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Abgerechnet wird zum Schluss

20.12.2009  |  Manfred Gburek
Wundersame Dollar-Erholung gegenüber dem Euro, Griechenland angeblich in finanziellen Nöten, Gold und Silber scheinbar angeschlagen, was steckt dahinter? Zunächst die kurze Antwort für Schnellleser: Der Dollar wird seinen Abwärtstrend in den kommenden Monaten entweder wieder aufnehmen, falls wichtigere Ereignisse im Finanzsektor den Euro-Kollateralschaden durch Griechenland in den Schatten stellen (hohe Wahrscheinlichkeit), oder er wird sein jetziges Niveau unter Schwankungen verteidigen (geringe Wahrscheinlichkeit). Griechenland wird weiter von den anderen Ländern des Euro-Raums durchgepäppelt, weil denen zur Verteidigung der Gemeinschaftswährung ja nichts anderes übrig bleibt. Gold und Silber bewegen sich weiter im Rahmen des mittel- und langfristigen Aufwärtstrends, und für einen Ausbruch der beiden Preise aus diesem Trend nach unten fehlt jegliches Indiz.

Bleiben wir bei den Edelmetallen. Gemessen am Goldpreis, kann man den Beginn des Aufwärtstrends mit einiger Phantasie auf Ende September 1999 legen, als er zu einer heftigen, aber sehr kurzen Preisexplosion ansetzte. Richtig in Fahrt kam er aber erst ab April 2001. Der Silberpreis folgte ihm später, wodurch der Trendbeginn für beide Edelmetalle endgültig bestätigt wurde. Auf diese Abfolge wird auch irgendwann in der Zukunft - dann im Hinblick auf das Timing zum Ausstieg - zu achten sein. Es ist allerdings längst noch nicht so weit. Warum? Weil zurzeit mächtige Käufergruppen (vor allem Zentralbanken, Edelmetallfonds und viele private Anleger) bereit sind, jede größere Preisdelle zum Kauf zu nutzen.

Preisdellen - wie die aktuelle - kommen zum Teil auf wundersame Weise zustande: Da stellen Statistiker fest, dass die Zahl der spekulativen Käufe überschwappt, und schon erfinden Kaufinteressenten eine Geschichte, die sie erfolgreich den Medien verkaufen. Daraufhin werden die Spekulanten nervös und lösen zwischenzeitlich einen Preisrückgang aus. So war es jüngst mit den viel zu wichtig genommenen Arbeitsmarktdaten aus den USA, deren Bekanntgabe sicher nicht zufällig nur ein wenig zeitlich versetzt mit der offiziellen Warnung Chinas vor der Goldspekulation zusammentraf. Fast zur selben Zeit gab die Zentralbank Südkoreas ihren Senf dazu, indem sie behauptete, Gold sei nicht werthaltig und bringe keine Zinsen. Dieses Argument taucht immer dann auf, wenn den Edelmetallgegnern sonst nichts mehr einfällt.

Beim Blick auf die aktuelle Statistik des World Gold Council fällt auf, dass China unter den offiziellen Goldbesitzern (Staaten bzw. Zentralbanken) mengenmäßig zwar schon an die sechste Stelle vorgerückt ist, aber erst 1,9 Prozent der Währungsreserven in Gold angelegt hat (der größte Teil besteht aus Dollar). Die Goldreserven Südkoreas (an 56. Stelle) betragen sogar nur noch 0,2 Prozent der Währungsreserven. Da reizt ein Vergleich mit einigen Ländern des Euro-Raums: Deutschland 69,2 Prozent, Frankreich sogar 70,6 Prozent, Italien 66,6 Prozent und - man lese und staune - das angeblich so sehr in finanziellen Nöten steckende Griechenland 90,2 Prozent, unter den Euro-Ländern überboten vom scheinbar angeschlagenen Portugal mit 90,9 Prozent.

Gehen wir nun von der plausiblen Überlegung aus, dass die Schwellenländer beim Wirtschaftswachstum weiter ein flotteres Tempo vorlegen als die etablierten Industrieländer des Westens und dass damit auch ihre Währungsreserven und vor allem ihre Goldreserven überproportional wachsen werden, dann versprechen vor allem die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) - allein schon wegen ihrer Bevölkerungszahl und Größe - positive Überraschungen. Der Goldanteil an ihren Währungsreserven ist bemerkenswert gering: Brasilien 0,5 Prozent, Russland (vor der jüngsten Aufstockung) 4,3 Prozent, Indien (ebenfalls vor der jüngsten Aufstockung) 4,0 Prozent und China wie beschrieben 1,9 Prozent. Da braucht man nicht allzu viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass von daher noch eine hohe Nachfrage zu erwarten sein dürfte, wobei China mit der Umleitung eines Großteils der Goldkäufe über staatliche Läden und private Anleger eine besonders originelle Strategie verfolgen wird.

Bekanntlich kam zuletzt ein erheblicher Teil des weltweiten Goldangebots nicht nur von Spekulanten, sondern auch aus Altbeständen. Droht von hier Gefahr für den Goldpreis? Diese Frage lässt sich nur so beantworten: Es sind in Europa und Amerika eher die vom Edelmetall Enttäuschten, die womöglich Ende der 70er Jahre auf damals relativ hohem Preisniveau zugelangt haben und jetzt nach drei Jahrzehnten endlich mit plus/minus Null oder leicht im Plus - zumindest nominal - aussteigen wollen. Dagegen gelten Edelmetalle in Schwellenländern, besonders unter goldaffinen Asiaten, wegen der Papiergeldentwertung als einzig wahres Geld, das man bei Bedarf in Lebensmittel, Kleidung usw. eintauscht und das danach auf dem Umweg über die gängigen Handelsketten zum Weltmarkt gelangt. Eine akute Gefahr droht von dieser Seite zurzeit nicht.

Schließlich stellt sich die Frage, wie lange der spätestens im April 2001 begonnene Aufwärtstrend des Goldpreises noch anzuhalten verspricht. Sie ist selbstverständlich nicht eindeutig zu beantworten. Dennoch erscheint es reizvoll, der Antwort anhand der Geschichte des Aufwärtszyklus aus den 70er Jahren näher zu kommen. Damals gab es nämlich eine Vorgeschichte, als der Londoner Goldpool bereits zu Beginn der 60er Jahre den Goldpreis nach unten manipulierte, sprich, bei 35 Dollar je Unze festhielt. So gesehen, dauerte der später folgende Aufwärtstrend eigentlich fast zwei Jahrzehnte, nämlich bis Januar 1980.

Der aktuelle Aufwärtstrend ist noch nicht einmal neun Jahre alt; und sogar wenn man den Start an das Septemberende 1999 verlegt, kommen gerade gut zehn Jahre zusammen - bei einer extrem niedrigen, so gut wie nicht vorhandenen Inflationsrate, während diese Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre zweistellig war. Bietet sich nun ein Vergleich der 60er Jahre mit den 90er Jahren an, als der Goldpreis ebenfalls nach unten manipuliert wurde, wenngleich viel trickreicher als zu Zeiten des Londoner Goldpools? Nein, denn da blieb er nicht konstant stehen (wie seinerzeit bei 35 Dollar), sondern er fiel, unterbrochen nur von kurzen Ausreißern nach oben: 1993, 1996 und wie beschrieben 1999. Fazit: Im Zuge des aktuellen Aufwärtstrends haben wir beim Gold erst etwa die Hälfte der Etappe zurückgelegt, bei Silber noch nicht einmal das. Denken Sie an solche Zusammenhänge, wenn die Edelmetallpreise mit ihren zwischenzeitlichen Rückschlägen Sie wieder mal nervös machen sollten. Abgerechnet wird zum Schluss.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).










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