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Wege aus der Schuldenkrise

15.01.2012  |  Klaus Singer
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An einem praktischen Beispiel kann verdeutlicht werden, wie schwierig es ist, aus dem Schuldenproblem herauszuwachsen: Der italienische Staat verzeichnet eine Schuldenquote von 120%. Angenommen, Italien muss seine Schulden mit 6% verzinsen. Weiter angenommen, das Wachstum der italienischen Wirtschaft liegt bei 2%. Dann muss das Land einen Überschuss vor Zinszahlungen von 4,8% des BIP erwirtschaften, um die Schuldenquote gerade stabil zu halten. Halbiert sich das Wachstum, ist ein schon Überschuss von 6% des BIP nötig.

Wird versucht, den Budget-Überschuss über Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen zu steigern, besteht das Risiko, über eine nachfolgende (weitere) Abschwächung der Wachstums eine Abwärtsspirale auszulösen. Das Risiko ist umso höher, je produktiver und konsumorientierter die Wirtschaft des Landes ist - und umgekehrt...

Der dritte Weg: "Schulden-Restrukturierung und Abschreibungen". Wie Graeber in seinem Buch "Debt: The First 5.000 Years" schreibt, gab es schon im alten Mesopotamien eine periodische Annullierung von Schulden. Die Autoren unterstellen, dass bei einer BIP-Quote von 220% der Schulden von Haushalten, nicht-Finanz-Unternehmen und Regierung ein Schuldenüberhang von 4 Bill. Dollar in den USA und 2,6 Bill. Euro in der Eurozone besteht. Angesichts der Kapitalschwäche der Banken insbesondere in Europa müsste bei einer Abschreibung dieses Überhangs der Staat einspringen. Der ist jedoch selbst überverschuldet. Also könnte er versucht sein, die nötigen Mittel durch eine Einmal-Steuer auf Finanzanlagen beizutreiben. Diese müsste unter der angegebenen Voraussetzung 12, bzw. 14% betragen. Da ein solches Vorgehen nicht gerade populär ist, wird die Politik diesen radikalen Schritt kaum gehen (jedenfalls nicht so bald).

Als vierter und letzter Weg bleibt die Inflationierung. Solche "finanzielle Repression" setzt voraus, dass das Zinsniveau für längere Zeit unter den nominalen Wachstumsraten liegt. Das ist gegenwärtig nicht der Fall und mit steigender Risikoaversion angesichts einer möglichen Rezession kann sich dieses Verhältnis noch weiter verschlechtern. Da die Wachstumsaussichten aufgrund der hohen Schuldenlast eher ungünstig sind, hat die Fed versucht, mittels QE über höhere Inflation ein höheres nominales Wachstum zu erzeugen.

Das hatte keinen wirklich durchschlagenden Erfolg. Die Wirtschaftssubjekte erwarteten angesichts Überkapazität und Überschuldung keine nachhaltigen Preissteigerungen. Wird die QE-Politik fortgesetzt, steigt auch der monetäre Überhang weiter. Eines Tages kann -bildlich gesprochen- das Fass überlaufen, die Überschussliquidität flutet in die Realwirtschaft. Wenn die Öffentlichkeit dann das Vertrauen in die Geldwertstabilität verliert, entsteht eine inflationäre Blase.

Gegen Inflation spricht zwar aktuell das Überangebot an Arbeit und fortgesetzter Wettbewerb mit den Emerging Markets. Je länger allerdings das niedrige Wirtschaftswachstum in den industrialisierten Ländern anhält, je größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese zu protektionistischen Maßnahmen greifen. Das führt über Wettbewerbsausschluss zu Preisdruck.

Die Geldumlaufgeschwindigkeit in den USA bewegt sich nahe ihrem Allzeittief (siehe Chart!). Allein bei Rückkehr zu ihrem langfristigen Mittelwert, würde sich das Preisniveau mindestens verdoppeln wenn die Fed nicht gleichzeitig ihre Bilanz um 1,8 Bill. Dollar verkürzt, um die Überschussliquidität abzuschöpfen.

Auch wenn Inflationierungspolitik verführerisch sein mag, um die Schuldenbelastung zurückzufahren - ab einem bestimmten Punkt ist es schwer, den Geist wieder in die Flasche zurückzuholen. Als kritische Grenze wird häufig fünf Prozent Inflationsrate genannt.

Ein einfaches Rezept zur Schuldenreduktion gibt es nicht, zumal neben den "harten“ ökonomischen Faktoren der Einfluss von Stimmungen, Erwartungen und Vertrauen besondere Bedeutung hat und durch solche weichen Faktoren das labile Gleichgewicht, in dem sich übermäßig verschuldete Wirtschaftssysteme befinden, schnell kippen kann.

Nötig ist nach Meinung der Autoren der Boston Consulting Group eine Kombination von Maßnahmen:

Eine koordinierte Rebalancierung der globalen Handelsflüsse, bei der die Emerging Markets, Deutschland und Japan mehr importieren müssen, um die Schuldenländer Mittel verdienen zu lassen, die sie zur Schuldentilgung benötigen.

Der Finanzsektor muss stabilisiert werden durch Rekapitalisierung und behutsames Deleveraging. Die neuen Kapiatlregeln (nach Basel III) hingegen ermuntern Banken, ihre Bilanzen zu verkürzen auf Kosten der Finanzierung kommerzieller Aktivitäten.

Übermäßige Verschuldung muss idealerweise durch ordentliche Restrukturierung oder aber durch Inflationierung zurückgeführt werden.

Die aktuelle Politik verfehlt diese Kriterien. Jede neue Rezession erhöht vor dem Hintergrund der zunehmenden und unhaltbaren Schuldenpegel kurzfristig das Risiko von Pleiten und mittelfristig von unbeherrschbarer Inflation. Dabei kann die spezifische Situation in Europa die Risiken noch deutlich verstärken.

(Der Text wurde gekürzt " in voller Länge zusammen mit den erwähnten Charts einsehbar unter: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/)


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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