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Großbritannien hat Probleme, Teil einer griechischen Tragödie ist es aber nicht

24.03.2010  |  Redaktion
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Im Gegensatz zu Deutschland oder jeder anderen EWU-Nation, gibt es keine Vorstellung "nationaler Kreditwürdigkeit", die hier zutrifft, dementsprechend spiegelt die Auffassung, dass Großbritannien dem Beispiel Griechenlands hin zum nationalen Selbstmord zu folgen habe, nicht anderes als die traditionelle deutsche Neigung zum Sado-Monetarismus und Dezifit-Reduktions-Fetischismus wider. Die Verpflichtung zur Kürzung des Defizits war es auch, die Japan während der 1990er und 2000er Jahre zum Scheitern verurteilte, als dümmlich voreilige Versuche der "Finanzkonsolidierung" in Wirklichkeit die Haushaltsdefizite durch das Abwürgen der einsetzenden Wirtschaftsaktivität vergrößerten. Warum also sollte man die Haushaltspolitik enger gestalten, wenn die private Nachfrage saft- und kraftlos ist und die Arbeitslosigkeit noch immer hoch?

Man erinnere sich an "Accounting 101" (Link). Das ist die Umkehrung von Außenhandelsbilanzdefiziten und die Zunahme von Fiskaldefiziten, die ein Land zum privaten Sparen bringt, KEINE DUMMEN SELBSTAUFERLEGTEN EINSCHRÄNKUNGEN VORAUSGESETZT, wie jene von Deutschland im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgeschlagenen (der im übrigen in "Instabilitäts- und Nicht-Wachstumspakt" umbenannt werden sollte). Idealerweise würden wir Defizite auf gutem Wege erreicht sehen wollen: nicht mit automatischen Stabilisatoren, die den Haushalt ins Defizit bringen, weil die Arbeitslosigkeit steigt und die Steuereinnahmen sinken, wenn die Privatnachfrage einbricht, sondern eines, in dem eine Regierung die Finanzpolitik benutzt, damit sichergestellt ist, dass die Nachfrage ausreicht, um hohe Beschäftigungsraten und privates Sparen zu unterstützen. Das würde das Wachstum stabilisieren und das Defizitbild verbessern. Wenn dies einmal erreicht wäre, sollten alle Bemerkungen von nationalen Insolvenzen (oder mehr "Griechischen Tragödien") aus der Welt geschafft sein.

Das UK könnte dieses schaffen, auch wenn seine politisch Verantwortlichen das nicht erkennen können. Nicht so jedoch in den Augen des Spiegel, der davor warnt, dass "...dem Vereinigten Königreich harte Zeiten bevorstehen, so harte sogar, dass keine der Parteien es wagt, das laut auszusprechen, was Viele in ihren Reihen bereits wissen. Die Briten können mindestens höheren Steuern und Gebühren entgegen sehen." Und sehr viel geringerem Wachstum, wenn diesen Empfehlungen Folge geleistet wird.

Wir unterstellen, dass Etliche in Deutschland und im Rest Europas das begreifen. Daher muss man einmal der Frage nachgehen, welche anderen Motivationen hier am Werke sein könnten. Offensichtlich soll das Lenken der Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Finanzen Großbritanniens und das Ziehen von fadenscheinigen Vergleichen mit Griechenland das Spekulationskapital dazu einladen, seine Augen von der Eurozone ab- und dem UK zuzuwenden. Angenommen, dass die angebliche "Griechische Lösung", die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, nichts gegen die untergründigen Probleme des Landes ausrichten wird, schickt es sich für die Eurozonen-Länder, die Aufmerksamkeit vorerst anderswo hinzulenken, ehe ihre gemeinsame Entschlossenheit, ihre Währungsunion zu verteidigen, abermals unter Beschuss gerät.

Und der Himmel möge verhindern, dass das UK erfolgreich sein wird (zugegebenermaßen unwahrscheinlich von heute aus betrachtet, wenn man sich den Mangel an britischen Politikern vor Augen hält, die verstehen, wie modernes Geld tatsächlich funktioniert). Sollte es nämlich die Ausgabenpolitik der Regierung Ihrer Majestät schaffen, eine Finanzpolitik durchzuführen, die zu mehr Beschäftigung und gerechtere Vermögensverteilung führt (zum Beispiel durch ein Arbeitsgarantie-Programm - Link), was würde dann wohl die Reaktion in der Eurozone sein? Würde das nicht dafür sorgen, dass sich ihre Bürger zu fragen begännen, welche Art von betrügerischer Wirtschafts-"Expertise" ihnen durch ihre technokratischen Eliten über die letzten zwei Jahrzehnte verabreicht worden ist? Die gleiche Sorte von neoliberalem Schmarren, der den USA durch solche Gruppen wie der Concord Coalition verabreicht wurde.

Keine Frage, öffentliche Ausgaben sollten behutsam mobilisiert werden, damit sichergegangen wird, dass sie sich im Einklang mit dem nationalen Interesse befinden (und nicht dem von wirtschaftlichem Klüngel). Die Vorstellung jedoch, die Der Spiegel am Leben erhält, dass nämlich die Regierung irgendwie eingeschränkt sei durch selbst auferlegte Regeln, die mit der zugrunde liegenden Wirtschaft in keinerlei Verbindung stehen, ist eine Komödie, die eine Brecht’sche Farce wert wäre. Unglücklicherweise ist dieser besondere deutsche Witz kein Grund zum Lachen.


© Marshall Auerback
Übersetzung aus dem Englischen: Lars Schall








Über den Autor[/b]:

Marshall Auerback, born July 27, 1959 in Toronto, Canada, is familiar with the international scenery of finance firsthand. After graduating "magna cum laude" in English and Philosophy from Queen’s University in 1981 and receiving a law degree from Corpus Christi College, Oxford University, two years later, he was from 1983-1987 an investment manager at GT Management Ltd. in Hong-Kong.

From 1988-91, Mr. Auerback was based in Tokyo, where his Pacific Rim expertise was broadened to include the Japanese stock market. In 1992 he went to New York to ran an emerging markets hedge fund for the Tiedemann Investment Group until 1995. The next four years he worked as an international economics strategist for Veneroso Associates, which provided macroeconomic strategy to a number of leading institutional investors.

From 1999-2002, he managed the Prudent Global Fixed Income Fund for David W. Tice & Associates, a global investment management firm, and assisted with the management of the Prudent Bear Fund. Since 2003 he is serving as a global portfolio strategist for RAB Capital Plc, a UK-based fund management group with $2 billion under management. He is also co-manager of the RAB Gold Fund and an independent economic consultant for PIMCO, the world’s largest bond fund management group.

Moreover, he is a fellow of the Economists for Peace & Security (www.epsusa.org) and of the Japan Policy Research Institute in California (www.jpri.org). As Braintruster of the Franklin and Eleanor Roosevelt Institute, he is a frequent commentator at "New Deal 2.0" (www.newdeal20.org). At present, Mr. Auerback lives in Denver, U.S.A.




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