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Jahresbericht 2009: "Too big to fail"?

15.01.2010  |  Redaktion
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Ein ähnliches Bild ergibt sich in Europa, insbesondere in Spanien und Großbritannien. Der Einbruch des zuvor stark überhitzten Immobilienmarktes hat die Neubauaktivitäten in diesen Ländern praktisch zum Stillstand kommen lassen.

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Grafik 6 (Quelle: Span. Statistikamt, Communities and Local Government, London; Werte für 2009: Q1 bis Q3)


Ganz anders sieht es dagegen in den Schwellenländern aus, die sich als Stütze der Weltwirtschaft erweisen und sich zunehmend zu deren zukünftigem Hoffnungsträger entwickeln, wie ein Blick auf die PKW-Absatzzahlen verdeutlicht.

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Tabelle 2 (Quelle: Bloomberg, IWF)


Auch wenn die Absatzzahlen in fast allen Ländern von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen profitiert haben, sind die Dynamik und das mittlerweile erreichte Absatzvolumen der Schwellenländer beeindruckend. China hat im Jahr 2009 nach Stückzahl zu den USA aufgeschlossen. Das Bruttoinlandsprodukt von China, Brasilien und Indien hat 2009 bereits die Hälfte der US-Wirtschaftsleistung erreicht. Ohne die Wachstumsimpulse der Schwellenländer würde die Weltwirtschaft 2010 bestenfalls stagnieren.

Deshalb werden die Schwellenländer für die westlichen Konzerne immer wichtiger. So plant Coca Cola, in den nächsten 10 Jahren 60 Prozent seines Wachstums in den Schwellenländern zu erzielen. Ein starker Wachstumsimpuls geht vor allem von den erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen aus. China plant, sein Schienennetz von derzeit 86.000 Kilometern bis 2020 auf 120.000 Kilometer auszubauen und landesweit 40 Metrolinien zu errichten. Indien plant jährlich fast 10 Mrd. Euro in die Modernisierung des maroden Schienennetzes zu investieren und im zuletzt stark gebeutelten Russland sind es (angeblich) sogar fast 20 Mrd. Euro. Auch Brasilien muss seine Infrastruktur nicht zuletzt wegen der anstehenden sportlichen Großereignisse weiter modernisieren. Von solchen Maßnahmen profitieren westliche Infrastrukturausrüster wie Siemens, ABB oder Vossloh.

So ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen eine relativ gute Geschäftsentwicklung für Asien und Brasilien melden, in Europa und den USA aber noch keine wirkliche Belebung spüren. Da die Konjunkturprogramme langsam auslaufen, ist in den klassischen Industrieländern ein selbsttragender Aufschwung mit der Dynamik früherer Konjunkturzyklen nicht zu erwarten.

Die abnehmende Bedeutung des Westens für die Weltwirtschaft war bis zum Beginn der Finanzkrise eine eher schleichende Entwicklung, die als logische Konsequenz des Wohlstandsstrebens in den Schwellenländern anzusehen war. Mit der Finanzkrise hat sich dieser Prozess allerdings beschleunigt. Alle Blicke richten sich nach Osten, wenn es um das Schicksal der Weltwirtschaft geht. Der Beinahekollaps des Finanzsystems hat im Westen nicht nur zu einer Konjunkturschwäche ungeahnten Ausmaßes geführt, sondern auch die Staatsfinanzen zerrüttet. Damit dürfte der wirtschaftlichen Machtverschiebung bald eine politische folgen; der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao kann sich bei den Banken bedanken.


"Too big to fail"?

Wer hätte vor einem Jahr damit gerechnet, dass das Jahr 2009, zumindest bei einigen Instituten, zu einem Bonusrekordjahr werden würde? Die neue Gewinnwelle wäre ohne staatliche Rettungsmaßnahmen nicht möglich gewesen und basiert vor allem auf kostenloser Zentralbankliquidität sowie der zurückgewonnenen Risikofreudigkeit der Banker. Wie weit das Topmanagement vieler Institute der Realität entrückt ist, verdeutlicht die vielzitierte Aussage von Lloyd Blankfein, dem Chef von Goldman Sachs: "Ich bin nur ein Banker, der Gottes Werk verrichtet“ verrichtet". Für ein Institut, das einen großen Teil der Gewinne mit dem Eigenhandel verdient, ist dies zynisch.

Am 14. Dezember verkündete Josef Ackermann, die Deutsche Bank strebe für 2011 ein Gewinnpotential von 10 Mrd. Euro vor Steuern an. Dies wäre ein neuer Rekordgewinn, mit dem sogar das berühmte Eigenkapitalrenditeziel von 25% übertroffen würde. 6,3 Mrd. Euro, also mehr als 60 Prozent sollen allein aus der besonders risikobehafteten Investmentbankingsparte kommen. So lassen sich hohe Boni, laut Ackermann die DNA der Banker, rechtfertigen. Die UBS wollte da nicht zurückstehen und gab jüngst bekannt, für das Jahr 2012 einen neuen Rekordgewinn anzustreben. Soviel Chuzpe macht Angst. Vergessen scheint der angerichtete Flurschaden, den die Bevölkerung, insbesondere die Steuerzahler, nun schmerzhaft zu beseitigen haben.

Die Gesundheit des Finanzsektors sollte uns nicht nur wegen seiner Bedeutung für die Realwirtschaft am Herzen liegen, sondern ist auch deshalb überlebenswichtig, weil wir ihn nicht ein zweites Mal retten können. Angesichts der hochgesteckten Gewinnziele möchte man meinen, dass schon wieder alles in bester Ordnung sei. In den Bankbilanzen verbergen sich aber immer noch große Risiken. Der IWF schätzt, dass 50 Prozent der Verluste auf faule Kredite und Derivate immer noch nicht wertberichtigt sind.

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Tabelle 3 (Quelle: Bloomberg, Daten per 31. Dezember 2009)


Damit würden in den nächsten Jahren nochmals mehr als 1.000 Mrd. Dollar Abschreibungen anfallen, die zumindest teilweise durch Kapitalerhöhungen gedeckt werden müssen. Die EZB schätzt den Risikovorsorgebedarf allein der europäischen Banken für 2010 auf 187 Mrd. Euro.





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