Die Frankreich-Wahl und das Gold
06.05.2012 | Manfred Gburek
Die Präsidentschaftswahl in Frankreich wird durch die Medien dramatisiert, als gelte es, halb Europa gleichermaßen vor dem Einfluss von Kommunisten und Rechtspopulisten zu bewahren. Dabei liegt die Wahrheit in der Mitte - allerdings weniger in der politischen als in der allzu menschlichen Mitte: Frankreich wählt im Zweifel mit dem Bauch und für den Bauch, also immer die Partei mit dem Kandidaten, der es besonders gut versteht, erstens Emotionen zu wecken und zweitens einen höheren Lebensstandard zu versprechen. Das hat zunächst wenig mit den Fakten zu tun, die sind jedoch letzten Endes entscheidend. Grund genug, sie kurz Revue passieren zu lassen; denn erst aus ihnen ergeben sich Rückschlüsse auf den Euroraum, speziell auf Deutschland und damit auf Sie als Steuerzahler und Anleger.
Die Staatsschulden Frankreichs sind von 2008 bis 2011 von 68,2 auf 85,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Das mag im Vergleich zu Deutschland gerade noch angehen, aber die Dynamik der französischen Neuverschuldung von zuletzt plus 5,2 Prozent jährlich lässt nichts Gutes ahnen. Legt man das Wirtschaftswachstum über einen doppelt so langen Zeitraum als Vergleichsmaßstab zugrunde, wird das Einknicken Frankreichs besonders deutlich: seit 2005 nur plus 0,8 Prozent jährlich verglichen mit plus 1,5 Prozent für Deutschland. Und ganz schlimm steht es um die Arbeitslosenquote, eine besonders sensible Kennzahl, weil sie etwas über die schwelenden sozialen Konflikte aussagt: in Frankreich während des Zeitraums von 2005 bis 2011 Anstieg von 9,2 auf 9,7 Prozent, in Deutschland dagegen Rückgang von 11,2 auf etwas unter 6 Prozent.
Damit genug der Fakten. Das Schlimme daran ist ja weniger, dass es den Franzosen im Durchschnitt schlechter geht als den Deutschen, sondern dass Politiker, führende Manager und zum Teil sogar Ratingagenturen uns lange Zeit glauben machen wollten, Frankreich und Deutschland stünden in puncto Wirtschaftskraft auf einer Stufe. Bester Beleg dafür war das "Merkozy“-Getue, das besonders den Italienern auf die Nerven ging, weil sie den Franzosen in mancherlei Hinsicht sogar ökonomisch überlegen sind, sei es bei der Arbeitslosenquote, sei es beim Budgetdefizit.
Nun sind 17 Länder unter dem Euro-Dach vereint, und noch immer hat niemand ein Rezept dafür, wie die unterschiedlich reichen, unterschiedlich strukturierten und unterschiedlich wachsenden 17 jemals wirtschaftlich unter einen Hut zu bringen sind. Eines aber wissen wir schon jetzt, weil es uns die Geschichte lehrt: Allein mit dem Sparen kommen die Euro-Problemländer nicht weiter. Und weil die Reformen dort allmählich ins Stocken geraten, fragt sich die Bevölkerung, welchen Sinn der Sparkurs hat. Die Folge: Proteste allerorten, von Demonstrationen in Madrid bis zu Straßenschlachten in Athen, von französischen Wahlurnen bis zu portugiesischen Fado-Kneipen.
Die heutige Generation der aktuellen und potenziellen Spitzenpolitiker in Europa ist viel zu machtbewusst, um unpopuläre Reformen konsequent durchzusetzen, die sie ihr Amt kosten könnten. Also lassen sie es bei halben Reformen bewenden und schieben immer mehr Verantwortung auf die Europäische Zentralbank, die dann quasi die Funktion einer Geld-Regierung für 17 Euro-Länder wahrnimmt. Derweil machen sich in der politischen Szene ganz unterschiedliche Protestbewegungen breit, die von den deutschen Piraten bis zu den Wilders-Anhängern in den Niederlanden und den Le Pen-Bewunderern in Frankreich reichen.
Die hier beschriebenen Zusammenhänge lassen ahnen, dass es noch eine Weile so weiter gehen wird wie bisher. Das heißt, Politiker sind austauschbar; und wie der Rückzug des Duos Weber/Stark aus der Europäischen Zentralbank mit deren postwendender Sorge für Ersatz gezeigt hat, Währungspolitiker ebenfalls. Daraus folgt ein allgemeiner Vertrauensschwund. Und um hier gleich den Bogen zu einem unserer Hauptthemen aus Anlegersicht zu schlagen: "Der Wert von Gold ist eine Unze dividiert durch das Niveau von Vertrauen in die Zentralbank, dass diese die Kaufkraft der jeweiligen Währung aufrechterhalten kann.“ Das Zitat stammt vom Morgan Stanley-Chefstrategen David Darst.
Der Goldpreis tendiert seit einigen Monaten seitwärts. Bedeutet das, dass damit das Vertrauen in den Euro gewahrt bleibt? Das Thema ist zwar komplex, aber um eine naheliegende Antwort trotzdem nicht schuldig zu bleiben: Da Gold international gehandelt wird, spiegelt sein Preis das Vertrauen bzw. Misstrauen in viele Währungen wider, also in Dollar, Euro, Schweizer Franken, Yen, Renminbi, Rupie usw. Bezeichnenderweise ist der Goldpreis während der vergangenen Jahre in allen Währungen gestiegen. Das heißt, das Vertrauen in die Kaufkraft aller Währungen bzw. in die Fähigkeit der Zentralbanken, sie aufrechterhalten zu können, hat allgemein gelitten. Die Euro-Krise ist da nur der Schnaps obendrauf.
Stellen wir uns nun wieder den Bruch "Gold dividiert durch Vertrauen“ vor, aber dieses Mal konkret in Bezug auf den Euro. Der Zähler des Bruchs besteht weiterhin aus einer Unze Gold, der Nenner jedoch aus dem Vertrauen in die Europäische Zentralbank, die Euro-Kaufkraft aufrechterhalten zu können. Ist dieses Vertrauen wirklich so groß, dass es die französische Präsidentschaftswahl mitsamt den Problemen von Frankreichs Wirtschaft, den Erfolg der Rechtspopulistin Le Pen in Frankreich und des ähnlich Gesinnten Wilders in den Niederlanden wegwischen kann, dass es sich über die lockere Geldpolitik und die ständigen Querelen um den Euro, ganz zu schweigen von Problemländern wie Griechenland, Portugal und Spanien, einfach so hinwegsetzt? Eher steigt der Euro-Preis einer Unze Gold, wenn nicht ins Unendliche, dann doch wenigstens so hoch, bis Politiker ihm mit Repressionen aller Art Einhalt zu gebieten versuchen.
Was da so alles möglich ist, hat zum Beispiel der sogenannte Londoner Goldpool in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gezeigt: Damals hielten die führenden Zentralbanken den Goldpreis für sieben Jahre erfolgreich bei 35 Dollar je Unze unten, um das Misstrauen in ihre Währungen nicht ausufern zu lassen. Am Ende mussten sie kapitulieren, und der Goldpreis begann seinen fulminanten Anstieg. Obendrein ließ Frankreichs Staatschef de Gaulle das Gold seines Landes mit Militäreinsatz aus den USA nach Hause transportieren. Die Bundesrepublik war damals weniger clever, weshalb der deutsche Goldschatz - sofern man Statistiken glauben kann - weiterhin größtenteils in New York lagern soll.
Dieses Mal werden die Anti-Gold-Repressionen anders sein als zu Zeiten des Londoner Goldpools. Besonders in einem Punkt dürften sie sich unterscheiden: Der Goldpreis wird vom jetzigen Niveau aus neue Höhen erklimmen, bevor die Repressionen nachhaltig wirksam werden. Das ist eine gute Nachricht für alle, die Gold besitzen - und auch Silber.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Die Staatsschulden Frankreichs sind von 2008 bis 2011 von 68,2 auf 85,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Das mag im Vergleich zu Deutschland gerade noch angehen, aber die Dynamik der französischen Neuverschuldung von zuletzt plus 5,2 Prozent jährlich lässt nichts Gutes ahnen. Legt man das Wirtschaftswachstum über einen doppelt so langen Zeitraum als Vergleichsmaßstab zugrunde, wird das Einknicken Frankreichs besonders deutlich: seit 2005 nur plus 0,8 Prozent jährlich verglichen mit plus 1,5 Prozent für Deutschland. Und ganz schlimm steht es um die Arbeitslosenquote, eine besonders sensible Kennzahl, weil sie etwas über die schwelenden sozialen Konflikte aussagt: in Frankreich während des Zeitraums von 2005 bis 2011 Anstieg von 9,2 auf 9,7 Prozent, in Deutschland dagegen Rückgang von 11,2 auf etwas unter 6 Prozent.
Damit genug der Fakten. Das Schlimme daran ist ja weniger, dass es den Franzosen im Durchschnitt schlechter geht als den Deutschen, sondern dass Politiker, führende Manager und zum Teil sogar Ratingagenturen uns lange Zeit glauben machen wollten, Frankreich und Deutschland stünden in puncto Wirtschaftskraft auf einer Stufe. Bester Beleg dafür war das "Merkozy“-Getue, das besonders den Italienern auf die Nerven ging, weil sie den Franzosen in mancherlei Hinsicht sogar ökonomisch überlegen sind, sei es bei der Arbeitslosenquote, sei es beim Budgetdefizit.
Nun sind 17 Länder unter dem Euro-Dach vereint, und noch immer hat niemand ein Rezept dafür, wie die unterschiedlich reichen, unterschiedlich strukturierten und unterschiedlich wachsenden 17 jemals wirtschaftlich unter einen Hut zu bringen sind. Eines aber wissen wir schon jetzt, weil es uns die Geschichte lehrt: Allein mit dem Sparen kommen die Euro-Problemländer nicht weiter. Und weil die Reformen dort allmählich ins Stocken geraten, fragt sich die Bevölkerung, welchen Sinn der Sparkurs hat. Die Folge: Proteste allerorten, von Demonstrationen in Madrid bis zu Straßenschlachten in Athen, von französischen Wahlurnen bis zu portugiesischen Fado-Kneipen.
Die heutige Generation der aktuellen und potenziellen Spitzenpolitiker in Europa ist viel zu machtbewusst, um unpopuläre Reformen konsequent durchzusetzen, die sie ihr Amt kosten könnten. Also lassen sie es bei halben Reformen bewenden und schieben immer mehr Verantwortung auf die Europäische Zentralbank, die dann quasi die Funktion einer Geld-Regierung für 17 Euro-Länder wahrnimmt. Derweil machen sich in der politischen Szene ganz unterschiedliche Protestbewegungen breit, die von den deutschen Piraten bis zu den Wilders-Anhängern in den Niederlanden und den Le Pen-Bewunderern in Frankreich reichen.
Die hier beschriebenen Zusammenhänge lassen ahnen, dass es noch eine Weile so weiter gehen wird wie bisher. Das heißt, Politiker sind austauschbar; und wie der Rückzug des Duos Weber/Stark aus der Europäischen Zentralbank mit deren postwendender Sorge für Ersatz gezeigt hat, Währungspolitiker ebenfalls. Daraus folgt ein allgemeiner Vertrauensschwund. Und um hier gleich den Bogen zu einem unserer Hauptthemen aus Anlegersicht zu schlagen: "Der Wert von Gold ist eine Unze dividiert durch das Niveau von Vertrauen in die Zentralbank, dass diese die Kaufkraft der jeweiligen Währung aufrechterhalten kann.“ Das Zitat stammt vom Morgan Stanley-Chefstrategen David Darst.
Der Goldpreis tendiert seit einigen Monaten seitwärts. Bedeutet das, dass damit das Vertrauen in den Euro gewahrt bleibt? Das Thema ist zwar komplex, aber um eine naheliegende Antwort trotzdem nicht schuldig zu bleiben: Da Gold international gehandelt wird, spiegelt sein Preis das Vertrauen bzw. Misstrauen in viele Währungen wider, also in Dollar, Euro, Schweizer Franken, Yen, Renminbi, Rupie usw. Bezeichnenderweise ist der Goldpreis während der vergangenen Jahre in allen Währungen gestiegen. Das heißt, das Vertrauen in die Kaufkraft aller Währungen bzw. in die Fähigkeit der Zentralbanken, sie aufrechterhalten zu können, hat allgemein gelitten. Die Euro-Krise ist da nur der Schnaps obendrauf.
Stellen wir uns nun wieder den Bruch "Gold dividiert durch Vertrauen“ vor, aber dieses Mal konkret in Bezug auf den Euro. Der Zähler des Bruchs besteht weiterhin aus einer Unze Gold, der Nenner jedoch aus dem Vertrauen in die Europäische Zentralbank, die Euro-Kaufkraft aufrechterhalten zu können. Ist dieses Vertrauen wirklich so groß, dass es die französische Präsidentschaftswahl mitsamt den Problemen von Frankreichs Wirtschaft, den Erfolg der Rechtspopulistin Le Pen in Frankreich und des ähnlich Gesinnten Wilders in den Niederlanden wegwischen kann, dass es sich über die lockere Geldpolitik und die ständigen Querelen um den Euro, ganz zu schweigen von Problemländern wie Griechenland, Portugal und Spanien, einfach so hinwegsetzt? Eher steigt der Euro-Preis einer Unze Gold, wenn nicht ins Unendliche, dann doch wenigstens so hoch, bis Politiker ihm mit Repressionen aller Art Einhalt zu gebieten versuchen.
Was da so alles möglich ist, hat zum Beispiel der sogenannte Londoner Goldpool in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gezeigt: Damals hielten die führenden Zentralbanken den Goldpreis für sieben Jahre erfolgreich bei 35 Dollar je Unze unten, um das Misstrauen in ihre Währungen nicht ausufern zu lassen. Am Ende mussten sie kapitulieren, und der Goldpreis begann seinen fulminanten Anstieg. Obendrein ließ Frankreichs Staatschef de Gaulle das Gold seines Landes mit Militäreinsatz aus den USA nach Hause transportieren. Die Bundesrepublik war damals weniger clever, weshalb der deutsche Goldschatz - sofern man Statistiken glauben kann - weiterhin größtenteils in New York lagern soll.
Dieses Mal werden die Anti-Gold-Repressionen anders sein als zu Zeiten des Londoner Goldpools. Besonders in einem Punkt dürften sie sich unterscheiden: Der Goldpreis wird vom jetzigen Niveau aus neue Höhen erklimmen, bevor die Repressionen nachhaltig wirksam werden. Das ist eine gute Nachricht für alle, die Gold besitzen - und auch Silber.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).