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Die Rolle der Geschäftsbanken

30.04.2010  |  Mag. Gregor Hochreiter
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Die Bank kann nur dann weitere Kredite vergeben, wenn die Summe der Spareinlagen zunimmt; entweder weil die Sparer bei einer gleich bleibenden Sparneigung verstärkt die Vermittlungsdienste der Geschäftsbank in Anspruch nehmen; sei es, weil die Ersparnisse nicht mehr für eigene Zwecke eingesetzt werden oder weil die Suche nach einem Kreditnehmer außerhalb des Bankensystems als zu aufwendig angesehen wird; oder weil die Menschen infolge der höheren Sparneigung über mehr reale Ersparnisse verfügen.

Hält sich die Bank im Geschäftsverkehr an diese einfachen rechtlichen Vorgaben, ist ihre Solvenz abgesehen vom gewöhnlichen Unternehmerrisiko nicht systematisch gefährdet.


Der Zirkulationskredit

Warum bezahlen die Banken heute dennoch Zinsen auf Sichteinlagen? Dies ist nur deshalb möglich, weil das Teilreserve-Bankensystem es den Banken gestattet, nur einen Teil der Sichteinlage als Sicherheit zu hinterlegen. Bei einem Mindestreservesatz von 10% müssen bei einer Einlage von 100 Geldeinheiten nur 10 Geldeinheiten als Sicherheit zurückgehalten werden. Die übrigen 90 Geldeinheiten dürfen als Kredit vergeben. Ein für die Bank äußerst lukratives Geschäft.

Dieser Form der Kreditvergabe geht kein Eingang einer Spareinlage voraus. Es handelt sich um die Schöpfung eines Kredites - "ex nihilo", "aus dem Nichts" in der unverblümten Diktion des Ökonomen Joseph A. Schumpeter. In seiner "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" erteilte er den so genannten Zirkulationskrediten die wirtschaftswissenschaftliche Absolution. Den Bankier deutete er nicht als "Zwischenhändler", sondern als "Produzent" des Geldes, der den Unternehmern genügend Kredite, Schumpeter spricht irreführend von "Kaufkraft", zur Verfügung zu stellen habe.

Wesentlich realitätsnäher erfasste dagegen Ludwig von Mises den Sachverhalt. Zur präzisen Unterscheidung verwendet von Mises in der bereits erwähnten "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel" die Begrifflichkeiten des Sach- und Zirkulationskredits. Für den nicht-inflationären Kredit, der auf realen Ersparnissen oder anders ausgedrückt auf nicht-konsumierter Produktion beruht, die für die Erreichung höherwertiger, zukünftiger Ziele eingesetzt wird, verwendet er den Begriff des Sachkredits. Dieser entspricht rechtlich gesehen dem Darlehensvertrag/mutuum. Als Zirkulationskredit bezeichnet er hingegen jene Kredite, denen keine realen Ersparnisse zugrunde liegen. Der Zirkulationskredit deutet bloß auf reale Ersparnisse hin. Anspruch und Realität klaffen bei ihm auseinander. Er ist ein Scheinwert; er versetzt die Gesellschaft in die Illusion, dass reale Ersparnisse gebildet worden seien.

Dieser Kreditschöpfungsvorgang "aus dem Nichts" verlängert die Bilanz der Geschäftsbank und scheint in ihr wie folgt auf:

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Der Deponent hat 100 Euro bei der Bank auf seinem Girokonto hinterlegt. Die Bank hält die Mindestreserve von 10% zurück und leiht 90 Euro als Zirkulationskredit dem Kreditnehmer. Dieser erhält auf seinem Konto ein Sichtguthaben in der Höhe von 90 Euro gutgeschrieben. Die Geldmenge wurde durch diesen Vorgang um 90 Euro inflationär ausgeweitet. Insgesamt zirkulieren nun 190 Euro in Form von Kontoführungsguthaben in der Wirtschaft, weil beide, der Deponent und der Kreditnehmer so agieren, als ob sie über Geldmittel in der Höhe von 100 Euro bzw. 90 Euro verfügen.

Schöpft der Kreditnehmer den ihm zugestandene Kreditrahmen voll aus und hebt das Geld von seinem Konto ab, so verändert sich die Bankbilanz folgendermaßen:

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Wenn nun der Deponent mehr als 10 Euro abheben möchte, fliegt der Schwindel bzw. die unsaubere Geschäftsgebarung auf. In den Tresoren der Geschäftsbank befindet sich nur mehr eine Barreserve in der Höhe von 10 Euro, obwohl die Bank noch offene Verbindlichkeiten im Umfang von 100 Euro hat. Die Bank ist zahlungsunfähig.

Sobald also einige Anleger Wind über die zu geringen Aktiva der Geschäftbank bekommen, stürmen sie die Bank. Schließlich reichen die hinterlegten Goldmünzen nur für eine begrenzte Anzahl der Einleger und Kreditnehmer aus. Wer zuletzt kommt, den beißen die sprichwörtlichen Hunde. Für diesen Aufdeckungsprozess wird meist der englische Ausdruck des Bank-Run verwendet. Dieser ist unausweichlich, sobald die Geschäftsbanken ungedeckte Zirkulationskredite vergeben.

Eine zusätzliche Bedrohung für die Solvenz der Bank erwächst aus der systematischen Laufzeitinkongruenz (engl. "maturity mismatch"). Wie wir später sehen werden, führt die von der Ausgabe von Zirkulationskrediten hervorgerufene Zinssenkung dazu, dass das Aktivgeschäft vornehmlich in langfristige Projekte fließt, die ob der künstlichen Zinssenkung profitabel erscheinen, während das Passivgeschäft nur kurzfristige - Spareinlagen - bis überhaupt keine Bindungsfristen - Sichteinlagen - aufweist. Wenn das Volumen des Einlagengeschäfts schwindet, steht die Geschäftsbank droht die Insolvenz, weil die Aktiva der Geschäftbank meist langfristig gebunden und illiquid sind und nicht in kurzer Zeit zur Bedienung der hoch liquiden Passiva aufgelöst werden können. Falls die Bank die nötigen zusätzlichen Einlagen nur dadurch erlangt, dass sie im Passivgeschäft einen höheren Zinssatz anbietet als sie im Aktivgeschäft lukriert, fährt sie auf Dauer Verluste und schlittert in den Bankrott.

Der zum Bank-Run führende Vertrauensverlust hat somit einen durch und durch realen Hintergrund. Es zirkulieren schlicht mehr Passiva in Form von Geldscheinen oder Kontoführungsguthaben als auf der Aktivseite Gold- bzw. Barreserven zur Verfügung stehen. Beschwichtigungsversuche von Seiten der Politik und der Banken, die den Zusammenbruch von Banken zu vermeiden versuchen, schieben den Bank-Run bestenfalls hinaus. Die psychologischen Deutungsversuche des Vertrauensverlustes gehen bloß gegen die Symptome vor. Ein Spiel auf Zeit, das durch Aufschieben nicht zu gewinnen ist. Mit der Ausgabe von Zirkulationskrediten ist das Schicksal der Geschäftsbank besiegelt. Der Kollaps der Bank ist nicht eine Frage des Ob, sondern nur mehr des Wann.


© Mag. Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen.



(1) Für eine vertiefende Auseinandersetzung siehe: de Soto, Jésus Huerta: "Money, Bank Credit and the Economic Cycle", Ludwig-von-Mises-Institute, Auburn, AL, USA, 2006, speziell Kapitel 1 und 2.

(2) von Mises, Ludwig: "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel", Duncker & Humblot, München und Leipzig, 2. neu bearbeitete Auflage, 1924, S. 266.




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