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Jahresbericht 2009: "Too big to fail"?

15.01.2010  |  Redaktion
- Seite 7 -
Das kritische Zinsniveau in der letzten Spalte ergibt sich bei unveränderter Staatsverschuldung und Steuerquote. Ein weiterer Anstieg der Staatsverschuldung würde das kritische Zinsniveau fallen lassen et vice versa. Ohne die niedrigen Zinsen hätten viele Staaten Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bedienen und neue Mittel zu vertretbaren Konditionen aufzunehmen. So plant der Bund, 2010 eine Rekordsumme von 343 Mrd. Euro zu emittieren (inkl. Ersetzung fälliger Anleihen).

Großbritannien muss auch im kommenden Fiskaljahr wieder eine Neuverschuldung von über 200 Mrd. Pfund am Kapitalmarkt aufnehmen und auch in den Folgejahren Defizite von über 5 Prozent des BIP finanzieren.

Die USA müssen voraussichtlich eine Nettoneuverschuldung von 1.500 Mrd. Dollar finanzieren. Diese Summe könnte sich aufgrund der Aufhebung der Obergrenze von bislang 200 Mrd. Dollar für Garantien auf Kredite der Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac noch weiter erhöhen. Die Frage ist, wer diese Staatsanleihen kaufen soll, denn Herrn Wang ist der Appetit längst vergangen. Statt US-Staatsanleihen stehen Rohstoffe zur strategischen Absicherung des chinesischen Wirtschaftswachstums auf seinem Einkaufszettel (China hat 2009 netto nur noch für ca. 100 Mrd. US-Dollar Treasuries gekauft). Also wird die US-Notenbank die Gelddruckmaschine weiter am Laufen halten müssen, auch wenn damit das Risiko eines völligen Glaubwürdigkeitsverlustes verbunden ist.

Die Staaten befinden somit sich in einer verzwickten Situation. So sehr sie den Konjunkturaufschwung herbeisehnen, der zu höheren Staatseinnahmen führen würde, so sehr müssen sie den dadurch zu erwartenden Renditeanstieg ihrer Anleihen fürchten, der sie in große Finanzierungsprobleme bringen könnte.

Die Notenbanken werden aber aufgrund der immer noch fragilen Wirtschaftslage in den klassischen Industrienationen und der niedrigen Inflationsraten noch eine ganze Weile an ihrer Tiefzinspolitik festhalten und damit das Zinsniveau am kurzen Ende niedrig halten.

Für Investoren bleiben Staatsanleihen weiterhin unattraktiv. Bei kurzen Laufzeiten ist der Zins praktisch gleich Null. Bei längeren Laufzeiten drohen wegen des zu erwartenden Renditeanstiegs empfindliche Kursverluste. Bei guter Konjunkturentwicklung steigen die Zinsen wegen der damit verbundenen Inflationsgefahr und bei schlechter Konjunktur wegen zunehmender Bonitätsrisiken.

Allerdings gilt es auch hier zu differenzieren. Einstweilen bleibt Deutschland der Einäugige unter den Blinden und deutsche Bundesanleihen der relativ sicherste Hafen im Falle eines globalen Bonitätstsunamis. Und dann gibt es ja noch Herrn Wang, der als Retter in größter Not die Funktion des "Lender of Last Resort" übernehmen kann. Damit würde die durch die Finanzkrise beschleunigte Verschiebung der globalen Machtverhältnisse in Richtung Osten eine neue Dimension erreichen. Mandarinunterricht würde dann zum Pflichtfach in westlichen Schulen werden.


Aktien

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Grafik 13 (Quelle: FvS Research)


Die für die Aktienmärkte belastenden Faktoren gewinnen an Bedeutung. Die Weltwirtschaft ist zwar durch den massiven Einsatz starker Medikamente auf dem Weg der Besserung; sie wird aber aufgrund der Fragilität des Finanzsystems und der explodierenden Staatsverschuldung kaum einen ähnlich starken Expansionspfad beschreiten, wie in den Jahren 2003 bis 2007. Die Probleme des Finanzsektors sind noch nicht gelöst, der Konsum in den westlichen Industrieländern bleibt schwach und die Staatsverschuldung führt mittelfristig im besten Fall zu einer starken Drosselung der Staatsausgaben und höheren Abgaben, die wiederum die Konsum- und Investitionsfähigkeit begrenzen. Als Lichtblick bleiben die wachstumsstarken Schwellenländer, die die Karre aus dem Dreck ziehen müssen und natürlich das extrem niedrige Zinsniveau, das kaum veritable Renditealternativen bietet.

Die Aktienmarktentwicklung hat bereits eine recht deutliche Konjunkturerholung vorweggenommen. Vor allem Aktien konjunkturzyklischer Werte bergen daher Enttäuschungspotenzial. So notiert die Aktie von BASF, dem mit 62 Mrd. Euro Umsatz weltgrößten Chemieunternehmen, mit rund 44 Euro auf dem gleichen Niveau wie im Sommer 2007 und nur noch 15% unter ihrem Allzeithoch von 52 Euro. Der BASF Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht sprach in einem Interview Ende Dezember von "ersten Erholungstendenzen", die in der Branche erkennbar seien. Ein Blick auf die folgende Grafik ließe eher die Aussage erwarten: "in spätestens zwei Jahren werden wir den Rekordgewinn aus 2007 wieder erreichen".

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Grafik 14 (Quelle: FvS Research, Bloomberg)


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Grafik 15 (Quelle: FvS Research, Bloomberg)


Das "einfache" Geld an den Aktienmärkten erscheint somit bereits verdient. Die Märkte haben den Unternehmen viel Vertrauensvorschuss gegeben, den diese nun mit guten Ergebnissen zurückzahlen müssen. Analog zum Jahre 2004 erscheint deshalb in 2010 eine leichte Korrektur oder Seitwärtsbewegung wahrscheinlich. Dramatische Kurseinbrüche erwarten wir nicht, denn viele Investoren sind unterinvestiert und warten auf eine Einstiegschance, um ihre unverzinsten Kassebestände und niedrig rentierlichen Anleihen renditeträchtiger zu investieren.





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