Die Mär von der Ölknappheit?
Aufgrund der kräftigen Konjunkturerholung wird die Nachfrage nach Öl bereits im laufenden Jahr und damit weit schneller als erwartet wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Überraschend dynamisch präsentiert sich dem IEA-Report zufolge aber auch die Angebotsseite. So werden die weltweiten Förderkapazitäten von etwa 91 mbpd im vergangenen Jahr bis 2015 auf rund 97 mbpd anwachsen, wovon ein Großteil auf Kapazitätserweiterungen in den OPEC-Ländern entfallen soll. Per saldo verblieben dem globalen Ölmarkt damit freie Produktionskapazitäten in Höhe von gut 5 mbpd.
Handelt es sich also bei der viel zitierten Knappheit am Ölmarkt letzten Endes nur um eine Mär? Wohl eher nicht! Zum einen entsprechen die für 2015 geschätzten Überschusskapazitäten gerade einmal 5% der Weltnachfrage, was im Hinblick auf den langen Prognosezeitraum nun nicht gerade einen sonderlich komfortablen Angebotspuffer darstellt. Auch könnte die Kapazitätsentwicklung infolge geringerer Tiefseeaktivitäten (im Nachgang der BP-Katastrophe) nach Angabe der IEA durchaus um bis zu 15% niedriger ausfallen, womit deren Schätzung sogleich wieder relativiert wäre.
Das veranschlagte Nachfragewachstum von 1,4% pro Jahr sollte ebenfalls nicht als in Stein gemeißelt betrachtet werden, bedenkt man, dass der Ölverbrauch in den fünf Jahren vor 2008 (bei ähnlich hohem Wirtschaftswachstum) im Durchschnitt sogar um fast 2% jährlich zugelegt hatte. Wenngleich der jüngste IEA-Bericht Entwarnung hinsichtlich der kurzfristigen Angebotssituation am Ölmarkt gibt, sollten die mittel- und langfristigen Herausforderungen einer ausreichenden Ölversorgung dadurch nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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