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Sparen oder Schulden machen?

28.04.2012  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Larry Summers and Brad Delong haben kürzlich in einer längeren Untersuchung belegt, dass Sparen unter Bedingungen einer Liquiditätsfalle eine grottenschlechte Idee ist. Im besten Falle bringt es nichts, um die langfristige Schuldensituation zu verbessern. Aber selbst dann entstehen kurzfristig Kosten, denen kein Nutzen gegenübersteht.

Die Argumente sind alle wohl bekannt. Genauso ist mittlerweile allerdings bekannt, dass jenseits einer Schuldenquote von 70 bis 90%, zusätzliche Staatsausgaben kaum noch stimulierende Wirkung haben. (Die kritische Zone der Schuldenquote gilt übrigens gleichermaßen für den staatlichen wie privaten Sektor). Die Erzeugung von Wachstum ist keine einfache Funktion der Art: "Wenn man viel rein steckt, kommt viel raus.“ (Anmerkung: Einen Überblick über die Verschuldungsquoten zahlreicher Staaten finden Sie hier!)

Einen Beleg dafür liefert Krugman (siehe Chart!): Länder, die in den beiden unteren Quadranten notiert sind, erreichen mit zusätzlichen Staatsausgaben keinen stimulierenden Effekt auf das BIP. Es wundert auch nicht, dass hier PIIGS zu finden sind. Die besonders schweren Fälle sparen, während das Wachstum gleichzeitig überproportional zurückgeht.

Einige Gründe für die entgleisende Situation bei zu hoher Verschuldung: Die Kosten der Staatsverschuldung zur Finanzierung von wirtschaftlichen Anreizen steigen mit dem Verschuldungsgrad überproportional an, der Netto-Effekt solcher Anreize wird immer geringer. Zudem wandert mit zunehmendem Verschuldungsgrad entweder ein immer größerer Anteil privatwirtschaftlicher Erträge in den Schuldendienst oder der private Sektor fragt wegen unsicherer Aussichten zunehmend weniger Kredit zum Ausbau der wirtschaftlichen Aktivitäten nach.

Dennoch wird Krugman nicht müde, gegen Sparen ("Austerity“) zu Felde zu ziehen. Kürzlich hat er einen Anhaltspunkt dafür gegeben, welche Wirkung es in der Eurozone im Durchschnitt hat, wenn ein Euro gespart wird: Das Defizit reduziert sich lediglich um 40 Cent, das BIP hingegen um rund 1,25 Euro (siehe Chart!).

Dass sich Krugman auch gegen US-amerikanische "Sparsamkeit“ wendet, wird hier deutlich (siehe Chart!).

Befänden wir uns lediglich in einem zyklischen Abschwung, wäre die Sache einfach. Der Staat sorgt durch zusätzliche Ausgaben auf Pump für eine Belebung der Wirtschaftslage, in Zeiten wieder sprudelndem Steueraufkommens werden die Schulden zurückgezahlt. Das entspricht auch dem eigentlichen Wesen von Schulden - sie sind ein Vorgriff auf spätere (höhere) Einnahmen.

Ist die Kontraktion aber struktureller Natur, wirken die Mittel aus der zyklischen Werkzeugkiste nicht.

Die aktuelle Krise ist struktureller Natur. Das fing vor vielen Jahren langsam an mit der Auslagerung ganzer Produktionszweige aus Europa, USA und anderen entwickelten Industrieländern in Billig-Lohn-Länder (äh, Emerging Markets). Damit sinkt in der "ersten Welt“ die auf Arbeitseinkommen basierende Nachfrage. Das Reallohnniveau stagniert oder sinkt sogar, hält jedenfalls nicht mit dem Produktivitätsfortschritt mit. Lediglich die Tatsache, dass die Produktion in der "dritten Welt“ so billig ist (war), erlaubte es, den Lebensstandard noch einigermaßen zu halten. Steigende Rohstoffpreise und steigender Wohlstand in den Produzentenländern führen aber zu steigenden Preisen, der Lebensstandard in der „ersten Welt“ sinkt. Wenn alles so bleibt wie es ist, sinkt hier langfristig auch die Wirtschaftsleistung.

Schulden sind dann nicht geeignet, das Problem zu lösen, denn es werden immer mehr erforderlich. So lange die Finanzindustrie hieran problemlos verdient, läuft das Spiel noch weiter. Aber diesen Punkt haben wir im Herbst 2008 überschritten. Schulden lassen sich in einer solchen Situation nicht mit Schulden bekämpfen. Natürlich kann der Punkt, an dem es kracht, immer noch ein Stück hinausgeschoben werden, z.B. indem die Notenbanken ein Stück weit die Rolle des Staates übernehmen und Anreize finanzieren - wie z.B. die EZB über ihre LTROs. Das hat aber den Nachteil aller liquiditätspolitischen Maßnahmen der Notenbanken, dass sie sehr indirekt wirken, nicht zielgerichtet eingesetzt werden können, kaum steuerbar sind. Dementsprechend hoch müssen die bewegten Summen sein.

Rigides staatliches Sparen alleine bewirkt ebenfalls keine Verbesserung. In einer strukturellen Krise zieht das Argument nicht, ein schlanker Schuldner sei ein besserer Schuldner. Denn es geht im Grunde gar nicht um die Höhe der Schulden, sondern um die Bonität, besser gesagt das Vertrauen in die Fähigkeit eines Schuldner/Staates, die Situation in den Griff zu bekommen.

Den Finanzmärkten ist ein hoher Verschuldungsgrad recht. Daran lässt sich gut verdienen, so lange die Rückzahlung nicht gefährdet ist. Ob die "Märkte“ jemals an Merkels Fiskalpakt geglaubt haben, ist schwer zu sagen, insbesondere weil die EZB fast zeitgleich ihre LTROs angeworfen hat. Die zeitweilige Outperformance des DAX lässt vermuten, dass damit die Verzögerung bei der Eurozonen-Angleichung durch deutsche Inflationierung eingepreist wurde. Jetzt jedenfalls beginnen die "Märkte“ am Sparpakt zu zweifeln und "honorieren“ z.B. Spaniens Sparwillen mit steigenden Zinsforderungen.

Das Thema “Wachstum oder Sparen” kocht aktuell auch deswegen wieder hoch, weil seit vielen Wochen US-Makrodaten Schwäche zeigen. Die "Erstanträge“ in den USA steuern jetzt wieder auf die magische Grenze von 400.000 zu, für März wurde der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter mit minus 4,2% gemeldet - der stärkste Fall in drei Jahren. In Europa zieht in immer mehr Ländern eine Rezession auf. Und China meldet stärker als erwartete Bremsung im ersten Quartal. Das kommt gar nicht gut, wird doch Wachstum als Allheilmittel gegen die Folgen eines hohen Verschuldungsgrads gesehen.

Sparen oder Anreize, sprich Schulden? Die Diskussion hierüber ist so lange fruchtlos, so lange man nicht an die Wurzeln des strukturellen Übels geht - siehe oben. Natürlich kann man mit “Medikamenten” aus der zyklischen Werkzeugkiste Heilung versuchen. Aber man wird davon eine enorme Überdosierung brauchen, damit sie überhaupt ein wenig wirken. (Das Codewort der Volkswirte hierzu heißt “Liquiditätsfalle”.) Dementsprechend groß sind dann die Nebenwirkungen. Und genau das passiert auch.

Erwähnte Chart und weiterführende Links können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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