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Was steckt hinter dem gefallenen Goldpreis?

06.12.2009  |  Manfred Gburek
Am Freitag unterbrach der Goldpreis (und mit ihm die Preise der anderen Edelmetalle) wieder einmal den - ansonsten unaufhaltsamen - Aufwärtstrend, und die Schlaumeier unter den Kommentatoren waren sofort mit einer scheinbar schlüssigen Erklärung zur Stelle: Positiver US-Arbeitsmarktbericht = Konjunkturerholung = Zinsanstieg = Exit der Zentralbanken (was so viel bedeutet wie Rückführung der Geldmengen) = Druck auf die Edelmetallpreise. Diese Argumentation hat vielen Marktteilnehmern offenbar derart imponiert, dass sie aus Gold, Silber & Co. geradezu geflüchtet sind. Was ist dran?

Diese Frage mit "nichts" zu beantworten, erscheint nun ebenso wenig angemessen wie die in den Medien übliche Dramatisierung. Jeder stärkere Preiseinbruch hat neben seiner Wirkung auch mindestens eine Ursache, meistens sogar mehrere. Im vorliegenden Fall ist die Ursachenforschung recht einfach: Neben Geld, das zu Anlagezwecken in Edelmetalle geflossen war, hatten Spekulanten in Erwartung immer schneller steigender Preise hohe Summen investiert. Das konnte aber nicht im Sinn der mächtigen Profihändler sein, denen ein stetiger Aufwärtstrend das Geschäft eher vermiest als fördert, weil sie ihr Geld in erster Linie mit der Volatilität verdienen, also mit dem Ausnutzen von Preisdifferenzen. Sie haben im Prinzip nichts gegen Edelmetalle, sondern nur gegen zu wenig Volatilität. Folglich nehmen sie jede Gelegenheit wahr, um Informationen zu streuen, die Volatilität erzeugen können. Die Perversion dieses Systems besteht am Ende in Maschinen, die komplizierte Algorithmen (Rechenverfahren) nutzen, um für ihre Anwender aus jeder noch so kleinen Preisschwankung das Maximum an Erträgen herauszuholen.

Der US-Arbeitsmarktbericht - oder besser: seine Verbreitung und Kommentierung in den Medien - war eine Information, die dieses muntere Treiben begünstigte. Hinzu kam das dafür ideale Timing, hatte doch tags zuvor die Europäische Zentralbank ihre Konjunkturprognose nach oben korrigiert und angekündigt, die Versorgung der Märkte mit Liquidität im zweiten Halbjahr 2010 zurückzuführen - das heißt, allein eine Ankündigung, sogar nur für viel später, und dennoch marktbewegend. Der Wirkungsmechanismus zur Schaffung von mehr Volatilität an den Edelmetallmärkten wurde schließlich unterstützt von der soundso vielten Auflage des Medienkriegs zwischen den USA und China: Nachdem die Amerikaner die Chinesen wieder einmal aufgefordert hatten, ihre Währung aufzuwerten, konterten die Chinesen mit dem Vorwurf, die Amerikaner kümmerten sich nicht genug um die Dollar-Stabilität. Prompt erholte sich der Dollar, als der Goldpreis am Freitag um über 4 Prozent fiel, das Ganze natürlich erst nach Eröffnung der US-Börsen, weil dort die erwähnten Manipulationen leichter zu steuern waren.

Welche Erkenntnisse gewinnen wir daraus? Zunächst die, dass überhaupt manipuliert wird. Das war an Börsen und Märkten immer der Fall, und zwar umso umfangreicher, je mehr eine Anlageform in den Mittelpunkt rückte - man denke nur an die Technologieblase um die Jahrtausendwende. Folglich müssen wir davon ausgehen, dass es auch in Zukunft so sein und jetzt zunehmend die Edelmetallmärkte erfassen wird. Die sind nämlich jetzt wegen der Wucht ihrer jüngsten Entwicklung für bestimmte Spekulanten so interessant geworden wie Technologieaktien in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Machen Sie sich also auf Überraschungen gefasst - positive, weil das Ende der Edelmetallhausse längst noch nicht erreicht ist, aber auch negative, weil es zwischendurch immer wieder zu Exzessen kommt, denen (wie am 4. Dezember) Korrekturen folgen.

Warum ich mir so sicher bin, dass die Spitzenpreise für Edelmetalle noch einige Jahre auf sich warten lassen werden, liegt auf der Hand: Abgesehen von der immer noch nicht bewältigten aktuellen Weltwirtschaftskrise und dem davon ausgehenden Sicherheitsstreben der Anleger weltweit, abgesehen auch von der extrem hohen Goldnachfrage aus China, der Notwendigkeit einer durchgreifenden Währungsreform mit Gold als Anker u.a., gibt es dafür Indizien, die aus dem Minensektor kommen. So ist beispielsweise absehbar, dass die Minenförderung schon bald nicht mehr ausreichen wird, um zusammen mit dem Altgoldangebot die wachsende Nachfrage zu decken. Früher wurde die Angebotslücke spielend durch Zentralbanken gedeckt; heute sind diese per Saldo auf der Käuferseite. Früher verdiente sich der führende Goldkonzern Barrick Gold mit Hedgegeschäften dumm und duselig, jetzt gibt er solche Geschäfte vollends auf.

Es ließen sich durchaus noch einige weitere Argumente pro Gold, Silber & Co. anführen, doch ich will es bei einem belassen, das schon seit Jahrhunderten gilt: Immer wenn die Minenspekulation in der Vergangenheit auf den Höhepunkt zustrebte, wurden die Kurse von sog. Explorationsaktien hochgejubelt, hinter denen nichts anderes steckte als wertlose Bohrlöcher. Der Trick: Die Initiatoren des Schwindels emittierten so wenige Bohrlochaktien, dass es ein Leichtes war, deren Kurse nach oben zu manipulieren. Hatten die Kurse sich verzehnfacht, hagelte es Erfolgsmeldungen von angeblich erfolgreichen Bohrungen. Dumme Anleger, die sich davon blenden ließen, stiegen dann zuhauf in die zu diesem Zweck massenweise zusätzlich ausgegebenen ein, weil die Meldungen in Kombination mit der Verzehnfachung sie ganz gierig machten. Betrügerische Telefonverkäufer und Börsenbriefschreiber halfen ihnen dabei nur allzu gern. So etwas erleben wir heute erst vereinzelt.

Doch auch wenn Sie gegen solche üblen Tricks gefeit sind und wenn die Argumente, die für Edelmetalle sprechen, Ihnen noch so sehr vertraut sind, bleibt die Frage: Reicht Ihr Nervenkostüm aus, um die eingangs beschriebene, von ausgebufften Profis inszenierte Volatilität zu meistern? Erst wenn Sie diese Frage klar mit ja beantwortet haben, sollten Sie wie folgt verfahren: Edelmetalle in physischer Form (Barren und Münzen) auf jeden Fall weiter durchhalten, dagegen Edelmetallaktien und -fonds bei der nächsten günstigen Gelegenheit (die sich wahrscheinlich im ersten Quartal 2010 mit neuen Spitzenkursen ergeben wird) zumindest teilweise verkaufen, um den dann frei werdenden Betrag bei einem späteren vorübergehenden Preisrückgang der Edelmetalle in diese physisch zu investieren. Das wird später Ihre Nerven schonen; und wenn der Fiskus nicht auf die absurde Idee kommt, Abgeltungsteuer auf Gewinne aus Barren und Münzen zu erheben, werden Sie auch noch einen Steuervorteil haben.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).












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