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Drama - Farce - Lüge

20.03.2010  |  Klaus Singer
Ein Historiker-Spruch besagt, die Geschichte wiederhole sich - einmal als Drama, das zweite Mal als Farce. Die Euro-Zone scheint vom Drama gleich in die Farce zu wechseln.

Das Statement der Euro-Gruppen-Tagung bezüglich Griechenland am Montag dieser behauptet, man habe einen Rettungs-Beschluss gefasst, die technischen Details müssten noch erarbeitet werden. Dann kam heraus, dass in Wirklichkeit gar kein solcher Beschluss gefasst wurde. Wolfgang Münchau nennt das eine Lüge und fragt, wie lange das noch so weiter geht.

Und das Hin und Her geht weiter: Jetzt sagt Merkel, zurzeit Berlin, die "no-Bailout"-Klausel der Maastrichter Verträge müsse streng eingehalten werden. Wenn Griechenland Hilfe braucht, dann soll das Land zum IWF gehen. Sarkozy und Trichet halten dagegen: Wenn das Land zum IWF geschickt wird, wäre das ein (ungünstiges) Zeichen, dass die Euro-Zone ihre Probleme nicht selbst lösen kann.

Vollends zur Farce mutiert die Situation mit dem neuesten Vorschlag von Schäuble, ebenfalls zurzeit Berlin. Er scheint eine kreative Phase zu haben, denn nachdem er vor kurzem mit dem Vorschlag eines europäischen Währungsfonds nach Vorbild des IWF aufgefallen war, schlug er jetzt vor, der deutsche Geheimdienst sollte Hedge Fonds ausforschen. Er soll Beweis-Material sammeln, dass diese Belzebuben Griechenland zugrunde spekulieren.

Überhaupt - in Zusammenhang mit der griechischen Misere haben die Polit-Bürokraten mal wieder die Spekulation ins Visier genommen (statt über ihre eigenen Fehlleistungen nachzudenken). Deutschland und Frankreich wollen Spekulationsgeschäfte gegen Staaten und große Unternehmen eindämmen. Dazu soll der Handel mit bestimmten Wertpapieren beschränkt oder sogar komplett verboten werden. Merke: Spekulation schafft keine Trends, sie verstärkt sie nur.

In diesem Zusammenhang kommt mal wieder die Frage auf, was eigentlich aus den zu Jahresbeginn 2009 vollmundig angekündigten Maßnahmen gegen ausufernde Risiko-Spekulationen der Banken geworden ist. Antwort: Bisher (fast) nichts.

Ach ja, Obama hatte kürzlich ein paar Ideen. Die aber sind mittlerweile in das Stadium der Verwässerung eingetreten. Merke: Homöopathie mag bei bestimmten Krankheiten wirken, im Finanzbereich eher nicht.

Zur Thematik der Staatsschulden habe ich auf Grundlage von OECD-Zahlen einmal eine Rangfolge aufgestellt (siehe Chart!). Deutschland rangiert demnach im Mittelfeld, die Euro-Zone insgesamt ist unterdurchschnittlich, Schlusslichter sind England, USA, Griechenland und Japan.

Die Länder der EU haben ihre kfr Schulden seit 2007 fast verdoppelt. Diese Schulden zu überwälzen, steigert die Wahrscheinlichkeit eines Betriebsunfalls - in 2010 stehen mehr als 800 Mrd. Euro an. Offenbar sind Belgien, Italien und Irland besonders involviert. Griechenland muss übrigens kurzfristig 20 Mrd. Euro "locker machen", um am 20. Apr und 19. Mai fällige Anleihen bedienen zu können.

Der Druck auf Deutschland wächst, damit sich das Land auch endlich auf den europäischen Staatsschulden-Durchschnitt herab bewegt. Angeregt durch eine entsprechende Äußerung der französischen Finanzministerin sagt eine zunehmende Anzahl von Analysten, Deutschlands Export-Strategie und das Überleben der Euro-Zone seien zwei konkurrierende Ziele. Deutschland profitiere vom schwachen Euro am meisten, die Ungleichgewichte in der Euro-Zone würden zunehmen. Das Land verhalte sich wie China. Während China hierzu die eigene Währung unterbewertet halten muss, erwarte Deutschland von den Defizitländern der Euro-Zone eine Anpassung auf deflationärem Weg.

Apropos Inflation: Die neuesten Daten von der Preisfront zeigen keine inflationären Tendenzen.

Die FOMC-Sitzung vom Dienstag dieser Woche brachte -hierzu passend- den erneuten Schwur der Fed, dass die Zinsen noch lange tief bleiben. Zudem zeige die wirtschaftliche Erholung nun erhöhtes Momentum.

Die BoJ lockert die bereits losen geldpolitischen Zügel weiter. Sie entschied zur Wochenmitte, dem Finanzmarkt weitere 10 Bill. Yen (rund 80,6 Mrd. Euro) zu einem festen Zinssatz von 0,1 Prozent zu leihen. Damit verdoppelt die Zentralbank das erst im vergangenen Dezember im Kampf gegen die Deflation eingeführte Programm. Die Regierung übt Druck aus, mehr im Kampf gegen die Deflation zu tun, und fordert, die Verbraucherpreise sollen um mindestens ein Prozent steigen.

Euro/Yen reagierte auf die beiden Beschlüsse zunächst positiv, Dollar/Yen reagierte verhalten. Den US-Akteuren ist der kurzfristige US-Zins noch niedrig genug, als dass es einen großen Anreiz gibt, sich über Yen-Dollar-Carry-Trades zusätzlich Liquidität zu beschaffen. Bei den Euro-Akteuren sieht das wegen des höheren Zinsniveaus etwas anders aus.

Die Kombination trieb Euro/Dollar kurzzeitig über 1,38 und damit in eine Widerstandszone. Hier konnte sich das Währungspaar nicht halten, wobei auch mitspielte, dass die anfängliche Erleichterung über eine Entspannung der Situation Griechenlands angesichts des Gegackers auf der politischen Bühne schnell wieder der Ernüchterung wich. Zuletzt konnte sich Euro/Dollar sogar aus dem Abwärtskanal aus Dez 2009 seitwärts herausschleichen. Jetzt dürfte zunächst einmal wieder der Zwischenboden bei knapp 1,35 angelaufen werden, wo aktuell auch die Kanal-Obergrenze verläuft (siehe Chart!).

Der Chart "Carry-Trades" (siehe Chart!) spiegelt die Unterschiede zwischen Dollar- und Euro-Raum wider: Bei EYN/ESX dominieren die gemeinsamen Einflüsse (Carry-Trades), bei JPY/SPX nicht (es gibt aber hier auch keine Verstärkung der divergenten Entwicklung).

Mit der Reaktion der Währungsseite sind wir damit bis jetzt da angelangt, was ich zuletzt als "gefährliche Gemengelage" bezeichnet hatte. Der Yen reagiert auf die erneute Lockerung der Geldpolitik in Japan kaum - ein Hinweis auf nicht gerade überschäumende Risikofreude und Begeisterung für weitere Asset-Käufe. Kurzfristig ist Dollar/Yen noch eine mäßige Aufwärtsanpassung zuzutrauen, Euro/Yen allerdings hat eher Abwärtstendenz. Tritt das so ein, führt das zu Druck auf Euro/Dollar.

Der Blick auf die Aktienmärkte erweckt den Eindruck, dass vor dem heute anstehenden "großen Hexensabbat" nun auch der letzte Bär davon gerannt ist. Der S&P500 ist in seinen Aufwärtskanal aus Juli 2009 zurückgekehrt. Der VIX hat den wichtigen Pegel bei 17,39 nach unten durchbrochen, was signalisiert, dass die Akteure die Notwendigkeit einer Absicherung so gering einschätzen wie zuletzt Mitte Mai 2008. Damals kippte der S&P500 von 1420 um 200 Punkte per Mitte Juli 2008 ab. Eine Korrektur ähnlichen Umfangs halte ich auch in der aktuellen Situation für wahrscheinlich (siehe Charts!).

Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de





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