispiel dafür liefern die Goldauktionen der FED in den späten 70er Jahren. Durch diese Mehrangebote wollte die FED weiteren Goldpreisanstieg verhindern, statt dessen folgte aber eine erneute Welle der Kaufpanik. Auch können in der ekstatischen Phase Neuemissionen von Aktienunternehmen die Gier der Anleger nach weiteren Investments steigern, ohne daß man die Firmenstory kritisch hinterfragt. Heute lachen wir darüber wenn wir hören, daß im 17ten Jahrhundert eine dubiose Aktiengesellschaft das Kriegshandwerk mit viereckigen Kugeln revolutionieren wollte. Nichts hat sich seitdem geändert, denn zur Boom-zeit am Neuen Markt wollte das Autounternehmen UPCA die Pille gegen Aids erfunden haben; der Kurs stieg von 0,25 auf 5 US-$. Diese Phantasiegespinste zeigen, daß mit wachendem Boom der Markt - und damit wir Teilnehmer - dazu neigen immer unkritischer zu werden.
Gefahren einer Bubble
Das genaue Ende einer Manie vorherzusehen, wäre für den Investor wichtig. Fest steht aber eins: Manien steht das Ende bevor, wenn Profis und Insider vorsichtig bis bearish werden, während die breite Masse noch in Scharen in die Märkte strömen wie eine Lemmingherde kurz vor Erreichen der Klippe. Eine Manie ist deswegen so gefährlich, weil sowohl die Höhe des Aufschwungs als auch der genaue Zeitpunkt des Zusammenbruchs unterschätzt werden. Vielen ist zwar die Gefährlichkeit bewußt, aber der vergiftete Köder schmeckt süß nach Riesenprofit. Da will jeder dabei sein. Doch man tröste sich mit einem Wort Friedrich Hölderlin:
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
Adieu bis zur nächsten Blase.
© Hans Jörg Müllenmeister
Akt 1: Voraussetzungen für eine Blasenbildung
Eine Blase entwächst immer aus einem nicht spekulativem Markt, der sich über Jahrzehnte seitwärts bewegen kann. Ein Beispiel dafür ist der Goldmarkt, der von 1980 bis 1999 abwärts tendierte. Diese unhysterischen, nicht gehebelte Märkte - ob Aktien, Immobilien, Renten oder Sachwerte - sind kaum mit Krediten belastet: man zahlt bar ohne großartige Erwartungshaltung. Das Handelsvolumen ist relativ klein und es ist typisch, daß vorwiegend Insider engagiert sind. Eine weitere Voraussetzung für das Aufkommen einer neuen Spekulationsblase ist eine Welle des Optimismus, die immer mehr breitere Anlegerschichten erfaßt und sich dann bis zum Investmentrausch steigert.
Akt 2: Beobachtungen, die man in Boom-Märkten macht
Interessant ist es, die Boombildung markttechnisch zu untersuchen. Je weiter die Manie fortschreitet, um so mehr wächst das Handelsvolumen bei täglich immer größer werdenden und dabei sprunghaften Preisausschlägen bis zum Bow-off - danach folgt ein scharfer Preisverfall. In einer Aktienhype erklimmen im Finale nur marktbeherrschende Aktien neue Hochs, während der breite Markt bereits eine zunehmend schlechter werdende Entwicklung zeigt. Merkwürdig ist auch, daß bestimmte Aktiensegmente im Index zu Lieblingen des Marktes avancieren, wie gesehen bei den Werten aus der Branche Medien, Telekommunikation, High-Tech - sie alle versprachen eine spekulative Performance.
Auf der Spitze des Eisberges konzentrierten sich zuletzt ein Megahandelsvolumen auf nur eine einzige Aktiengruppe, z. B. die der Technologietitel (Nasdaq, Neuer Markt). Es gilt auch hier: Was hoch steigt, fällt auch tief. Je mehr sich die Spekulationswelle wie durch einen Kettenbrief aufschaukelt, um so mehr berufene, vorwiegend aber unberufene Wichtigtuer nutzen das Phänomen der Blase aus; sie alle wollen davon partizipieren durch Seminare, Wirtschaftsmagazine, Bücher und TV-Sendungen. Bücherregale in Bibliotheken blähen sich thematisch zur augenblicklichen Wirtschaftsmanie meterdick auf, dies zu Lasten der Klassiker, denen man nur einige Zentimeter Existenzberechtigung zubilligt. Viele "Marktgestalter" wollen noch mehr. Sie setzten auf Betrug. Diese Schwindelmanöver lassen sich bestens plazieren, solange der Boom intakt ist. So tauschten gegen Ende der Hype 2000 windige australische Goldexplorationsunternehmen ihren Firmen(deck)mantel in dot.com-Unternehmen; Beispiel: aus einer Terrex wurde eine Global Doctor, aus einer Abador eine My Casino.
Akt 3: Blasen-Gipfelpunkte
Diese Preis-Meilensteine haben über Jahrzehnte Bestand, ehe sie erneut übertroffen werden. Beispiel: Der Gipfel des Dow 1929 wurde nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch erstmals erst wieder in den 50er Jahren erreicht. Platzt die Blase, kommt es immer zu nachhaltigen wirtschaftlichen Schäden. Erinnert sei an die Manie des japanischen Aktienmarktes in den 80er Jahren, die zu deflationärer Rezession führte. Das verloren gegangene Vertrauen in das Spekulationsobjekt erschüttert eine ganze Anlegergeneration. Nach dem Platzen folgt mit Sicherheit ein lang anhaltende Bärenmarkt, der vom Preisgipfel bis auf 90% und mehr einbrechen kann: Dazu läßt der Verkaufsdruck sukzessive nach.
Markt-Psychologie des ganzen Dramas
Je länger sich ein Bullenmarkt im Aufwärtstrend befindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß er zur exzessiven Orgie neigt und in eine nachfolgende Pleite ausartet. Die ekstatische Kaufphase breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Risiken werden ignoriert und immer mehr Kredite werden aufgenommen. Das anfängliche Kritikvermögen des Individuums verschmilzt im Herdentrieb zur treibenden Kraft der Gruppenraffgier. Der Einzelne unterliegt dem Trugbild, daß nur er schlau agiert, aber wie heißt es in der Walpurgisnacht? "Du glaubst zu schieben und wirst geschoben". Keiner will etwas verpassen. Alle wollen mitreden und mit daran verdienen. Dieses Gruppenverhalten wird zudem permanent durch gezielte Berichterstattung der Medien in eine Richtung stromlinienförmig ausgerichtet. Der "Ruf der Herde" kann so ma-nisch sein, daß in der Boomstimmung selbst Negativnachrichten verdrängt werden, ja sogar den Boom noch weiter anheizen. Ein eklatantes Beispiel dafür liefern die Goldauktionen der FED in den späten 70er Jahren. Durch diese Mehrangebote wollte die FED weiteren Goldpreisanstieg verhindern, statt dessen folgte aber eine erneute Welle der Kaufpanik. Auch können in der ekstatischen Phase Neuemissionen von Aktienunternehmen die Gier der Anleger nach weiteren Investments steigern, ohne daß man die Firmenstory kritisch hinterfragt. Heute lachen wir darüber wenn wir hören, daß im 17ten Jahrhundert eine dubiose Aktiengesellschaft das Kriegshandwerk mit viereckigen Kugeln revolutionieren wollte. Nichts hat sich seitdem geändert, denn zur Boom-zeit am Neuen Markt wollte das Autounternehmen UPCA die Pille gegen Aids erfunden haben; der Kurs stieg von 0,25 auf 5 US-$. Diese Phantasiegespinste zeigen, daß mit wachendem Boom der Markt - und damit wir Teilnehmer - dazu neigen immer unkritischer zu werden.
Gefahren einer Bubble
Das genaue Ende einer Manie vorherzusehen, wäre für den Investor wichtig. Fest steht aber eins: Manien steht das Ende bevor, wenn Profis und Insider vorsichtig bis bearish werden, während die breite Masse noch in Scharen in die Märkte strömen wie eine Lemmingherde kurz vor Erreichen der Klippe. Eine Manie ist deswegen so gefährlich, weil sowohl die Höhe des Aufschwungs als auch der genaue Zeitpunkt des Zusammenbruchs unterschätzt werden. Vielen ist zwar die Gefährlichkeit bewußt, aber der vergiftete Köder schmeckt süß nach Riesenprofit. Da will jeder dabei sein. Doch man tröste sich mit einem Wort Friedrich Hölderlin:
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
Adieu bis zur nächsten Blase.
© Hans Jörg Müllenmeister