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"Dubai" - Anlass, Ursache, Wirkung

28.11.2009  |  Klaus Singer
Rums, und schon stehen die Aktienmärkte eine Etage tiefer. Was war der Anlass, was die Wirkung und was ist der Grund?

Nakheel, Immobilienentwicklungsgesellschaft und Tochterunternehmend der staatlichen Dubai World, hat Zahlungsaufschub erbeten für am 14. Dezember fällig werdende Kreditrückzahlungen. Das Timing war durchdacht - die US-Börsen waren geschlossen und feiertagsbedingt können einheimische Investoren erst am kommenden Montag reagieren.

Dubai World hat 59 Mrd. Dollar an Verbindlichkeiten, ein hoher Anteil an der auf 80 bis 100 Mrd. geschätzten Dollar Summe, die Dubai insgesamt schuldet. Bis jetzt hat Dubai seine staatsbezogenen Schulden fristgerecht getilgt. Aber bei Nakheel könnte es nun anders verlaufen, denn Geschäftsmodell und die nach wie vor hohe "Verletzlichkeit" des Immobiliensektors legen nahe, dass hier ein Fass ohne Boden vorliegt.

Einstweilen wird der Vorgang überwiegend als Zeichen kommender Zahlungsprobleme der Regierung von Dubai bis hin zum Bankrott gesehen. Ironischerweise waren die Rating-Agenturen wieder mal zu spät dran. So senkte Moody’s erst mit Bekanntwerden des Vorgangs den Daumen auf Junk-Status.

Analysten der Credit Suisse schätzen, dass europäische Banken Kredite für bis zu 40 Mrd. Dollar an Staatsunternehmen aus Dubai ausgereicht haben. Sie müssten ihre Risikovorsorge um fünf Prozent erhöhen, wenn sie die Hälfte davon verloren geben. Die Bundesbank sieht auf die größten deutschen Banken bis 2010 ohnehin bis zu 90 Mrd. Euro Abschreibungen zukommen - eine Dubai-Pleite wäre eine zusätzliche Belastung. Banken, die Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) für Staatspapiere aus Dubai verkauft haben, drohen zusätzliche Belastungen, da sie bei einer Pleite des Emirats die CDS-Käufer auszahlen müssten.

Dem Wertpapierabwickler DTCC zufolge stehen CDS im Wert von 4,4 Mrd. Dollar auf Dubai aus. Weil der CDS-Markt nicht reguliert ist, dürfte das tatsächliche Volumen jedoch größer sein. Hinzu kommen Kontrakte über 2,1 Mrd. Dollar auf den Hafenbetreiber DP World, einer weiteren Dubai-World-Tochter. Dubais CDS-Spreads sind um 100 Basispunkte nach oben gesprungen, auch die von Abu Dhabi sind deutlich angestiegen.

(Kleiner) Anlass, große Wirkung: Die Bond-Märkte zeigten nach eine scharfe Aufwärts-Reaktion. Aktien wurden stark abverkauft. Der Dollar erstarkte gegen Euro und Yen, der Euro festigte sich gegen Yen. Gold blieb bei festerem Dollar zunächst ebenfalls fest (zuletzt war die Korrelation zwischen beiden wieder stramm invers), bevor das Edelmetall etwas einknickte.

Euro/Dollar war noch am Mittwoch dynamisch über die jüngsten Hochs bei rund 1,5050 ausgebrochen, der Dollar-Index deutlich durch den Support bei 75 gebrochen. Parallel dazu fiel Dollar/Yen durch die langjährige Unterstützung bei rund 88,50. Gestern konnte sich Euro/Dollar zunächst noch über dem Ausbruchs-Pegel halten, suchte aber im frühen Handel heute den Support bei rund 1,49 auf. Auch der wurde zunächst gebrochen, dann aber zurückgeholt.

Die Reaktion der Finanzmärkte zeigt zweierlei: Erstens die ausgeprägte Neigung zu Gewinnmitnahmen und zweitens die nach wie bestehende Angst vor einem erneuten offenen Ausbruch der Finanzkrise. Die starken Währungsbewegungen dürften auch mit der Auflösung von Carry-Trades in Verbindung stehen, nachdem damit finanzierte Assets verkauft wurden.

Die wieder belebten Bedenken hinsichtlich Finanzkrise bis hin zur Gefahr von Staatsbankrotten sind nicht unbegründet. Schon vor einigen Tagen hatte Griechenland mit einem höher als erwarteten Staatsdefizit auf sich aufmerksam gemacht, die Differenz der Renditen etwa zu deutschen Staatsanleihen stieg daraufhin kräftig. Dann hatte Anfang der Woche der IWF darauf hingewiesen, dass Banken weltweit immer noch 1,1 Bill. Dollar an faulen Assets in ihren Bilanzen haben. Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte davon in der Euro-Zone liegen.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die Europäische Kommission auf Druck großer deutscher und französischer Banken die Übernahme neuer Bilanzregeln des IASB verzögert. Sie führen zu einem engeren Spielraum bei der Bewertung von Finanzmarkt-Assets. Die Umsetzung der neuen Regeln würde die Banken zwingen, Buchverluste von großen Derivate-Paketen auszuweisen.

Das alles lässt nur den Schluss zu, dass die im Banken-Sektor begrabenen Risiken nach wie vor erheblich sind. Das ist nichts Neues, kommt aber jetzt wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der letzte Anlass, die Vorgänge in Dubai, ist dabei an sich von untergeordneter Bedeutung. Willem Buiter spricht in einem ersten Kommentar vom größten Bauboom der Region seit Bau der Pyramiden, einer Übertreibung, die korrigiert wird. Aber es gehe hier nicht um staatliche, sondern um private Schulden, noch dazu seien die systemischen Risiken gering.

Der Zeitpunkt der -so gesehen- überzogenen Reaktion auf einen vergleichsweise geringen Anlass ist kein Zufall. Die Aktienmärkte hatten sich zuletzt an wichtigen Punkten festgefressen und Tempo verloren. Die Stimmung war gemessen am VIX zu "gut" (in "Greed" - siehe Chart!). Die Übertreibung hätte auch durch eine "running consolidation" abgebaut werden können, aber genau dann sind die Märkte eben auch sehr empfindlich in Bezug auf externe Störungen. Aber nicht nur Aktien waren an entscheidenden Punkten angelangt, auch Dollar, Euro und Yen stehen an einer wichtigen Weichenstellung. Und das ist neben den weiterhin vorhandenen großen Risiken in den Güter- und Finanzmärkten die Ursache für den Kurssturz.

In welche Richtung werden die Weichen gestellt? Die Argumente von Bullen und Bären liegen seit langem auf dem Tisch. Und beide Parteien haben "im Prinzip" recht. Die Frage ist nur, wer zuerst Recht bekommt (oder noch Recht behält). Und das sind aktuell meiner Meinung nach immer noch die Tiere mit den Hörnern. Die Bären dürften ihre strategische Chance 2010 bekommen. Einige mögliche Katalysatoren hatte ich in der vergangenen Woche an dieser Stelle diskutiert.

Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de






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