Extreme
17.06.2005 | Klaus Singer
Genau berechnet ziehen sich die großen US-Indices an die Aufwärtslinie aus März 2003, bzw. im Falle des NDX an die aus Herbst 2002 heran. Sie gelten den Autoren dieser Bewegung wohl als Symbol des Bullentums. Eine Rückeroberung auf Tagesschlussbasis ist das "Alles wird gut"-Signal und soll auch dem letzten Akteur auf der Seitenlinie zu verstehen geben, dass der Zug nach Norden abfährt.
Die Verbraucherpreise sind im Mai um 0,1 Prozent zurückgegangen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,1 nach zuvor +0,5%. Die Kernrate ist um 0,1 Prozent geklettert. Erwartet wurde plus 0,2 nach zuletzt 0,0 Prozent. Der unerwartete Rückgang der Verbraucherpreise wurde zurückgeführt auf eine Abnahme der Energiepreise um 2,0 Prozent. Sie waren zuletzt im Juli 2004 derart stark gesunken.
Der New York Empire State Index notiert bei plus 11,65. Erwartet wurde der Index, dem eine Zeigerfunktion für den viel beachteten ISM-Index der Einkaufsmanager zugesprochen wird, im Bereich zwischen plus 1,0 und 3,0 nach zuvor minus 11,06. Sein ebenfalls aufmerksam verfolgter Kollege, der Philly-Fed-Index sank für Juni von 7,3 im Vormonat auf minus 2,2. Das war der erste negative Wert seit Mai 2003. Er wurde bei plus 9,4 erwartet.
Der Ölmarktbericht am Mittwoch dieser Woche sah die Rohölvorräte um 1,8 Millionen Barrel fallen, auch die Benzinvorräte gingen weiter zurück. Die Bevorratung an Destillaten hingegen nahm um 2,5 Millionen zu. Das American Petroleum Institute (API) jedoch sah eine Zunahme der Rohöllager um 4,5 Millionen Barrel. Danach kannte der Rohölpreis nur noch eine Richtung, die nach oben. Der maßgebliche LC-Future durchbrach die Marke von 56 Dollar und jetzt spricht nicht viel dagegen, dass er Kurs auf 60 Dollar nimmt.
Ausländische Investoren haben im April in den USA Wertpapiere für netto 47,4 Mrd. Dollar gekauft nach 40,6 Mrd. Dollar einen Monat zuvor. Erwartet wurden Nettozuflüsse von 60 Mrd. Dollar. Flugs kam das Problem des Handelsbilanzdefizits wieder ins Bewusstsein. Aber genauso schnell war es auch wieder vergessen. Übrigens: Nach Angaben des Treasury Departments hätten ausländische Zentralbanken insbesondere mehr T-Bonds gekauft (und den Dollar stark gemacht).
Das Beige Book weist aus, dass sich die US-Wirtschaft weiter auf einem Wachstumspfad bewegt. Der Preisdruck ist dabei nach wie vor moderat. Die Fed gibt sich überzeugt, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt nun wieder verbessern werde. Es seien schon vereinzelte Engpässe in den Sektoren Energie- und Bau aufgetreten, heißt es. Die Märkte nahmen das Beige Book positiv auf. In der Folge gingen die Zinsen für Drei-Monats-Geld etwas zurück. Anscheinend hoffen jetzt einige zumindest darauf, dass der nächste Zinsschritt (Ende des Monats) ausfällt.
Die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosengeld erhöhte sich um 1.000 auf 333.000. Für die Vorwoche war ein Rückgang auf 332.000 ermittelt worden. Volkswirte hatten im Vorfeld ein Niveau von 330.000 erwartet. Der gleitende Vier-Wochen-Durchschnitt stieg um 2.750 auf 335.000.
Die Kapazitätsauslastung lag im Mai bei 79,4 Prozent. Das ist mehr als mit 79,2 bis 79,3 Prozent nach zuvor 79,1 Prozent erwartet. Die Industrieproduktion entwickelte sich im Mai positiv. Sie stieg um 0,4 Prozent, prognostiziert wurde ein Anstieg um 0,2 nach zuvor minus 0,3 Prozent.
Die Fülle von Daten und Nachrichten von der Makroökonomie wurde positiv gewertet und in Gewinne an den Aktienmärkten umgesetzt. Unter der Voraussetzung, dass alles gut bleibt, prognostizieren immer mehr Analysten, alles wird gut.
Dumm nur, dass die Finanzmärkte reihenweise Extreme produziert. Da ist zunächst der Ölpreis, der nach oben durchgebrochen ist. Die daraus herrührende Belastung wird aktuell wegzustecken versucht. Sogar Aktien des vom Ölpreis besonders abhängigen Transportsektors werden wieder gekauft. Der entsprechende Teilindex DJT schaffte es jüngst, seine kurzfristige Aufwärtslinie zurück zu erobern. Er war bis zum Jahreswechsel monatelang Outperformer. Anscheinend wollen die Akteure jetzt wieder dort anknüpfen. Der Ölpreis hatte den Index auch im vergangenen Jahr kaum tangiert. Die steigenden Transportkosten waren Beleg dafür, dass die Branche Marktmacht hat. Man darf gespannt sein, wie sich der DJT weiter entwickelt. Ihm kommt nach Dow-Theorie eine besondere Bedeutung zu.
Die Anleihemärkte melden ebenfalls eine Extremsituation. Zwar ist die Rendite zuletzt von den Tiefs bei deutlich unter 4 Prozent für die zehnjährigen TBonds wieder etwas gestiegen, aber eine solide Bewegung raus aus Anleihen ist nicht fest zu stellen. Ein solcher Schub steckt -wenn er denn kommt- bestenfalls in den Kinderschuhen. Viele Akteure werten das als konjunkturelles Warnsignal.
In die Rubrik "Extreme" kann man auch einordnen, was gegenwärtig an der Währungsfront geschieht. Der Euro ist hoffnungslos überverkauft und kommt trotzdem nicht in die Gänge. Gold eilt andererseits von Hoch zu Hoch und scheint sich von der inversen Bindung an den Dollar abgekoppelt zu haben. Wird der starke Dollar zum Kauf von Gold benutzt oder treiben Ängste vor einem Euro-Kollaps die Gold-Preise?
Unterdessen präsentieren sich die Aktienmärkte in höchstem Maße einladend. Sie haben dabei Rückendeckung durch die jüngsten Makrodaten, die den Eindruck erwecken, dass die US-Wirtschaft ihre Wachstumsdelle bald hinter sich lassen könnte. Die Ende April gestartete Aufwärtsbewegung war angeführt worden von der Technologie. Mancher Beobachter glaubt an weitere überproportionale Kursgewinne hier, weil die Technologie in besonderem Maße von einer konjunkturellen Situation profitieren sollte, in der die Möglichkeiten der Unternehmen, steigende Kosten zu überwälzen, beschränkt sind. Die Steigerung der Produktivität wird dann zum Schlüssel und hier spielen die Technologien Computernetzwerke, Internet und Telekommunikation eine besondere Rolle.
Dumm nur, dass auch die Aktienmärkte an einem Extrem angekommen sind. Der die implizite Volatilität messende VIX ist mit einem Stand von knapp über 11 im Bereich von mehrjährigen Tiefs angekommen. Die hierdurch signalisierte Sorglosigkeit hatte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zur Erschöpfung der Aufwärtsbewegung und zu empfindlichen Rückschlägen geführt. Der Umsatz mit Index-Derivaten auf den S&P 500 explodierte gestern förmlich. Die Akteure haben wohl die durch die niedrige implizite Volatilität niedrigen Aufgelder nutzen wollen. Im laufenden Jahr wurden lediglich Mitte April höhere Umsatzwerte verzeichnet. Gemessen am PCR ist die Positionierung bullisch, Extremwerte wurden hier zuletzt jedoch nicht erreicht.
Um die Aktienmärkte in der aktuellen Situation weiter nach oben zu treiben, gehört neben der Überzeugung einer weiter positiven Makrosituation, dass ordentliche Kursgewinne zu erwarten sind. Hierzu müssen die Märkte absolut und relativ günstig bewertet sein. Das ist augenblicklich der Fall, zumindest so lange man die Gewinnprognosen für realistisch hält, und das gilt auch mit Blick auf die lausigen Anleiherenditen. Immer vorausgesetzt, die Mehrheit der Akteure glaubt an ein vorteilhaftes konjunkturelles Rahmenszenario.
Die Entwicklung des PCR lässt vermuten, dass das Potenzial an Bären, die durch Auflösung ihrer Positionen die Kurse kurzfristig treiben könnten, nicht allzu üppig ist. Der dringenden Einladung der Aktienbullen an das Anleihekapital wurde bislang auch nur zögerlich Folge geleistet, wie der nach wie vor recht flache Umsatzverlauf bei Aktien ausweist. Ob sich hier unmittelbar etwas ändert, wird sich wohl erst mit dem heutigen großen Verfallstag ergeben. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die Seitenlinie mit Blick auf die ausgelaugten Marktinterna auf einen korrektiven Rücksetzer spekuliert - und ihn auch bekommt.
Bei all dem fragt sich auch, welche Märkte den steigenden Ölpreis wie lange dieses Mal ignorieren können. Bei weiter schwachem Euro dürften die europäischen Märkte die Auswirkungen am schnellsten spüren.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Die Verbraucherpreise sind im Mai um 0,1 Prozent zurückgegangen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,1 nach zuvor +0,5%. Die Kernrate ist um 0,1 Prozent geklettert. Erwartet wurde plus 0,2 nach zuletzt 0,0 Prozent. Der unerwartete Rückgang der Verbraucherpreise wurde zurückgeführt auf eine Abnahme der Energiepreise um 2,0 Prozent. Sie waren zuletzt im Juli 2004 derart stark gesunken.
Der New York Empire State Index notiert bei plus 11,65. Erwartet wurde der Index, dem eine Zeigerfunktion für den viel beachteten ISM-Index der Einkaufsmanager zugesprochen wird, im Bereich zwischen plus 1,0 und 3,0 nach zuvor minus 11,06. Sein ebenfalls aufmerksam verfolgter Kollege, der Philly-Fed-Index sank für Juni von 7,3 im Vormonat auf minus 2,2. Das war der erste negative Wert seit Mai 2003. Er wurde bei plus 9,4 erwartet.
Der Ölmarktbericht am Mittwoch dieser Woche sah die Rohölvorräte um 1,8 Millionen Barrel fallen, auch die Benzinvorräte gingen weiter zurück. Die Bevorratung an Destillaten hingegen nahm um 2,5 Millionen zu. Das American Petroleum Institute (API) jedoch sah eine Zunahme der Rohöllager um 4,5 Millionen Barrel. Danach kannte der Rohölpreis nur noch eine Richtung, die nach oben. Der maßgebliche LC-Future durchbrach die Marke von 56 Dollar und jetzt spricht nicht viel dagegen, dass er Kurs auf 60 Dollar nimmt.
Ausländische Investoren haben im April in den USA Wertpapiere für netto 47,4 Mrd. Dollar gekauft nach 40,6 Mrd. Dollar einen Monat zuvor. Erwartet wurden Nettozuflüsse von 60 Mrd. Dollar. Flugs kam das Problem des Handelsbilanzdefizits wieder ins Bewusstsein. Aber genauso schnell war es auch wieder vergessen. Übrigens: Nach Angaben des Treasury Departments hätten ausländische Zentralbanken insbesondere mehr T-Bonds gekauft (und den Dollar stark gemacht).
Das Beige Book weist aus, dass sich die US-Wirtschaft weiter auf einem Wachstumspfad bewegt. Der Preisdruck ist dabei nach wie vor moderat. Die Fed gibt sich überzeugt, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt nun wieder verbessern werde. Es seien schon vereinzelte Engpässe in den Sektoren Energie- und Bau aufgetreten, heißt es. Die Märkte nahmen das Beige Book positiv auf. In der Folge gingen die Zinsen für Drei-Monats-Geld etwas zurück. Anscheinend hoffen jetzt einige zumindest darauf, dass der nächste Zinsschritt (Ende des Monats) ausfällt.
Die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosengeld erhöhte sich um 1.000 auf 333.000. Für die Vorwoche war ein Rückgang auf 332.000 ermittelt worden. Volkswirte hatten im Vorfeld ein Niveau von 330.000 erwartet. Der gleitende Vier-Wochen-Durchschnitt stieg um 2.750 auf 335.000.
Die Kapazitätsauslastung lag im Mai bei 79,4 Prozent. Das ist mehr als mit 79,2 bis 79,3 Prozent nach zuvor 79,1 Prozent erwartet. Die Industrieproduktion entwickelte sich im Mai positiv. Sie stieg um 0,4 Prozent, prognostiziert wurde ein Anstieg um 0,2 nach zuvor minus 0,3 Prozent.
Die Fülle von Daten und Nachrichten von der Makroökonomie wurde positiv gewertet und in Gewinne an den Aktienmärkten umgesetzt. Unter der Voraussetzung, dass alles gut bleibt, prognostizieren immer mehr Analysten, alles wird gut.
Dumm nur, dass die Finanzmärkte reihenweise Extreme produziert. Da ist zunächst der Ölpreis, der nach oben durchgebrochen ist. Die daraus herrührende Belastung wird aktuell wegzustecken versucht. Sogar Aktien des vom Ölpreis besonders abhängigen Transportsektors werden wieder gekauft. Der entsprechende Teilindex DJT schaffte es jüngst, seine kurzfristige Aufwärtslinie zurück zu erobern. Er war bis zum Jahreswechsel monatelang Outperformer. Anscheinend wollen die Akteure jetzt wieder dort anknüpfen. Der Ölpreis hatte den Index auch im vergangenen Jahr kaum tangiert. Die steigenden Transportkosten waren Beleg dafür, dass die Branche Marktmacht hat. Man darf gespannt sein, wie sich der DJT weiter entwickelt. Ihm kommt nach Dow-Theorie eine besondere Bedeutung zu.
Die Anleihemärkte melden ebenfalls eine Extremsituation. Zwar ist die Rendite zuletzt von den Tiefs bei deutlich unter 4 Prozent für die zehnjährigen TBonds wieder etwas gestiegen, aber eine solide Bewegung raus aus Anleihen ist nicht fest zu stellen. Ein solcher Schub steckt -wenn er denn kommt- bestenfalls in den Kinderschuhen. Viele Akteure werten das als konjunkturelles Warnsignal.
In die Rubrik "Extreme" kann man auch einordnen, was gegenwärtig an der Währungsfront geschieht. Der Euro ist hoffnungslos überverkauft und kommt trotzdem nicht in die Gänge. Gold eilt andererseits von Hoch zu Hoch und scheint sich von der inversen Bindung an den Dollar abgekoppelt zu haben. Wird der starke Dollar zum Kauf von Gold benutzt oder treiben Ängste vor einem Euro-Kollaps die Gold-Preise?
Unterdessen präsentieren sich die Aktienmärkte in höchstem Maße einladend. Sie haben dabei Rückendeckung durch die jüngsten Makrodaten, die den Eindruck erwecken, dass die US-Wirtschaft ihre Wachstumsdelle bald hinter sich lassen könnte. Die Ende April gestartete Aufwärtsbewegung war angeführt worden von der Technologie. Mancher Beobachter glaubt an weitere überproportionale Kursgewinne hier, weil die Technologie in besonderem Maße von einer konjunkturellen Situation profitieren sollte, in der die Möglichkeiten der Unternehmen, steigende Kosten zu überwälzen, beschränkt sind. Die Steigerung der Produktivität wird dann zum Schlüssel und hier spielen die Technologien Computernetzwerke, Internet und Telekommunikation eine besondere Rolle.
Dumm nur, dass auch die Aktienmärkte an einem Extrem angekommen sind. Der die implizite Volatilität messende VIX ist mit einem Stand von knapp über 11 im Bereich von mehrjährigen Tiefs angekommen. Die hierdurch signalisierte Sorglosigkeit hatte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zur Erschöpfung der Aufwärtsbewegung und zu empfindlichen Rückschlägen geführt. Der Umsatz mit Index-Derivaten auf den S&P 500 explodierte gestern förmlich. Die Akteure haben wohl die durch die niedrige implizite Volatilität niedrigen Aufgelder nutzen wollen. Im laufenden Jahr wurden lediglich Mitte April höhere Umsatzwerte verzeichnet. Gemessen am PCR ist die Positionierung bullisch, Extremwerte wurden hier zuletzt jedoch nicht erreicht.
Um die Aktienmärkte in der aktuellen Situation weiter nach oben zu treiben, gehört neben der Überzeugung einer weiter positiven Makrosituation, dass ordentliche Kursgewinne zu erwarten sind. Hierzu müssen die Märkte absolut und relativ günstig bewertet sein. Das ist augenblicklich der Fall, zumindest so lange man die Gewinnprognosen für realistisch hält, und das gilt auch mit Blick auf die lausigen Anleiherenditen. Immer vorausgesetzt, die Mehrheit der Akteure glaubt an ein vorteilhaftes konjunkturelles Rahmenszenario.
Die Entwicklung des PCR lässt vermuten, dass das Potenzial an Bären, die durch Auflösung ihrer Positionen die Kurse kurzfristig treiben könnten, nicht allzu üppig ist. Der dringenden Einladung der Aktienbullen an das Anleihekapital wurde bislang auch nur zögerlich Folge geleistet, wie der nach wie vor recht flache Umsatzverlauf bei Aktien ausweist. Ob sich hier unmittelbar etwas ändert, wird sich wohl erst mit dem heutigen großen Verfallstag ergeben. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die Seitenlinie mit Blick auf die ausgelaugten Marktinterna auf einen korrektiven Rücksetzer spekuliert - und ihn auch bekommt.
Bei all dem fragt sich auch, welche Märkte den steigenden Ölpreis wie lange dieses Mal ignorieren können. Bei weiter schwachem Euro dürften die europäischen Märkte die Auswirkungen am schnellsten spüren.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de