Zahlmeister Deutschland
14.02.2010 | Manfred Gburek
Amerikanische Behörden, Geheimdienste, sonstige US-Organisationen und US-Konzerne sind bekannt dafür, dass sie, wenn es um Daten geht, nie genug bekommen können. Das entspricht im privaten Bereich - dann umgekehrt - den netten Bürgern der USA, die einem direkt nach der Begrüßung verraten, wie viel sie verdienen und was ihr Haus gekostet hat. In Europa ist vieles anders, und deshalb hat das Europäische Parlament das Swift-Abkommen gekippt. Daraus folgt: Die Daten von täglich 15 Millionen Geldbewegungen über diese belgische Finanzdrehscheibe werden nicht automatisch den vermeintlichen amerikanischen Terrorfahndern zur Verfügung stehen, hinter denen sich alle möglichen US-Interessengruppen verbergen können, auch Geheimdienste und international agierende Konzerne. Der American Way of Life, im privaten Sektor auf dem europäischen Kontinent mit McDonald"s, Coca Cola & Co. längst etabliert, hat also im öffentlichen Sektor von der EU zum ersten Mal wirklich seine Grenzen aufgezeigt bekommen.
Schadenfreude ist allerdings fehl am Platz. Denn ganz unamerikanisch geht es in der EU wahrlich nicht zu, und da wird es erst richtig spannend, weil Griechenland involviert ist: Das Land gehört zur östlichen Flanke der von den USA dominierten Nato, ist also für den ganzen Westen strategisch sehr wichtig. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass Griechenland - wie russische Quellen belegen - etwa vier Prozent der auf dem Weltmarkt verfügbaren Waffen einkauft. Das ist, und seien die offiziellen Waffenstatistiken noch so sehr mit Schätzungen durchsetzt, ein internationaler Spitzenwert.
Damit nicht genug, die große Bedeutung Griechenlands ging, so widersprüchlich das auf Anhieb erscheinen mag, auch aus der Unentschlossenheit der Euro-Länder am vergangenen Donnerstag hervor. Die entschieden da nämlich, dem Land zu helfen, falls seine Anleihen im April nicht genug Käufer finden. Abgesehen davon, dass wir uns erst im Februar befinden und die zwei Monate bis zum April wegen der hohen Sensibilität in Bezug auf die griechischen Schulden unter Umständen gefühlten Lichtjahren entsprechen könnten: Der Staatshaushalt Griechenlands unterliegt zurzeit nicht nur der Kontrolle der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB), sondern auch der des Internationalen Währungsfonds (IWF) - und in dem geht ohne die USA gar nichts.
Dass Griechenland seine Schulden, wie von einigen Träumern vorgeschlagen, in zwei oder drei Jahren auf die Euro-Norm zurückführt, ist illusorisch. Dass die Wackelkandidaten Spanien, Portugal, Irland und ggf. Italien keine EU-Hilfen beantragen, falls das Trio aus EU, EZB und IWF den Griechen hilft, ist undenkbar. Und zwar aus einem Grund, der viel zu wenig diskutiert wird: Zieht man die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ermittelten Zahlen heran, haben die fünf Länder zusammen schätzungsweise Schulden in Höhe von einer satten Billion Euro allein bei den Banken der Euro-Länder. Das bedeutet: Müssten die Banken ihre Forderungen gegenüber diesen Ländern zum Teil abschreiben, käme es zu einer großen Bankenkrise und damit zu einem Härtetest für das ganze Euro-System. Daraus erklärt sich im Übrigen auch die jüngste Euro-Schwäche zum Dollar, die von interessierter Seite (vorwiegend von den an ihr verdienenden Investmentbanken) zusätzlich stimuliert wird.
Wie geht es weiter? Da der Fall Griechenland zur Nagelprobe für das Euro-System geworden ist, muss - anstelle von weiteren Einzelmaßnahmen, etwa zugunsten von Portugal oder Spanien - eine durchgreifende Lösung für das ganze System kommen, sonst droht über die große Bankenkrise hinaus auch noch eine Währungskrise. Die folgende Lösung zeichnet sich ab: Unter der Führung von Deutschland und Frankreich wird eine Art Euro-Fonds nach IWF-Muster gebildet. Die beiden führenden Euro-Länder haben dann in dem Fonds das Sagen, wobei Deutschland als Europas Wirtschaftsnation Nummer eins zunehmend die Rolle des Zahlmeisters übernehmen muss. Griechenland wird - ebenso wie alle anderen Euro-Mitgliedsländer - natürlich gerettet, allerdings unter Bedingungen, die Deutschland und Frankreich entscheidend mitbestimmen.
Der Clou wird sein, dass die Länder, die den Euro bereits als Währung haben, potenziellen Euro-Kandidaten den Weg zur Gemeinschaftswährung versperren werden. Nach dem Motto: Seht, was mit Griechenland passiert ist, so etwas wollen wir kein zweites Mal erleben. Bis dahin wird es bei den Kursen von Anleihen der schwachen Euro-Länder drunter und drüber gehen; sie werden insgesamt weiter höhere Renditen und schlechtere Bewertungen durch Ratingagenturen haben als beispielsweise deutsche Bundesanleihen. Allerdings dürften die Spreads (Renditeunterschiede) nach und nach schrumpfen.
Fazit für Anleger: Lassen Sie das von Griechenland ausgelöste Euro-Gewitter vorbeiziehen und begehen Sie nicht den Fehler, sich jetzt in Dollar-Anleihen zu engagieren. Die auf Ankurbelung der Wirtschaft um fast jeden Preis ausgerichtete Politik der US-Regierung wie auch der Notenbank Fed ist wahrlich nicht dazu angetan. Indes, das Euro-System mit dem neuen Fonds nach IWF-Muster wird zunächst ebenfalls nicht gerade Vertrauen erweckend sein, weil es ja erst einmal die Probleme der zu hoch verschuldeten Länder lösen muss. Insofern könnten Euro-Anleihen bestenfalls interessant sein, wenn sie Restlaufzeiten unter zwei Jahren und ein Top-Rating (AAA bzw. Aaa) haben. Ihre Renditen sind dann aber so niedrig, dass Tages- oder Festgeldkonten bei Banken mit de facto unbegrenzter Einlagensicherung lukrativer erscheinen.
Da das Hin und Her der Aktienkurse mit insgesamt leicht nach unten gerichteter Tendenz wohl kaum zum Einstieg einlädt, bleibt die Frage, ob unter den liquiden Anlagen am Ende nicht doch die Edelmetalle unter Führung von Gold und Silber - trotz der beachtlichen Preissteigerungen seit 2001 - am lukrativsten erscheinen. Sie werfen zwar überhaupt keine Rendite ab, sind aber eine handfeste Wette auf immer höhere Schuldenberge, auf den daraus resultierenden Geldwertschwund und auf Währungsturbulenzen aller Art, von denen wir gerade eine in der Euro-Zone erleben. Ihr trotz zwischenzeitlicher Rückschläge ungebrochener langjähriger Aufwärtstrend spricht für eine solche Wette.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Autor zahlreicher Bücher. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Schadenfreude ist allerdings fehl am Platz. Denn ganz unamerikanisch geht es in der EU wahrlich nicht zu, und da wird es erst richtig spannend, weil Griechenland involviert ist: Das Land gehört zur östlichen Flanke der von den USA dominierten Nato, ist also für den ganzen Westen strategisch sehr wichtig. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass Griechenland - wie russische Quellen belegen - etwa vier Prozent der auf dem Weltmarkt verfügbaren Waffen einkauft. Das ist, und seien die offiziellen Waffenstatistiken noch so sehr mit Schätzungen durchsetzt, ein internationaler Spitzenwert.
Damit nicht genug, die große Bedeutung Griechenlands ging, so widersprüchlich das auf Anhieb erscheinen mag, auch aus der Unentschlossenheit der Euro-Länder am vergangenen Donnerstag hervor. Die entschieden da nämlich, dem Land zu helfen, falls seine Anleihen im April nicht genug Käufer finden. Abgesehen davon, dass wir uns erst im Februar befinden und die zwei Monate bis zum April wegen der hohen Sensibilität in Bezug auf die griechischen Schulden unter Umständen gefühlten Lichtjahren entsprechen könnten: Der Staatshaushalt Griechenlands unterliegt zurzeit nicht nur der Kontrolle der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB), sondern auch der des Internationalen Währungsfonds (IWF) - und in dem geht ohne die USA gar nichts.
Dass Griechenland seine Schulden, wie von einigen Träumern vorgeschlagen, in zwei oder drei Jahren auf die Euro-Norm zurückführt, ist illusorisch. Dass die Wackelkandidaten Spanien, Portugal, Irland und ggf. Italien keine EU-Hilfen beantragen, falls das Trio aus EU, EZB und IWF den Griechen hilft, ist undenkbar. Und zwar aus einem Grund, der viel zu wenig diskutiert wird: Zieht man die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ermittelten Zahlen heran, haben die fünf Länder zusammen schätzungsweise Schulden in Höhe von einer satten Billion Euro allein bei den Banken der Euro-Länder. Das bedeutet: Müssten die Banken ihre Forderungen gegenüber diesen Ländern zum Teil abschreiben, käme es zu einer großen Bankenkrise und damit zu einem Härtetest für das ganze Euro-System. Daraus erklärt sich im Übrigen auch die jüngste Euro-Schwäche zum Dollar, die von interessierter Seite (vorwiegend von den an ihr verdienenden Investmentbanken) zusätzlich stimuliert wird.
Wie geht es weiter? Da der Fall Griechenland zur Nagelprobe für das Euro-System geworden ist, muss - anstelle von weiteren Einzelmaßnahmen, etwa zugunsten von Portugal oder Spanien - eine durchgreifende Lösung für das ganze System kommen, sonst droht über die große Bankenkrise hinaus auch noch eine Währungskrise. Die folgende Lösung zeichnet sich ab: Unter der Führung von Deutschland und Frankreich wird eine Art Euro-Fonds nach IWF-Muster gebildet. Die beiden führenden Euro-Länder haben dann in dem Fonds das Sagen, wobei Deutschland als Europas Wirtschaftsnation Nummer eins zunehmend die Rolle des Zahlmeisters übernehmen muss. Griechenland wird - ebenso wie alle anderen Euro-Mitgliedsländer - natürlich gerettet, allerdings unter Bedingungen, die Deutschland und Frankreich entscheidend mitbestimmen.
Der Clou wird sein, dass die Länder, die den Euro bereits als Währung haben, potenziellen Euro-Kandidaten den Weg zur Gemeinschaftswährung versperren werden. Nach dem Motto: Seht, was mit Griechenland passiert ist, so etwas wollen wir kein zweites Mal erleben. Bis dahin wird es bei den Kursen von Anleihen der schwachen Euro-Länder drunter und drüber gehen; sie werden insgesamt weiter höhere Renditen und schlechtere Bewertungen durch Ratingagenturen haben als beispielsweise deutsche Bundesanleihen. Allerdings dürften die Spreads (Renditeunterschiede) nach und nach schrumpfen.
Fazit für Anleger: Lassen Sie das von Griechenland ausgelöste Euro-Gewitter vorbeiziehen und begehen Sie nicht den Fehler, sich jetzt in Dollar-Anleihen zu engagieren. Die auf Ankurbelung der Wirtschaft um fast jeden Preis ausgerichtete Politik der US-Regierung wie auch der Notenbank Fed ist wahrlich nicht dazu angetan. Indes, das Euro-System mit dem neuen Fonds nach IWF-Muster wird zunächst ebenfalls nicht gerade Vertrauen erweckend sein, weil es ja erst einmal die Probleme der zu hoch verschuldeten Länder lösen muss. Insofern könnten Euro-Anleihen bestenfalls interessant sein, wenn sie Restlaufzeiten unter zwei Jahren und ein Top-Rating (AAA bzw. Aaa) haben. Ihre Renditen sind dann aber so niedrig, dass Tages- oder Festgeldkonten bei Banken mit de facto unbegrenzter Einlagensicherung lukrativer erscheinen.
Da das Hin und Her der Aktienkurse mit insgesamt leicht nach unten gerichteter Tendenz wohl kaum zum Einstieg einlädt, bleibt die Frage, ob unter den liquiden Anlagen am Ende nicht doch die Edelmetalle unter Führung von Gold und Silber - trotz der beachtlichen Preissteigerungen seit 2001 - am lukrativsten erscheinen. Sie werfen zwar überhaupt keine Rendite ab, sind aber eine handfeste Wette auf immer höhere Schuldenberge, auf den daraus resultierenden Geldwertschwund und auf Währungsturbulenzen aller Art, von denen wir gerade eine in der Euro-Zone erleben. Ihr trotz zwischenzeitlicher Rückschläge ungebrochener langjähriger Aufwärtstrend spricht für eine solche Wette.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Autor zahlreicher Bücher. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).