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Finanztest: Staatsknete für zweifelhafte Inflationstipps

20.06.2010  |  Manfred Gburek
Wie hier immer wieder betont, zieht der Goldpreis - und mit ihm der Silberpreis - seine Bahnen von Rekord zu Rekord aufwärts. Das wird er, natürlich mit mehr oder weniger großen Unterbrechungen, weiter tun, Preisziel vorerst nach oben offen. Denn die beiden Edelmetalle, in abgeschwächter Form auch Platin und Palladium, werden weltweit zunehmend mit den Motiven Sicherheit und Erhaltung der Kaufkraft favorisiert. Das heißt, Anleger mit großem wie auch mit kleinem Vermögen trauen den Politikern und Zentralbankern nicht mehr zu, die Schuldenkrise und am Ende die Papiergeldentwertung in den Griff zu bekommen - eine Einstellung, mit der die Anleger am Ende wohl recht behalten werden, allein wenn man die nicht frisierten aktuellen Zahlen zu den gigantischen Schuldenbergen Revue passieren lässt.

So weit der heutige Prolog zu einem Thema, das ich aus aktuellem Anlass mit einem ungewöhnlichen Schwerpunkt abhandeln möchte: Inflation. Oder konkret: Was hat die vom Bund reichlich mit Geld ausgestattete Stiftung Warentest in der neuen Ausgabe ihrer Zeitschrift Finanztest - immerhin als Titelgeschichte - aus diesem Thema gemacht? Schon der Vorspann verheißt, es gebe "keinen Grund zur Panik". Nun gut, dass Bundesbank-Präsident Axel Weber, einer der Kandidaten für den Chefposten der Europäischen Zentralbank (EZB), erst am 9. Juni auf einer Berliner CDU-Veranstaltung wieder einmal eindringlich von "Zweifeln an der Tragfähigkeit der teilweise ohnehin labilen Staatsfinanzen" gesprochen hatte, mag man in den Berliner Redaktionsstuben der Zeitschrift nicht mehr mitbekommen haben. Aber seine Wochen vorher ausgesprochenen mehrfachen Warnungen vor der drohenden Geldentwertung müssten sich längst herumgesprochen haben, abgesehen davon, dass die Finanzwelt schon Anfang Mai unterzugehen drohte.

Nach einigen einleitenden Passagen folgt in der Titelgeschichte ein Satz wie aus einer der vielen früheren Werbebroschüren zur Euro-Einführung: "Tatsächlich ist der Euro aber viel stabiler, als es die D-Mark je war." Begründet wird diese Aussage mit der Inflationsrate früher und heute, so, als gäbe es heute kein Euro-Problem durch Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Frankreich und so weiter. Das erinnert an den alten Trick von Volkswirtschafts-Professoren, Einflussfaktoren, die den akademischen Theorien im Weg stehen könnten, einfach auszuklammern. Wohin das führen kann, hat der bisherige Verlauf der Schuldenkrise hinreichend gezeigt.

Bevor Sie die folgenden Sätze lesen, sollten Sie sich noch einmal die Medienschlagzeilen zum bisherigen Verlauf der Schuldenkrise ins Gedächtnis rufen. Finanztest macht daraus ein volkswirtschaftliches Kolloquium für i-Männchen: "Die Staaten müssen außerdem auf ihren guten Ruf achten. Sie finanzieren ihre Schulden am Kapitalmarkt, indem sie Anleihen herausgeben. Verhielten sie sich so, wie oben beschrieben, würden sie schnell das Vertrauen der Anleger verlieren. Sie hätten Schwierigkeiten, sich weiter am Kapitalmarkt zu finanzieren, und würden womöglich von Ratingagenturen schlechte Noten erhalten. Die Staaten müssten dann für ihre Schulden höhere Zinsen zahlen und wären alles andere als Inflationsgewinner." Noch dreister könnte kein Professor einen wichtigen Einflussfaktor wegzaubern, hier die EZB, die mit dem Kauf von Ramschanleihen einiger Euro-Länder dafür sorgt, dass diese gerade keine Schwierigkeiten bekommen, sich weiter zu finanzieren. Dass sie höhere Zinsen zahlen, kann ihnen bei so einer Konstellation schon fast egal sein, weil am Ende eine Art Euro-Solidargemeinschaft für sie einspringen wird.

Zum Thema Gold hat in Finanztest schon einiger Unsinn gestanden, deshalb hier nur noch zwei kleine Kostproben: "Wer aus Angst vor Inflation viel Geld in Gold umschichtet, bringt sein Geld damit nicht in Sicherheit, sondern erhöht sein Risiko." Wir werden sehen. "Nachgefragt wird Gold außer von Anlegern hauptsächlich von Hochtechnologieunternehmen und vom Schmuckgewerbe." Die Sache mit der Hochtechnologie sollte mal in einem der nächsten Hefte erklärt werden, da kann man gespannt sein.

Nach der Überschrift "Kein Grund zur Panik" geht die Zeitschrift in die Vollen. Zum Beispiel so: "Die Versicherungsgesellschaften legen das Geld der Versicherten in Anleihen, Aktien und Immobilien an. Diese Mischung bietet große Sicherheit." Damit können Versicherungsvertreter jetzt auf Dummenfang gehen. Abgesehen davon, dass die Mischung zum ganz überwiegenden Teil aus Anleihen, Schuldscheinen und anderen Geldwerten besteht, sind die Aktien- und Immobilienquoten im unteren einstelligen Prozentbereich zum Vergessen, das alles mit wenigen Klicks nachzulesen in Statistiken des Versicherungsverbandes GDV und der Finanzaufsicht BaFin. Aber am schlimmsten ist die Behauptung "große Sicherheit". Das ist eine Aufforderung, Geld aufs Spiel zu setzen. Warum, dazu gibt der Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank Aufschluss, erschienen bereits im November 2009 und versehen mit bedenkenswerter Kritik an den Schieflagen der Lebensversicherer. Die Redaktion einer staatlich bezuschussten Zeitschrift hat es also offenbar nicht einmal für nötig gehalten, ihren Sonderkorrespondenten ins Archiv zu entsenden.

Schließen wir dieses Kapitel mit einer Schmonzette zum Thema private Schulden: "Zweitens nützt Ihnen eine Inflation für Ihre privaten Schulden nur, wenn Ihr Einkommen steigt, denn nur dann wird die Rückzahlung des Kredits immer billiger." Sie brauchen erst gar nicht zu versuchen, dem Gehalt dieses merkwürdigen Satzes auf den Grund zu gehen, denn Sie schaffen es sowieso nicht.

Am Mittwoch, 23. Juni, von 13 bis 14 Uhr gibt es auch noch einen Chat unter www.test.de/chat-inflation, zu dem Sie ab sofort Fragen stellen können. "Unsere Experten", behauptet Finanztest, stehen Ihnen Rede und Antwort. Machen Sie doch einfach mit, und sei es nur, um zu erfahren, welche Schmonzetten der staatlich finanzierte Meinungs-Mainstream sonst noch zu bieten hat.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Autor zahlreicher Bücher. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).












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